„Sie sind immer bei uns im Wohnzimmer“

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Marietta Slomka an ihrem Arbeitsplatz im ZDF-Gebäude in Mainz

Marietta Slomka an ihrem Arbeitsplatz im ZDF-Gebäude in Mainz

Zu Besuch bei der Moderatorin des „heute-journal“ in ihrem ZDF-Büro in Mainz.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Frau Slomka, im Fernsehen wirken Sie ja immer ganz ruhig, aber da ist einiges, was der Zuschauer nicht sieht. Stimmt es, dass sie immer kräftig mit den Beinen wackeln?

MARIETTA SLOMKA: (lacht) Ja, das sind wahrscheinlich so Ersatzhandlungen. Ich rudere auch gerne ziemlich viel mit den Armen. Irgendwo muss das Gefühl, die Gedanken, das Temperament ja hin.

Ihnen sind ein einziges Mal während der Sendung die Tränen gekommen - bei der Nachricht vom Tod von Johnny Cash.

SLOMKA: Ja, wir hatten uns entschlossen, statt des üblichen Nachrufs eines seiner letzten Videos zu zeigen, den Song „Hurt“. Das war kurz nach dem Tod seiner Frau June aufgenommen. Wir haben das Video dann die kompletten vier Minuten kommentarlos laufen lassen. Alle waren danach im Studio totenstill. Da hatte ich einen Kloß im Hals und habe nur noch gesagt: „Das war's, auf Wiedersehen.“

Sonst wirken Sie ja immer eher kühl.

SLOMKA: Das Klischee von der kühlen Blonden mit den blauen Augen, das hat mit der Anfangszeit zu tun, wo ich selbst auch meine Rolle erst mal finden musste, vor der Kamera zu arbeiten. Und wenn man wie ich sehr helle Augen hat, in die dieses knallharte Studiolicht voll reinstrahlt, und auch noch ein schmales Gesicht, da wirkt man eher kühler als jemand mit dunklen Kulleraugen und Grübchen.

Wie ist Ihr Tagesablauf?

SLOMKA: Ich bin hier von 10 bis 23 Uhr. Um 11 Uhr die erste Konferenz, um 18 Uhr die letzte. Meistens fängt es damit an, dass ich morgens auf den letzten Drücker komme, weil ich ein Morgenmuffel bin. Den Tag über feilen wir am Ablauf der Sendung, ich telefoniere mit Korrespondenten, schreibe meine Moderationen. Ich bin ja nicht nur eine Präsentatorin, die da abends den Ball ins Tor schießt, sondern bin als Redakteurin tagsüber auch beim Spielaufbau beteiligt.

Und nach der Sendung?

SLOMKA: Ich habe hier in Mainz eine Wohnung. Man geht nach Hause, kocht sich noch was, setzt sich auf Sofa und zappt. Einmal in der Woche gehen wir meistens noch raus, mit Heinz Wolf zum Beispiel gehe ich gerne mal noch einen Happen essen oder ein Glas Wein trinken. Wir arbeiten ja schon seit sechs Jahren eng zusammen, daraus hat sich auch ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Übrigens kann man im kleinen Mainz - im Gegensatz zu Köln, da gibt es so spät ja dann oft nur noch Wurst Willi - noch in einigen Restaurants, die wirklich gut sind, auch um Mitternacht noch ein richtiges Menü zu essen kriegen.

Mutmaßlich jeder Deutsche kennt Ihr Gesicht, werden Sie oft angesprochen?

SLOMKA: Bei Nachrichtenleuten ist die Hemmschwelle wahrscheinlich größer als bei Schauspielern. In Köln hat mir mal jemand die Hand gegeben und gesagt: „Hallo, ich bin der Murat. Sie sind ja immer bei uns im Wohnzimmer. Jetzt kennen Sie mich auch mal.“ Das war sehr lustig.

Sie sind mit Christof Lang, dem Redaktionsleiter und Moderator vom RTL-Nachtjournal, verheiratet. Wie haben Sie sich kennengelernt?

SLOMKA: Ich möchte etwas so Privates nicht als Anekdote zum Bestandteil meiner Öffentlichkeitsarbeit machen. Das Publikum hat sicher das Recht zu wissen, wer da die Nachrichten präsentiert, welche Ausbildung man zum Beispiel hat. Aber darüber hinaus gibt es eine Grenze, da möchte ich privat bleiben.

Sprechen Sie viel miteinander über die Sendungen?

SLOMKA: Jedes Ehepaar unterhält sich über Berufe, besonders wenn sie den gleichen haben. Das heißt aber nicht, dass wir von morgens bis abends über Journalismus reden und schon gleich gar nicht und grundsätzlich nicht über die Sendungen, die wir abends machen. Ich will nicht wissen, was die Kollegen vom Nachtjournal abends vorhaben.

Sie sehen sich sicher nicht sehr oft?

SLOMKA: Na ja, wenn Sie Lkw-Fahrer sind, sehen Sie Ihre Familie auch nur am Wochenende.

Stimmt es, dass Sie als Kind als aufsässig galten?

SLOMKA: Ja, so am Anfang des Gymnasiums haben die Lehrer zu meinen Eltern gesagt: „Ihre Tochter gibt Widerworte und schwätzt im Unterricht.“

Stimmte das denn?

SLOMKA: Ja, weil ich mir ungern unbegründete Anweisungen geben lasse. Lehrer, die uns autoritär und von oben herab behandelten, die passten mir nicht. So eine Haltung hilft auch bei Interviewsituationen. Dass man nicht aus einem Obrigkeitsdenken innerlich verkrampft, wenn man den Bundespräsidenten interviewt.

Trotzdem, es ist doch eigentlich wahnsinnig schwierig, in der kurzen Interviewzeit irgendetwas Substanzielles herauszufinden.

SLOMKA: Manchmal kriegt man nur heraus, dass sich jemand zu dieser Frage gar nicht äußern will. Oder transportiert über die Frage mehr Informationen an den Zuschauer, als dann in der Antwort rüberkommt.

Kanzlerin Merkel sagte auf Ihre Frage, was das Schwerste am Kanzlerinnensein sei, dass man auf jeden Nebensatz achten müsste, der einem später mal um die Ohren fliegen könnte.

SLOMKA: Ja, die Gefahr gibt es auch. Natürlich wirft man Politikern immer vor, dass sie verschwurbelt reden. Das liegt eben auch daran, dass sie sich damit unangreifbar machen wollen. Dazu tragen die Medien natürlich auch selbst bei.

Gibt es für Sie einen journalistischen Alptraum?

SLOMKA: Dass vor laufender Kamera, ohne dass wir es stoppen können, etwas Schreckliches passiert, was wir eigentlich im Bild sonst so niemals zeigen würden. Stellen Sie sich vor, unser Korrespondent in Bagdad würde während einer Live-Schalte selbst von einer Rakete getroffen. Der Vorteil der Unmittelbarkeit und Geschwindigkeit des Fernsehens und die Masse an Kameras birgt da auch große Gefahren.

Und der berufliche Traum?

SLOMKA: Für mich haben sich eigentlich alle Träume erfüllt. Aber es ergibt sich immer etwas Neues. Noch bin ich nicht amtsmüde.

Haben Sie inzwischen rausgefunden, ob Sie mit Schalke-Trainer Mirko Slomka verwandt sind?

SLOMKA: (lacht) Wir wissen es nicht. Wir haben telefoniert und auch schon oft versucht, uns zu treffen. Wenn überhaupt, ist es eine weitläufige Verwandtschaft.

Werden Sie in Köln Karneval feiern?

SLOMKA: Ja, ich feiere leidenschaftlich gerne. Letztes Jahr war ich als Flamingo verkleidet. Mit Tüllrock, bemaltem Gesicht und einem wippenden Flamingo-Kopf als Hut. Da hat mich wirklich keiner erkannt.

Das Gespräch führte Christiane Vielhaber

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