Engagierter BrückenbauerEin letztes „Glück auf“ – Overather Siegfried Raimann ist tot

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Siegfried Raimann im Rock eines Steigers.

Starb am Donnerstagnachmittag (16. Mai) im Alter von 89 Jahren: Overaths langjähriger Bürgermeister, Bergbauexperte und Ehrenbürger Siegfried Raimann.

Der Overather Ehrenbürger, Bergbauexperte und langjährige Bergisch  Gladbacher Berufsschulleiter Siegfried Raimann ist mit 89 Jahren gestorben.

Er war Bergmann, Oberstudiendirektor und passionierter Wanderer, sein Herz schlug für die Bergbauhistorie, die Menschen und das Leben in „seiner“ Stadt, in der er lange Bürgermeister, seit 2018 Ehrenbürger und ein engagierter Brückenbauer war. Am Donnerstagnachmittag hat Siegfried Raimanns Herz aufgehört zu schlagen. Nach kurzer schwerer Krankheit starb er im Alter von 89 Jahren.

Großes Herz für die Vereine und das Engagement in seiner Heimatstadt Overath

So gerne hätte er seinen 90. Geburtstag am 11. Juni noch groß gefeiert. Für das darauffolgende Wochenende war bereits alles geplant, mit Dankmesse in St. Walburga, Empfang im Bürgerhaus, mehr als 100 Gästen und Auftritten von Mandolinenorchester und Steinenbrücker Schiffermädchen.

Siegfried Raimann steht neben Manuel Andrack bei einer Wanderung auf dem Rösrather Bergbauweg.

Passionierter Wanderer und Bergsteiger: Siegfried Raimann (hier bei einer Wanderung auf dem Bergbauweg über den Lüderich mit Wanderbuchautor Manuel Andrack) kraxelte leidenschaftlich gerne – im Bergischen Land ebenso wie in den Alpen.

Sie kannten und schätzten ihn alle, den agilen Menschenfreund und Berichterstatter im lokalen Mitteilungsblatt, der bis zuletzt noch aktiv der Arbeit in seinem großen Nutzgarten und seiner großen Leidenschaft, dem morgendlichen Schwimmen, nachging.

Siegfried Raimann war jemand, der sich nicht unterkriegen ließ

„Ich glaube, aus dem Empfang wird nichts mehr“, sagte er dann am vergangenen Sonntagabend im Gespräch mit dieser Zeitung im Bensberger Krankenhaus. Nicht müde, sondern entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen – so wie er war: „Wir müssen einen Plan B machen“, verabschiedete er den Besucher. Vier Tage später starb der rührige Initiator und Motivator, dem das Lächeln selbst in schwierigen Situationen nie schwer zu fallen schien.

Die Overather Ehrenbürger Siegfried Raimann und Norbert Kuhl stehen mit Bürgermeister Jörg Weigt im Jahr 2018 auf der Bühne des Kulturbahnhofs Overath.

Verleihung der Overather Ehrenbürgerwürde an Siegfried Raimann (r.) und Norbert Kuhl (l.) durch Bürgermeister Jörg Weigt im Jahr 2018.

Dabei hatte er schon in jungen Jahren einiges mitgemacht. 1934 auf einem Bauernhof in Ruppersdorf im Sudentenland (heute Tschechien) geboren, besuchte Raimann während des Zweiten Weltkriegs die Volksschule und die ersten beiden Jahre des Gymnasiums, bevor Kriegsende und Vertreibung dem schulischen Werdegang ein jähes Ende bereiteten – vorläufig. Erst nach der Aussiedlung ins oberfränkische Untersteinach bei Kulmbach konnte Raimann den Schulbesuch 1946 fortsetzen.

Aus dem Sudetenland über Nordbayern zum Lüderich ins Bergische

Von Nordbayern verschlug es ihn ins Rheinland. Angelockt hatte ihn eine Werbung, in der Berglehrlinge für die Erzgrube Lüderich in Overath-Steinenbrück gesucht wurden.

Siegfried Raimann zeigt bei einer Führung am ehemaligen Hauptschacht der Erzgrube Lüderich die Funktion eines Trainingsgeräts für die Grubenwehr. Mit ganzer Kraft: Siegfried Raimann zeigt bei einer Führung am ehemaligen Hauptschacht der Erzgrube Lüderich die Funktion eines Trainingsgeräts für die Grubenwehr.

Mit ganzer Kraft: Siegfried Raimann 2022 zeigt bei einer Führung am ehemaligen Hauptschacht der Erzgrube Lüderich die Funktion eines Trainingsgeräts für die Grubenwehr.

Im „Schnelldurchgang“ schloss er seine Lehre mit der Knappenprüfung 1954 ab und machte anschließend die Hauerprüfung, bevor er auf die Bergschule nach Siegen wechselte, um dort 1957 das Examen als Steiger abzuschließen. Die abgeschlossene Ausbildung als Grubensteiger wurde ihm später als „Diplomingenieur“ anerkannt.

Vom Bergmann zum Berufsschulleiter in Bergisch Gladbach

Schon früh erkannte er, dass er gut mit Menschen umgehen konnte, Dinge gut erklären konnte – und startete – da der Bergbau schon damals bröckelte – noch einmal einen ganz anderen beruflichen Werdegang. Raimann studierte in Köln Berufspädagogik, blieb jedoch in der vorlesungsfreien Zeit seiner Tätigkeit als Grubensteiger in verschiedenen Bergwerken treu.

Siegfried Raimann mit ehemaligen Bergleuten an einem Grubenwagen unter dem Fördergerüst des Hauptschachts.

Er hielt die Bergleute des 1978 geschlossenen Erzbergwerks auf dem Lüderich zusammen: Siegfried Raimann (2.v.l.) mit ehemaligen Bergleuten an einem Grubenwagen unter dem Fördergerüst des Hauptschachts.

Nach Abschluss des Studiums arbeitete er als Lehrer an der Gewerblichen Berufsschule II in Köln und übernahm 1981 als Oberstudiendirektor die Leitung der Gewerblichen Berufsschule Bergisch Gladbach. Bekannt war er dafür, sich die Namen sämtlicher Schüler einzuprägen und sie selbst Jahre, nachdem sie die Schule verlassen hatten, noch beim Namen zu kennen.

Im (Un-)Ruhestand politisch als Bürgermeister durchgestartet

Als er selbst die Schule in die Pension verließ, startete er in seiner Heimat noch einmal politisch durch, wurde ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Overath und war als solcher engagiert unterwegs. Ob Konzerte, Jubiläen oder der Besuch engagierter Bürger – Raimann war das Repräsentieren keine Pflicht, ihn interessierte das gesellschaftliche Leben in seiner Gemeinde, die 1997 zur Stadt avancierte.

Die Vize-Bürgermeister Siegfried Raimann, Rolf Trefz und Dr. Dieter Schmitz geben sich mit Bürgermeister Andreas Heider die Hand.

Sie vertraten 2012 Bürgermeister Andreas Heider (l.): Die Vize-Bürgermeister (v.r.) Siegfried Raimann, RolfTrefz und Dr. Dieter Schmitz.

In einer eigenen Rubrik im städtischen Mitteilungsblatt berichtete er von Konzerten, Städtepartnerschaftsbesuchen und großen Auftritten ebenso wie von Menschen, die sich im Hintergrund engagierten, beispielsweise öffentliche Beete pflegten, auf dem eigenen Grundstück eine Kapelle errichteten oder die Historie erforschten.

Jahrzehntelang die Gemeinde Overath als Politiker und Bürgermeister geprägt

Seit 1969 bereits war Raimann Mitglied der CDU-Fraktion im Stadtrat, von 1994 bis 1999 ehrenamtlicher Bürgermeister und ab dann bis zu seinem Ausscheiden aus dem Stadtrat 2014 stellvertretender Bürgermeister. Seine Leidenschaft galt auch den Bergen: den Alpen ebenso wie den bergischen Höhen.

Als städtischer Wanderwart betreute er die Wandergruppe der Stadt Overath. Viele Jahre engagierte er sich in der Städtepartnerschaft mit dem französischen Pérenchies, wo Raimann 1983 Ehrenbürger wurde.

Siegfried Raimann steht mit einer Kamera in der Hand neben Verleger und Buchhändler Alexander Bücken, der sein Buch „Mit Siegfried Raimann vor Ort“ in den Händen hält.

„Rasender Reporter“: 400 seiner mehr als 1300 Berichte für das städtische Mitteilungsblatt gab Siegfried Raimann (l.) 2021 mit Verleger und Buchhändler Alexander Bücken als Buch heraus.

Bei der Gründung der Overather Städtepartnerschaften mit Pérenchies und ColneValley (England) 1973 war er als Ratsmitglied dabei gewesen und pflegte seitdem eine Freundschaft mit mehreren Generationen der dortigen Familien Balloy und Pearson.

Siegfried Raimanns vielseitiges Engagement waren seine „Baustellen“

Mit einem Lächeln im Gesicht sprach er gerne von seinen „Baustellen“, wenn er von seinem vielseitigen Engagement berichtete. An vielen Orten wird sein Wirken, das 1999 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande und 2018 mit der Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt gewürdigt wurde, lebendig bleiben – an einem aber ganz besonders: dem Lüderich, wo er seine berufliche Laufbahn begann, er nach der Schließung des Erzbergwerks 1978 das Andenken hochhielt, alljährlich noch am Jahrestag der Bergwerksschließung den Klöntreff auf der Gezähekiste für ehemalige Bergleute organisierte, wohin er ungezählte Gruppen mit spannenden Vorträgen führte und wo seit mehr als einem Vierteljahrhundert das Barbarakreuz steht.

Vize-Bürgermeister Siegfried Raimann verteilt Eis an  kleiner Besucher eines Festes.

Immer da, wo etwas los war: Vize-Bürgermeister Siegfried Raimann verteilt Eis an kleiner Besucher eines Festes.

Der tief im christlichen Glauben verwurzelte frühere Bergmann und verwitwete Vater erwachsener Kinder hatte das nach der Schutzheiligen der Bergleute benannte Kreuz auch in seiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand der Pfarrei St. Barbara Steinenbrück mit auf den Weg gebracht, nachdem er zwölf Jahre zuvor – noch als Berufsschulleiter – bereits die Idee für ein Gipfelkreuz auf dem 3278 Meter hohen Linken Fernerkogel im österreichischem Pitztal in die Tat umgesetzt hat.

Auch das Wahrzeichen auf dem Lüderich hat Siegfried Raimann initiiert

Das 1997 eingeweihte Barbarakreuz ist mit 15 Metern Höhe freilich deutlich größer und längst zum heimlichen Wahrzeichen der Stadt geworden – weithin sichtbar auch von der Autobahn 4 unten im Tal.

Unzählige Menschen hat er seit der Einweihung bereits hinauf zum Kreuz auf die ehemalige Schachthalde des Hauptschachts geführt – und ihnen unterwegs auch jenen Gruß nahegebracht, der nun als letzter auch ihm gilt: „Glück auf, Siegfried Raimann“.

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