In Sachen LiebeTochter von Freunden vertraut sich mir an – Wie gehe ich damit um?

Lesezeit 3 Minuten
Junges Kind flüstert einer Frau etwas ins Ohr

Die Tochter von Freunden vertraut sich einem an – mit einem „guten“ oder einem „schlechten“ Geheimnis?

Die Psychologin Katharina Grünewald erklärt, wie man damit umgeht, wenn das Kind von Freunden einem ein Geheimnis anvertraut.

Die Tochter von Freunden (Teenie) hat sich mir anvertraut und ich weiß nicht, was ich ihr raten soll. Was tue ich – ich will weder ihr Vertrauen missbrauchen noch das ihrer Eltern?

Naja, Sie schreiben nicht, worum es konkret geht. Aber es wird deutlich, in welcher Ambivalenz Sie sich befinden. Erstmal ist es schön zu lesen, dass Sie als vertrauenswürdige Erwachsene von der Tochter Ihrer Freunde zurate gezogen werden. Schließlich heißt es in einem afrikanischen Stichwort: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.“

Katharina Grünewald

Katharina Grünewald

mehr

Kinder profitieren von der Auseinandersetzung mit mehreren Bezugspersonen und von deren individuellen Sicht- und Lebensweisen. So erfahren sie, dass es mehrere Haltungen zur Wirklichkeit gibt, die alle für sich legitim sind. Dadurch erhalten Kinder auch Berechtigung und Erlaubnis, eigene Vorstellungen und Verhaltensweisen als richtig und wertvoll zu begreifen.

Ein „gutes“ oder ein „schlechtes“ Geheimnis?

Zu Ihrer Haltung darf gehören, dass Sie das „Geheimnis“ nicht allein für sich behalten wollen oder können. Schließlich gibt es neben den „guten“ Geheimnissen – vielleicht eine Verliebtheit, ein schönes Erlebnis oder eine Überraschung – auch „schlechte“ Geheimnisse, die Unmut, Ambivalenz oder Angst auslösen. Das kann von einem Streit der Tochter mit den Eltern über folgenschwere Erlebnisse oder Erfahrungen bis hin zu etwas strafrechtlich Relevantem gehen.

„Schlechte Geheimnisse“ erkennt man am eigenen Bauchgefühl: Rumort es bei Ihnen? Fühlen Sie sich unwohl? Dann ist es wichtig und richtig, sich Hilfe zu holen, sich mit mehreren Erwachsenen zu beraten oder professionelle Unterstützung zu suchen.

Damit fungieren Sie auch als Vorbild. Das Kind lernt, dass „Hilfe holen“ ein wichtiges Kriterium für das Erwachsensein bedeutet.

Das „Dorf“ gibt Halt

Indem Sie sich Hilfe bei anderen Erwachsenen holen, können Sie zum einen vom Wissen und von der Perspektive anderer profitieren, zum anderen gibt das „Dorf“ Halt in der Ambivalenz und auf der Suche nach einer Lösung. Und es entspannt! Verantwortungsvolle, entspannte Erwachsene sind das größte Glück für Kinder.

Konkret könnte das nun für Sie bedeuten:

Die Tochter Ihrer Freunde hat Ihnen ein Geheimnis erzählt. Jetzt sind Sie an der Reihe: Fühlt es sich für Sie gut an, was Sie gehört haben? Ja – dann behalten Sie das Gehörte für sich, freuen sich mit dem Kind und genießen Sie sein Vertrauen.

Nein – dann danken Sie dem Kind für sein Vertrauen, fühlen mit ihm und versprechen ihm, es nicht allein mit diesem Konflikt zu lassen. Geben Sie ihm liebevoll Rückendeckung, und zeigen Sie Verständnis. In dieser Erwachsenen-Kind-Beziehung haben Sie die Verantwortung und das Kind ein Recht auf Führung durch Sie.

Das Kind ist wahrscheinlich überfordert

Stellen Sie sich folgende Fragen:

Wer hat die Verantwortung für das Erzählte? Das Kind wendet sich an Sie, weil es wahrscheinlich mit der Verantwortungsübernahme überfordert ist. Eltern sind für ihre Kinder verantwortlich, also müssen die Eltern mit ins Boot (es sei denn, es ist Gefahr im Verzug). Wovor hat das Kind Angst? Vielleicht können Sie als Vermittlerin einspringen? Was brauchen Sie, um das Kind sicher zu führen? Vielleicht ist das Hinzuziehen einer Beratungsstelle (für Familienkonflikte, Suchtfragen, sexuellen Missbrauch etc.) sinnvoll.

Das Kind kann sich wünschen, dass das Erzählte vertraulich behandelt wird. Aber Sie entscheiden, was Sie brauchen. Und es wird froh und dankbar darüber sein, dass Sie es an die Hand nehmen und ihm auf erwachsene Weise helfen.

KStA abonnieren