Attentat auf RegierungschefRobert Fico: Ein umstrittener und doch beliebter Premier?

Lesezeit 4 Minuten
Es ist der slowakische Regierungschef Robert Fico zu sehen.

Im Jahr 1999 gründete Robert Fico die Linkspartei Smer. (Archivbild)

Die Schüsse auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico erschütterten nicht nur das Land, sondern auch die Welt. Wer ist der Politiker, über den sich die Geister scheiden?

Der slowakische Regierungschef Robert Fico ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten in der Politik seines Heimatlands. Der 59-Jährige polarisiert seit drei Jahrzehnten die politische Landschaft, Kritiker werfen ihm die Spaltung der Slowakei vor. Am 15. Mai 2024 wurde der Premier in der Stadt Handlova bei einem Attentat angeschossen, schwebte zwischenzeitlich in Lebensgefahr und musste notoperiert werden.

Fico stammt aus einer Arbeiterfamilie, schloss 1986 sein Jurastudium ab und trat der damals regierenden Kommunistischen Partei bei. Später wurde er ins Parlament gewählt und vertrat die Slowakei vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. 1999 gründete er die zuletzt immer nationalistischer gewordene Linkspartei Smer. Bis heute ist er dessen Vorsitzender und einer der beliebtesten Politiker der Slowakei. Er steht für Stabilität und gilt als führungsstarker und erfahrener Staatenlenker – das kommt in einer immer unsicheren Welt bei vielen Menschen gut an. Zudem sicherte er sich die Stimmen der oftmals sozial abgehängten ländlichen Bevölkerung mit großen Wahlversprechen.

Immer wieder Korruptionsvorwürfe

Daher sehen auch viele über die immer wieder laut werdenden Korruptionsvorwürfe gegen Fico hinweg. Als der slowakische Investigativ-Journalist Jan Kuciak 2018 in seinem Haus von einem Auftragskiller wegen seiner Recherchen zu einem Korruptionsnetzwerk in der Slowakei erschossen wurde, gingen Tausende auf die Straßen und demonstrierten gegen die Regierung. Sie machten Fico als Gesicht eines korrumpierten Staates für die Tat verantwortlich – der Regierungschef musste abtreten.

Doch es dauerte keine fünf Jahre, da schienen alle Korruptionsvorwürfe vergessen und Fico und seine politische Elite standen wieder am Tor zur Macht. Bei der Wahl im Herbst 2023 wurde seine Partei stärkste Kraft mit 23 Prozent der Stimmen und Fico ein drittes Mal Ministerpräsident. Immer wieder vertritt er im In- und Ausland prorussische Positionen, warb im Wahlkampf beispielsweise mit dem Ende der Militärhilfen für die Ukraine und wetterte gegen die Europäische Union. Er verfolgt eine „Politik der vier Himmelsrichtungen“: Außenpolitisch arbeitet er ohne Rücksicht auf europäische und westliche Partner, sondern verfolgt rein aktuelle nationale Interessen.

Der 59-Jährige favorisiert die Abschaffung wichtiger demokratischer Institutionen, er will die unabhängige Justiz in der Slowakei schwächen und das Land außenpolitisch nach Osten neu ausrichten. Mit einer Justizreform löste er vor wenigen Wochen die Sonderstaatsanwaltschaft auf, die seit 20 Jahren bei schwerer Korruption und organisierter Kriminalität ermittelt. Für viele Delikte verkürzte die Regierung das Strafmaß und die Verjährungsfristen.

Mafiastaat Slowakei?

Zuletzt waren wegen des Abbaus von Rechtsstaatlichkeit sogar EU-Sanktionen gegen die Slowakei im Gespräch. Fico „versucht, einen Mafiastaat zu schaffen, (…) dessen Hauptziel darin besteht, die Machtpyramide am Laufen zu halten“, sagte Michal Vašecka vom Bratislava Policy Institute dem Portal Politico.

Bei Abstimmungen mit den anderen EU-Staaten in Brüssel stellte sich Fico aber bei der Ukraine-Unterstützung nie quer. Er stimmte auch für alle EU-Sanktionen gegen Russland. Immer wieder machte Fico deutlich, dass er nicht wie sein Amtskollege Viktor Orban die europäische Idee torpedieren wolle Als Orban ihn vor einigen Wochen fragte, ob er mit ihm gemeinsam vor die Presse treten wolle, lehnte Fico ab. Er sei nicht wie Orban, lautete die unmissverständliche Botschaft.

Allerdings befürwortet Fico nicht den Ukraine-Beitritt zur Nato, sondern nur den Beitritt zur EU. Als neugewählter Ministerpräsident stoppte er 2023 die Waffenlieferungen seines Landes an die Ukraine. Immer wieder polarisiert Fico mit extremen antiamerikanischen und antieuropäische Positionen.

Die politische Stimmung in der Slowakei ist seit Jahren aufgeheizt. Ficos Partei Smer versucht, mit gezielten Desinformationen, Hasskampagnen und spaltender Rhetorik die eigenen Anhänger zu mobilisieren. Erst im April hatte der Fico-Verbündete und ebenso russlandfreundliche Peter Pellegrini die Präsidentschaftswahlen in dem Land gewonnen. Immer wieder trat auch Fico selbst aggressiv auf und feuerte die explosive Atmosphäre in der Slowakei mit populistischen Äußerungen weiter an. Der Wahlkampf hatte die Gräben in der slowakischen Gesellschaft noch weiter vertieft. Ein Ende der Radikalisierung ist nicht in Sicht.

KStA abonnieren