Der Baumschutz ist nicht lückenlos

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In den meisten Kommunen des Kreises ist durch eine Baumschutzsatzung klar geregelt, wann im privaten Bereich

In den meisten Kommunen des Kreises ist durch eine Baumschutzsatzung klar geregelt, wann im privaten Bereich

Nach Wesseling hat sich nun auch Frechen von der Baumschutzsatzung verabschiedet. Im Trend liegt das allerdings nicht. Kerpen hat jetzt sogar die Obstbäume unter Schutz gestellt.

Rhein-Erft-Kreis - „Eine Stadt ist so reich, wie ihre Bäume zahlreich sind“, sagt eine alte Volksweisheit, die sich auch in der Baumschutzsatzung der Stadt Kerpen findet. Seit Anfang der 1980er Jahre kümmern sich Kommunalpolitiker nicht nur verstärkt um den Erhalt des öffentlichen Baumbestandes, sondern zunehmend auch um die Gewächse in privaten Gärten. Baumschutz ist seither kein Thema mehr, das allein den mutmaßlichen Urhebern, den Grünen und den Umweltschützern, überlassen wird. Und mit dem neuen Landschaftsgesetz hatten die Kommunen erstmals die Möglichkeit, Schutz-Satzungen zu erlassen und so das Fällen und grobe Beschneiden bis auf Ausnahmen zu unterbinden. Kaum eine Stadt oder Gemeinde, die etwas auf sich hielt, verzichtete auf die Gestaltung dieses Ortsrechtes. Und nun? Ist der Baumschutzboom vorbei? Bröckelt die Front der Ast- und Stammschützer?

„Ich hoffe nicht“, so ein Experte, der deutlich Kritik an der Entscheidung des Frechener Rates übt. Erst vor wenigen Wochen hatte das Gremium mit der Mehrheit von CDU und FDP die Satzung zum Schutz des Baumbestandes gekippt. Wohlgemerkt: gegen das Votum des Umweltausschusses. Mit „hohem bürokratischen Aufwand“ und einer „Bevormundung der Bürger“ hatten vor allem Liberale gegen die Satzung gewettert und sie schließlich zu Fall gebracht. Ein Vorgang, der in den Verwaltungen von Frechen, Erftstadt, Hürth, Kerpen, Pulheim oder Bergheim mindestens Kopfschütteln, oft aber auch völliges Unverständnis auslöst. Dass die Baumschutzsatzung einen besonderen bürokratischen Aufwand mit sich bringe, kann dort niemand bestätigen.

Das Regelwerk sei von den Bürgern sehr gut angenommen worden, sei sogar auf „großes Einverständnis gestoßen“, heißt es aus dem Frechener Rathaus. Etwa 70 Anträge auf Fällung von Bäumen werden pro Jahr gestellt. Der Arbeitsaufwand sei gering, die Entscheidungen fallen schnell. Nur in zehn bis 15 Prozent aller Fälle werde gegen die Antragsteller entschieden.

„Die Satzung wird hier gelebt wie sie ist“, sagt der Hürther Dezernent Dr. Dirk Arentz-Salzsieder. „Einiges müsste jetzt fortgeschrieben werden.“ Vom Grundsatz her aber bleibe die Regelung bestehen. Etwas anderes sei derzeit auch „politisch gar nicht gewollt“.

Eine Änderung ihrer Baumschutzsatzung plant hingegen die Stadt Bergheim. Allerdings sollen nur die Birken aus dem generellen Schutz herausgenommen werden, so Andreas Beierle von der Stadtverwaltung. Die meisten Antragsteller hätten einen vernünftigen Grund, wenn sie einen Baum fällen wollten. In den meisten Satzungen sind die gängigen Ausnahmeregelungen klar benannt. Axt oder Motorsäge können in der Regel zum Einsatz kommen, wenn ein Baum krank ist, die Nutzung eines Grundstücks verhindert oder wenn vom Astwerk oder der Krone Gefahr ausgeht.

Soziale Verantwortung

Beierle bestreitet nicht, dass die Baumsatzung Arbeit macht. Aber mehr als fünf bis zehn Prozent seiner Zeit verbringe er nicht mit Anträgen und Außenterminen. Die Baumschutzsatzung greife zwar in die privaten Rechte der Bürger ein, sorge damit aber für mehr soziale Verantwortung. „Die Satzung schafft eine Sensibilität, die durchaus nützlich ist.“ Für alle, die nicht sensibel genug sind, steht schwarz auf weiß geschrieben, was bei unerlaubten Eingriffen passiert. Dann nämlich handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Und die kann mit einer Geldbuße von bis zu 50 000 Euro geahndet werden.

Bislang sind derart hohe Strafen im Kreis nicht gezahlt worden. Die Zahl der Bürger, die gegen eine Satzung verstoßen, hält sich in engen Grenzen - sehr zum Nutzen der Bäume. „Dass die Satzung überhaupt existiert, ist schon Prävention“, sagt Erhard Nimtz von der Kerpener Stadtverwaltung. Erst im September hat der Rat dort einstimmig eine überarbeitete Fassung der Satzung verabschiedet. „Bäume leisten einen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität einer Stadt“, heißt es dort im Vorwort. Konsequenz: Kerpen wird demnächst auch die ansonsten meist ungeschützten Obstbäume per Satzung schützen. Auch Erftstadt hat den Schutz der Bäume fester im Blick als andere. „Wir arbeiten an einem Baumkataster“, heißt es dort.

Eine Baumsatzung allein garantiert allerdings noch keinen umfangreichen Schutz. Manche Satzungen sind derart locker gefasst, dass mehr als die Hälfte des Baumbestandes glatt durchfällt. Beispiel Pulheim. Dort sind Bäume erst ab einem Stammumfang von 140 Zentimeter geschützt. Dabei hatten viele Städte mit ganz anderen Maßen begonnen, so auch Kerpen. In der ersten Baumschutzsatzung waren Laubhölzer bereits ab einem Stammumfang von 50 Zentimetern tabu. Inzwischen sind alle Kommunen mindestens bei 80 Zentimetern angelangt. In Erftstadt darf sogar niedergemacht werden, was weniger als einen Meter Umfang hat. Pulheim, so schätzt ein Insider, dürfte mit 140 Zentimetern an der Spitze in NRW liegen. Derartige Satzungen werden dann zu stumpfen Schwertern in den Händen der Verwaltungsmitarbeiter. Dabei versuchen die oft nur, „zu erhalten, was zu erhalten ist“.

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