„Stau“Angeklagter versetzt Gericht in Bensberg – Strafbefehl über 9000 Euro

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Das Amtsgericht Bergisch Gladbach liegt unterhalb von Schloss Bensberg.

Schmucklos, aber durchaus nicht zahnlos: Das Amtsgericht Bergisch Gladbach unterhalb von Schloss Bensberg.

Das Bensberger Strafgericht und vier Zeugen wollte ein Bauunternehmer (30) bis zu 45 Minuten warten lassen. Jetzt muss er 9000 Euro zahlen.

Pünktlichkeit ist die Tugend der Könige. Nun kann natürlich nicht jedermann ein König sein, doch zeugt das Bemühen, andere nicht unnötig warten zu lassen, von einer Charakterstärke, die ebenso gut wie Blaublütige auch Bürgerliche und Proletarier haben können – oder eben auch nicht. Einen 30-jährigen Bauunternehmer kommt sein ausgeprägter Mangel an gutem Benehmen jetzt teuer zu stehen.

In Bensberg war der Mann angeklagt, weil er die Trennung von seiner Bergisch Gladbacher Ex-Freundin nicht akzeptiert und ihr nachgestellt haben soll. Am Prozesstag hatten sich neben der mutmaßlichen Ex gleich drei weitere Zeugen auf dem Gerichtsflur versammelt. Bei Aufruf des Verfahrens betraten sie pünktlich um 11.30 Uhr den Gerichtssaal.

Dann gehe ich eben nach Hause und treffe mich mit meinem Enkel. Das ist mir sowieso viel lieber.
Zeugin, die umsonst erschienen war

Damit waren sie alle da — außer dem Angeklagten Ömer P. (Name geändert). Der hatte vielmehr kurzfristig auf der Geschäftsstelle von Richterin Simona Sünnemann angerufen und mitgeteilt, dass er es wegen eines Staus nur mit 30 bis 45 Minuten Verspätung schaffen werde. „Das passt zu dem Herrn“, entfuhr es einer älteren Zeugin, die es selbst trotz Rollators und erheblicher Steigungen am Bensberger Berg pünktlich geschafft hatte. Eine weitere ältere Zeugin pflichtete ihr bei: „So haben wir ihn kennengelernt.“

Indes hatten nicht nur die Zeuginnen, sondern, in einem früheren Verfahren, auch die Justiz den Angeklagten bereits kennengelernt und offenkundig wenig Lust, die Allüren des jungen Herrn P. zu schlucken. Die Stimmung der beiden älteren Zeuginnen schwankte zwischen „Was für eine Unverschämtheit“ und „Dann gehe ich eben nach Hause und treffe mich mit meinem Enkel. Das ist mir sowieso viel lieber“, die mutmaßliche Ex und der vierte Zeuge kommentierten das Verhalten nicht. Richterin Sünnemann entließ die vier Zeugen mit einem Bedauern für diesen Tag und überlegte anschließend mit dem Staatsanwalt, wie denn nun zu verfahren sei.

Empfindliche Geldstrafe für die angeklagte Nachstellung

Da der Angeklagte in seinem letzten Strafprozess ein durchaus beachtliches Nettoeinkommen von 2000 bis 3000 Euro angegeben hatte, entschied sich der Vertreter der Anklagebehörde mit Ablauf der akademischen Viertelstunde, einen ebenfalls beachtlichen Strafbefehl für die angeklagte Tat zu fordern: 9000 Euro, entsprechend 150 Tagessätzen zu jeweils 60 Euro. Diesen erließ Richterin Sünnemann dann auch umgehend.

Ömer P. kann sich nun überlegen, ob er die Strafe zahlt oder ob er lieber Einspruch erhebt. Sollte er Einspruch erheben, käme es zu einer neuen Hauptverhandlung mit den vier Zeuginnen und Zeugen. Der Bauunternehmer müsste dann allerdings wohl alles daran setzen, pünktlich im Gerichtssaal zu erscheinen — und dass dieser Termin dann wieder zu einer straßenverkehrsmäßig eigentlich sehr entspannten Zeit stattfindet und nicht etwa schon um 9 Uhr morgens, ist auch noch nicht raus.

Der Staumelder des Navigationsdienstes Google Maps übrigens zeigte an diesem Tag gegen 11.30 Uhr sehr viel Grün und nur ganz wenig Rot auf den Straßen rund um Köln und Bergisch Gladbach an.

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