„wir helfen“-BenefizkonzertEine musikalische Sternstunde für den guten Zweck

Lesezeit 3 Minuten
Karl-Heinz Goßmann hält einen großen Scheck in der Hand und freut sich darüber.

Stefan Englert, geschäftsführender Direktor des Gürzenich-Orchesters (links), übergibt einen Scheck an Karl-Heinz Goßmann (rechts) von „wir helfen“

Riccardo Minasi dirigierte in der Kölner Philharmonie das „wir helfen“-Benefizkonzert des Gürzenich-Orchesters mit Golda Schultz als Solistin.

Wie ein Sturmwind kommt Golda Schultz aufs Podium der Kölner Philharmonie – mit einer gleichsam menschheitsumarmenden, sich konkret an den Dirigenten, das Orchester und das Publikum wendenden Geste. Und genauso startet sie in ihr erstes Stück, Beethovens Konzertszene „Ah! perfido!“ Da wird beim „p“ explosiv gespuckt, so einer Furie möchten wohl die wenigsten im wahren Leben begegnen. Allerdings kann die hier dargestellte Deidamia in dem vielvertonten Metastasio-Libretto „Achille in Sciro“, dem der Text teilweise entnommen ist, auch anders, sie wird halt zwischen Hass auf und Liebe zu Achill hin- und hergerissen – eine Achterbahn der Gefühle, die der junge Beethoven zwischen Accompagnato, langsamem und raschem Arienteil musiksprachlich kongenial abbildet.

Und die Südafrikanerin kann es als Interpretin genauso überzeugend. So wird die Frage, ob sie nun das Stimmfach eines dramatischen oder das eines lyrischen Soprans versieht, angesichts einer souverän zwischen den extremen Ausdrucksbereichen schaltenden Performance eigentümlich belanglos. Herrlich anstrengungslos setzt sie die Höhen, die Phrasenführung lässt an Dichte und Intensität nichts zu wünschen übrig, das Piano kommt sonor und substanzreich. Und auch als Furie singt sie immer noch „schön“, berückend schön, wie man feststellen muss. Da könnte man stundenlang zuhören.

Bei Mozarts „Cosi fan tutte“ fegten Golda Schultz' Koloraturen begeisternd durchs Orchester 

Golda Schultz war der Star des Benefizkonzerts für die „Stadt-Anzeiger“-Aktion „wir helfen“ zugunsten benachteiligter Kölner Kinder und Jugendlicher – das Gürzenich-Orchester engagiert sich seit nunmehr zehn Jahren für diesen guten Zweck. In unseren politischen und sozialen Umbruchzeiten, in Zeiten nicht nur wachsender Armut, sondern zusehends auch psychischer Probleme der Betroffenen werde die Unterstützung immer wichtiger, betonte „wir helfen“-Vorstandsmitglied Karl-Heinz Goßmann zu Beginn der zweiten Konzerthälfte, als er aus den Händen von Gürzenich-Orchesterdirektor Stefan Englert den Scheck über einen Erlös von 15 000 Euro dankend entgegennahm.

Im kommenden Jahr soll, wie verlautete, die Zusammenarbeit fortgesetzt werden. Vielleicht wäre ein anderer Termin als ausgerechnet der (wohl auch von vielen Musikfreunden zu Kurzreisen und ähnlichem genutzte) Pfingstsonntag geeigneter, dann wären womöglich die Publikumsreihen noch dichter gefüllt. An Agenda und Interpreten können einige leere Reihen jedenfalls nicht gelegen haben, beider Attraktivität – die drei Wiener Klassiker Haydn, Mozart und Beethoven, dazu Golda Schultz als Solistin und der fulminante italienische Dirigent Riccardo Minasi am Pult – hätten eigentlich für ein rundum volles Haus sorgen müssen.

Riccardo Minasi dirigiert das Gürzenich-Orchester.

Dirigent Riccardo Minasi an Pfingsten in der Kölner Philharmonie

Golda Schultz also zum Zweiten: Auch in „Come soglio“, der ersten Szene der Fiordiligi aus Mozarts „Cosi fan tutte“, verwandelte sie, ein Vulkan in Menschengestalt, das philharmonische Podium in eine Opernbühne – wie ein Sturmwind fegten ihre Koloraturen durch das Orchester und durch ein am Ende sicht- und hörbar begeistertes Publikum.

Gerahmt wurden die Gesangsnummern von zwei Sinfonien. Dort zeigte das gemeinhin eher in der Romantik und Spätromantik beheimatete Gürzenich-Orchester eindrucksvoll, dass und wie es unter Anleitung eines so hochengagierten und zugleich in Sachen historische Aufführungspraxis metierversierten Dirigenten wie Minasi auch im klassischen Repertoire restlos zu begeistern vermag. Bereits die einleitende 83. Haydn-Sinfonie war von harten Akzenten, Stauungen, Pausen, kurzum: von klangrednerischer Intensität und inwendiger Dramatik so erfüllt, dass man den (nicht vom Komponisten stammenden) albernen Beinamen „Das Huhn“ getrost vergessen konnte.

Der Aufführung der Beethoven’schen Fünften am Schluss dann wohnte eine derart explosive Gewalt inne, dass es die Zuhörer schier von den Stühlen holte. Vieles leuchtet unter Minasi intensiver und aggressiver, als man es gemeinhin kennt: Licht und Schatten des Kolorits, dynamische Kontrastwirkungen, der Gegensatz von Tragödie und Triumph. Und immer wieder, etwa in Durchführungspartien, kam es zu Strecken kammermusikalischer Ausdünnung und Verfeinerung. Wer noch die legendären Bonner Beethoven-Interpretationen durch die Kammerphilharmonie Bremen unter Paavo Järvi im Ohr hatte, mochte sich an diese Sternstunden erinnert fühlen. Eine Sternstunde war jedenfalls auch dieses pfingstliche Benefizkonzert.

KStA abonnieren