JobmesseWie das Jobcenter Rhein-Sieg Frauen offen und flexibel zum neuen Job bringen will

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Das Jobcenter Rhein-Sieg hatte die Jobmesse nur für Faruen organisiert.

Das Jobcenter Rhein-Sieg hatte die Jobmesse nur für Faruen organisiert.

In den Räumen des Jobcenters an der Rathausallee war es brechend voll. Die Messe richtete sich speziell an Frauen, die Bürgergeld empfangen.

Vor dem Info-Schalter des Jobcenters Rhein-Sieg in Sankt Augustin drängelten sich die Frauen schon zu Beginn der Jobmesse, die ausschließlich für sie organisiert worden war. Ein sechsköpfiges Team, natürlich nur Frauen, hatte in monatelanger Vorbereitung Einladungen verschickt, Referentinnen gesucht und Unternehmen mit ins Boot geholt.

„Wir haben rund 400 Kundinnen angeschrieben und sie auch persönlich informiert“, berichtete Jelena Jumpertz, knapp 250 waren gekommen. Vor einem Jahr schon gab es eine ähnliche Veranstaltung, die sich aber auf Berufe fokussiert hatte, in denen Frauen nicht so stark vertreten sind. In der Neuauflage gab es diese Spezialisierung aber nicht mehr. Dafür bot das Vorbereitungsteam Workshops an, etwa mit Inklusions-Erfolgsgeschichten.

Frauen tauschen sich per Gebärdensprache aus.

Frauen tauschten sich per Gebärdensprache aus, es gab sogar eigene Gebärdendolmetscherinnen.

Russische, türkische und arabische Dolmetscher unterstützten die Besucherinnen bei ihrem Rundgang.  Beim Team Reha des Jobcenters stand eine ganze Reihe Kundinnen, die sich in Gebärdensprache austauschten. Eigens für sie gab es Gebärdendolmetscherinnen. 19 externe Aussteller hatten Stände aufgebaut, dazu kamen neun Beratungsangebote des Jobcenters, von Job-Turbo bis zur Arbeitgeberbetreuung.

Flexible Arbeitszeiten und Probetage sind bei Kundinnen gefragt

Geschäftsführerin Anja Roth besuchte bei ihrem Rundgang vor allem die Betriebe, die auf der Suche nach Arbeitskräften waren. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berichteten durchweg von viel versprechenden Gesprächen. Ganz konkret war es zum Beispiel bei der Bäckerei Gilgen's geworden, wie Hatice Okutan erzählte.

Es ist gut, sich direkt mit den Arbeitgebern auszutauschen.
Harvinder Dayal, Besucherin

Interessentinnen hatte sie die Möglichkeiten flexibler Arbeitszeiten aufgezeigt und Sonderschichten, etwa an Wochenenden oder Feiertagen. In dem Unternehmen mit fast 700 Beschäftigten aus mehr als 30 Nationen und 43 Filialen gebe es unterschiedliche Einsatzvarianten, auch für Frauen, die nicht so gut Deutsch sprechen können.

Harvinder Dayal ist eine solche Kandidatin. „Ich suche einen Job“, meinte sie ganz offen, „es ist gut sich direkt mit den Arbeitgebern auszutauschen.“ Ihr würde es helfen, wenn sie die Chance bekäme, für zwei Tage zur Probe zu arbeiten. Das formulierte sie als Wunsch an alle Anbieter von Arbeitsplätzen.

Eine Jobcenter-Beraterin spricht mit zwei interessierten Frauen.

Maria da Costa (l.) und Harvinder Dayal (M.) sprachen mit der Jobcenter-Beraterin Assere-Diane Monnet-Bergmann (r.) über Arbeitsmöglichkeiten.

Das Thema Sprache ist auch für Roth wichtig. Beim Job-Turbo gehe es insbesondere darum, Kundinnen in Arbeit zu bringen, deren Level noch nicht so hoch ist. Sehr flexibel zeigte sich dabei Caroline Büttner, Personalreferentin bei Orthopädie Rahm. Während in der Verwaltung Deutsch B 1 schon wichtig sei, spiele das in den Werkstätten kaum eine Rolle. „Wir brauchen keinen Schein“, sagte sie, „selber sprechen, das lernen sie schon, verstehen ist entscheidender.“

Zahlreiche Unternehmen aus Rhein-Sieg präsentierten sich bei Jobmesse

Ihr Stand war gut besucht. „Wir haben eine Handvoll interessanter Gespräche geführt, nach nur einer Stunde“, war sie zufrieden. Ganz viele Kontakte hatten auch Thorsten Jahn und Wencke Nissen von „Smile Optic“. Vor ihrem Augentestgerät mussten die Besucherinnen anstehen. „Es gab drei intensive Gespräche“, verriet Jahn, „es wäre ja großartig, wenn eine einen Job bekäme.“

Das Unternehmen hat eine eigene Akademie, in der intensiv geschult wird. „Viele wussten nicht, dass ein Quereinstieg möglich ist“, ergänzte Nissen. Schon mit kleinem Wortschatz sei so schnell Beratung möglich. Auch der Regionalverkehr (RVK) Köln blickte auf angeregte Gespräche zurück, wie Personalleiterin Nicole Thieler berichtete.

Der Bildungsdienstleister SBH West hatte einen Lokstand aufgebaut, der eine Zugfahrt simulierte, bei der die Frauen selbst Gas geben und bremsen konnten. Die Agentur für Haushaltshilfe suchte ebenso nach Beschäftigten wie DRK, SKM und der Paritätische oder Penny und Rewe. Für richtig Zulauf beim Bonner Verein für Pflege- und Gesundheitsberufe sorgte Mireille Nlang. 

Bei Firmen ist Freundlichkeit und Geduld gefragt

Selbst erst in den Pflegeberuf eingestiegen als ihre Tochter das Studium aufnahm, überzeugte sie mit einem mitreißenden Vortrag fast 60 Frauen von ihrem Job. „Diese Arbeit ist wunderbar, wenn ich mit Demenzkranke zusammen bin, bin ich zu 100 Prozent voller Energie“, versicherte sie. „Wo sind so viele Türen offen wie in der Pflege?“ Das wirkte ansteckend.

Das Organisationsteam der Messe stellte sich mit Geschäftsführerin Anja Roth (l.) zum Foto auf.

Das Organisationsteam der Messe stellte sich mit Geschäftsführerin Anja Roth (l.) zum Foto auf.

Das entsprach dem Wunsch von Birgit Prochnow aus dem Vorbereitungsteam: „Mit dieser Messe versuchen wir Frauen anders anzusprechen als im bürokratischen Setting. Wir wollen zeigen, dass wir offen und flexibel sind. Es ist toll, dass wir so etwas auf die Beine stellen dürfen.“

Das Credo kam offensichtlich gut an. Maria da Costa nutzte den direkten Draht zum Verein Betreute Schulen. Mit Unterstützung ihrer Beraterin Assere-Diane Monnet-Bergmann machte sie klar: Ich suche einen Job. An diesem Morgen war für sie alles gut. Prinzipiell aber wünscht sie sich von möglichen Arbeitgebern: „Noch freundlicher und ein bisschen mehr Geduld.“

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