1. FC Köln nach dem AbstiegErhält Sportchef Christian Keller die Chance zur Wiedergutmachung?

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Christian Keller hatte in der Saisonvorbereitung mit unterschiedlichen Problemen zu kämpfen, für die er im weiteren Verlauf keine Lösung fand.

Christian Keller hatte in der Saisonvorbereitung mit unterschiedlichen Problemen zu kämpfen, für die er im weiteren Verlauf keine Lösung fand.

Die Mannschaft des 1. FC Köln hatte in der vergangenen Saison eine schwerwiegende Führungskrise. Der Geschäftsführer steht in der Kritik, soll aber weitermachen.

Vor den Toren der Voith-Arena war die Saison-Abschlussparty des 1. FC Heidenheim bereits in vollem Gange. Im angrenzenden Wäldchen stand das Höhenfeuerwerk auf der Abschussrampe, und die Mannschaft des Aufsteigers machte sich bereit, auf der Bühne die Ovationen ihrer Fans entgegenzunehmen. Nach dem 4:1 im abschließenden Saisonspiel über den 1. FC Köln sind die Heidenheimer auf Rang 8 eingelaufen, ein herausragendes Resultat.

Heidenheim war den Kölnern am Samstag drastisch überlegen; Körperlich, taktisch, spielerisch. Aber auch mental. Wer sah, wie etwa Patrick Mainka oder Lennard Maloney die Heidenheimer Mannschaft zusammenhielten und antrieben, musste einmal mehr erkennen, was dem Kölner Kader in dieser Saison womöglich am meisten gefehlt hat: Führungsstärke.

Verantwortlich für die Kaderplanung ist Christian Keller, der Geschäftsführer Sport. Und während die Heidenheimer durch den Kabinentrakt ihres Stadions wuselten und kaum wussten, wohin mit ihrer Freude, beschrieb Keller seine weitere Planung. Auf die Frage, ob die Konsequenz aus dem Abstieg sein Rücktritt sein werde, er sei schließlich verantwortlich, antwortete Keller vergleichsweise wortkarg: „Ich bin da.“ Und auf die Nachfrage, ob er das auch bleiben werde, sagte er nur: „Ich gehe davon aus.“

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Die Mannschaft des 1. FC Heidenheim feierte am Samstagabend mit ihren Fans das Erreichen von Platz 8.

Die Mannschaft des 1. FC Heidenheim feierte am Samstagabend mit ihren Fans das Erreichen von Platz 8.

Kein Plädoyer in eigener Sache also, allerdings hat es Keller auch nicht nötig, öffentlich um seinen Job zu kämpfen. Schließlich hatte Präsident Werner Wolf seinem wichtigsten Mann bereits eine Jobgarantie ausgesprochen, bevor der Abstieg festgestanden hatte. „Absteigen ist das Dümmste und Schlimmste, was im Mannschaftssport passieren kann“, räumte Keller noch ein und zeigte sich bereit, Verantwortung zu übernehmen: „Die Ursachen können wir schön bei uns suchen.“

Sobald der Schmerz über den Abstieg nachgelassen habe, werde man sich aufrappeln und versuchen, es besser zu machen. „Relevant ist, dass du wieder aufstehst“, erklärte Keller, der sich nach dem Schlusspfiff einmal mehr wuchtige „Keller raus“-Rufe aus dem Kölner Block hatte anhören müssen. Die FC-Fans hatten den siebten Abstieg der Vereinsgeschichte ansonsten mit Gleichmut hingenommen, kurz nach dem Schlusspfiff den geordneten Rückzug angetreten und waren in der Landschaft verschwunden.

Keller wird sich weiter vorwerfen lassen müssen, dass er einen untauglichen Kader zusammengestellt hat. Im Bestreben, Positionen in einem System zu besetzen, hat er übersehen, nach einer Struktur Ausschau zu halten. Zwar blieben sowohl im Sturm als auch im defensiven Mittelfeld Kaderpositionen fahrlässig unbesetzt, wenngleich Keller das mehrfach zurückgewiesen hatte. Schwerer wog letztlich aber, dass Köln keine Anführer auf dem Platz hatte, als es schwierig wurde. Ein Empathieversagen des eher bürokratisch denkenden Keller.

Kapitän Florian Kainz schaffte es nie, das Vakuum zu füllen, das Jonas Hector hinterlassen hatte. Mark Uth mit seiner Verletzungshistorie, Davie Selke als ebenfalls enorm anfälliger Profi, der in seiner Karriere selten ein Anführer war. Dazu Luca Waldschmidt, dem der 1. FC Köln nach einem vertanen Jahr in Wolfsburg eine Hilfe sein sollte statt umgekehrt: Das alles waren Profis, die angesichts ihres Alters oder ihrer Erfahrung als Anführer vorgesehen waren. Jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht dazu kamen.

Allerdings war Keller auch eingeschränkt. Die Folgen der Transfersperre behinderten ihn in der Sommer-Vorbereitung, als die Fifa-Strafe erst aufgehoben wurde, lange nachdem der FC gerettet war. Den Vorteil, schneller auf dem Markt zu sein als andere, konnte Köln nicht nutzen. Allerdings wussten auch die Heidenheimer erst nach dem letzten Spieltag, dass sie in der Bundesliga spielen würden. Was sie nicht davon abhielt, als Aufsteiger einen Kader zu formen, der nun aller Voraussicht nach europäisch spielt. Wie man nicht vergessen darf, dass die Transfersperre nicht vom Himmel gefallen war. Im Gegenteil hatte Keller großen Anteil daran, dass die Angelegenheit nicht frühzeitig geklärt wurde.

Keller erfüllt die Sparvorgaben

Der Sparauftrag am Geißbockheim war ein weiterer Faktor. Als Geschäftsführer handelt Keller zwar nach den Vorgaben des Vorstands. Doch ein Boss mit der Machtfülle des 45-Jährigen lässt sich kein Budget diktieren, von dem er glaubt, dass damit kein Bundesligakader zu finanzieren wäre. Als er den Sparkurs erklärte, zog Keller einmal mehr die Extreme heran: Der Weg sei alternativlos, um eine Insolvenz abzuwenden. Außerdem sei unter 10 Millionen Euro ohnehin kein tauglicher Spieler zu bekommen.

Ein seltsames Signal – sowohl an die Klubs, die nun vor Köln gelandet sind und von denen dafür kaum einer Transfers von 10 Millionen Euro stemmen musste. Und an die eigenen Leute, denn auch in Köln stehen Profis unter Vertrag, die sich womöglich als Bundesliga-tauglich wahrnehmen. Jedoch ebenfalls keine zweistelligen Millionenbeträge gekostet haben.

Kellers letzte Maßnahme war der Trainerwechsel im Winter. Timo Schultz‘ Arbeit ist jedoch kaum zu beurteilen. Denn anders als etwa Bo Henriksen bei Mainz 05 konnte Schultz im Verlauf der Rückrunde keine neuen Profis in seinem Spielkader begrüßen. Spieler wie Amiri oder Burkardt hat der 1. FC Köln nicht. Dennoch bleibt der Fakt: Den Retter hat Keller ebenfalls nicht geholt.

Christian Keller mit Trainer Timo Schultz, der die Mannschaft zwar stabilisierte, die Rettung aber nicht mehr schaffte.

Christian Keller mit Trainer Timo Schultz, der die Mannschaft zwar stabilisierte, die Rettung aber nicht mehr schaffte.

Somit hat Keller wohl den Abstieg zu verantworten. Dennoch hat er den 1. FC Köln in die Lage versetzt, diesen Abstieg nicht nur zu überleben. Offenbar werden die Kölner die Saison in der Zweiten Liga sogar ohne Verluste abschließen können. Das spricht für ein kluges Vertragsmanagement. Offenbar ist die Gehaltsstruktur so angelegt, dass die FC-Profis nach dem Abstieg drastische Gehaltseinbußen haben.

Das ging zumindest bei den Leistungsträgern nur über Ausstiegsklauseln. Doch auch das hat sein Gutes: In früheren Jahren war der Mechanismus dieser: Leistungsträger gingen nach dem Abstieg ablösefrei – oder blieben zu unveränderten oder nur leicht angepassten Konditionen. Nun aber wird der FC nicht wegen seiner Kaderkosten ins Bodenlose stürzen. Und selbst wenn die Klauseln für Chabot, Schwäbe, Hübers, Ljubicic oder Martel allenfalls um fünf Millionen Euro liegen, sind diese Einnahmen besser als keine.

Mit Mark Uth haben die Kölner bereits einen neuen Vertrag geschlossen, der für ein Zweitliga-Jahr gilt und sich bis 2026 verlängert, sollte Köln den direkten Wiederaufstieg schaffen. Im Winter werden die Kölner nach abgesessener Transfersperre wieder Spieler unter Vertrag nehmen dürfen – dann womöglich bei weiter entspannter Kassenlage. Der Vorstand wird sich in den nächsten Wochen mit der Frage befassen müssen, ob er Christian Keller die Gelegenheit geben will, diese Chance zu ergreifen. Es wäre zumindest eine Situation, in der es keine Ausreden mehr gäbe.

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