ZählungZahl der Vögel sinkt stark – So steht es um Amsel, Buchfink, Star und Co.

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Amsel

Eine Amsel auf einem schneebedeckten Ast.

Köln – Schon im Dezember gab es Hinweise darauf, dass die Anzahl der Vögel in den Gärten oder an Futterhäusern immer mehr abnimmt. Dass dort und in den Parks der Städte bisweilen Stille herrsche.

Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hatte die Botschaft damals versendet und gleich auch ein Angebot gemacht: Vom 6. bis 8. Januar hatten Vogelbeobachter zum siebten Mal die Möglichkeit, 60 Minuten lang die Vögel zu zählen, die sie beobachten konnten.

Jetzt liegen die Ergebnisse der gemeldeten Daten der „Stunde der Wintervögel“ vor – und sie bestätigen im Februar den Trend vom Dezember.

Das Ergebnis: 17 Prozent weniger Tiere

„So wenige Vögel wie in diesem Winter hatten wir schon lange nicht mehr“, sagt Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller zu den vorliegenden Zahlen. In diesem Januar beobachteten die ehrenamtlichen Zähler durchschnittlich 17 Prozent weniger Tiere als in den Jahren zuvor.

Die Zahlen seien durchaus belastbar, findet Nabu-Ornithologe Heinz Kowalski. Das ergebe sich allein durch die große Masse der zählenden Teilnehmer. Außerdem kenne die gemeldeten Arten jeder Beobachter, „da kann dann auch nichts falsch sein“.

In 81 286 Gärten wurden fast 2,8 Millionen Vögel gezählt. Insgesamt 120 118 Vogelzähler haben mitgemacht – „ein absoluter Rekordwert“, melden der Nabu und sein bayerischer Partner, der Landesbund für Vogelschutz.

Am häufigsten registriert wurde wieder der Haussperling, ein Dauerspitzenreiter in dieser Rangliste, knapp sechs Exemplare pro Garten konnten ermittelt werden, macht über 450 000 gesehene Spatzen insgesamt – sechs Prozent weniger als 2016. Von Rang fünf auf zwei flog die Amsel nach vorn, nach einer Steigerung um 20 Prozent. Aufs Podium schaffte es zudem die Kohlmeise, wenngleich ihr Bestand dieser Zählung zufolge um 34 Prozent abnahm.

Die Situation in NRW

In Nordrhein-Westfalen beteiligten sich 22 484 Freiwillige, verteilt auf über 15 500 Gärten, an der Zählung mit identischer Reihenfolge wie im Bund: Haussperling (minus acht Prozent) vor Amsel (plus 17 Prozent) und Kohlmeise (minus 46 Prozent). Der Haussperling hat in NRW diesmal die Kohlmeise auf Rang drei verdrängt

Was als Trend für die Kohlmeise gilt, bestätigen die Zahlen auch für andere klassische und häufige Wintervögel wie Kleiber und Kernbeißer. Alle drei Arten verzeichnen den niedrigsten Wert seit Beginn der Zählaktion im Jahre 2011. Pro Garten ergab sich diesmal ein Durchschnitt von rund 34 Vögeln und acht verschiedene Arten – zuletzt lag der Schnitt bei 41 Tieren aus neun Spezies.

Geringe Wanderlust

Miller mutmaßt, dass einige Vogelarten in diesem Jahr „offenbar kaum Wanderlust“ zeigten. Das habe zu den teilweise deutlichen Rückgängen geführt. Das gelte vor allem für jene Vögel, „die im Winter häufig Besuch von ihren Artgenossen aus dem kälteren Norden und Osten bekommen. Dazu zählen auch die meisten Meisenarten.“

Im Norden und Osten Deutschlands fallen die Meisen-Rückgänge allerdings gering aus, während sie Richtung Südwesten zunehmen. Das, so heißt es, könne an dem zu Beginn des Zählwochenendes milden Winter gelegen haben. Manche Vögel hätten schlicht auf halber Strecke Rast eingelegt.

Andererseits wurden bei Amseln, Rotkehlchen, Ringeltauben, Star und Heckenbraunellen erstaunlich hohe Werte registriert, was den Schluss nahelegt, dass Vögel, die normalerweise in den Süden abwandern, diesmal nicht über die Alpen gezogen sind.

Die Sorgen der Vögel

Die Gründe für den Rückgang sind vielfältig. Nabu-Ornithologen stellten fest, dass Meisen und andere Gartenvögel nur schlechte Bruterfolge aufgewiesen haben. Nässe und Kälte im Frühjahr 2016 hatten zur Folge, dass zahlreiche Jungvögel an Unterkühlung starben. Die nasskalte Witterung hatte zudem eine Konsequenz für die Mahlzeiten der Jungvögel: Es herrschte ein Mangel an Insekten – und damit an Nahrung.

Für Ornithologen ist diese spezielle Entwicklung jedoch eher ein temporäres Problem, das sich in den Folgejahren durchaus wieder ausgleichen lasse. Viel ernster ist die Gefahr, die von den Landschaftsveränderungen durch die industrielle Landwirtschaft mit der Tendenz zu Raps- und Maismonokulturen ausgeht. Der Einsatz von Pestiziden sei laut Kowalski auch eine der Ursachen für den „besorgniserregenden Rückgang von Fluginsekten“.

Ein Team von Insektenkundlern aus Krefeld registrierte einen Rückgang der Fluginsekten von bis zu 80 Prozent in den vergangenen Jahrzehnten. Hinzu kommen Veränderungen des Lebensraums durch den Klimawandel und auch Vogelkrankheiten – das alles hat zu einem spürbaren Rückgang der Vogel-Populationen geführt. „In Europa leben heute rund 450 Millionen Vögel weniger als noch vor drei Jahrzehnten und die Roten Listen werden immer länger“, sagt Kowalski.

Kritik an der Politik

Die bisherigen Anstrengungen der Politik zum Schutz der Biodiversität und insbesondere der Vögel reichten laut Kowalski nicht aus, um den Verlust der Vögel nach Zahl und Art aufzuhalten oder den Trend umzukehren.

Dass die Ursache des großen Vogelschwunds jedoch an Tieren wie Katzen, Raben- oder Greifvögeln liegt, glaubt Leif Miller nicht: „Diese Thesen können nicht stimmen, da keiner dieser potenziellen Fressfeinde im Vergleich zu den Vorjahren zugenommen hat. Unsere Analyse hat sogar gezeigt: In Gärten mit Katzen oder Elstern werden gleichzeitig mehr oder andere Vögel beobachtet. Das Auftreten von Fressfeinden führt also keineswegs zum sofortigen Verschwinden von Vogelarten.“

Amseln und Grünfinken – Eine besondere Situation

Ein erstaunliches Ergebnis der Winterzählung betrifft die Amsel. Das unter den Tieren grassierende Usutu-Virus hatte letztlich keine Auswirkungen auf den Gesamtbestand. Dabei handele es sich um ein Problem der Rheinebene, insbesondere am Niederrhein, erklärt Kowalski. Dort sind die Amselzahlen deutlich geringer als sonst. Aber auch nur dort.

Eine Vogelart aber besorgt die Auswerter: der Grünfink. Bundesweit kam es zu einem Rückgang von 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und gar zu 60 Prozent gegenüber der ersten Wintervogelzählung im Jahre 2011. In der Rangliste verlor er zwei Plätze und wird nun an Position acht geführt. Als Grund nennt der Nabu das sogenannte „Grünfinkensterben“ (Trichomoniasis), das seit 2009 an sommerlichen Futterstellen beobachtet wird.

Die nächste Stunde der Gartenvögel ist auch schon terminiert – im Frühjahr, für den 12. bis 14. Mai. Dann stehen die Brutvögel im Mittelpunkt.

Im Folgenden finden Sie die Zahlen und Entwicklungen der einzelnen Vogelarten.

Der Haussperling

Haussperling

Ein Haussperling auf einem Grashalm.

Der Spatz ist laut der „Stunde der Wintervögel“ die Spezies, die  deutschland- und NRW-weit am häufigsten vorkommt.

459 234 Tiere wurden im Bund registriert (-6%), 61 421 in NRW (-8%).

Weitere Ergebnisse für das Rheinland:  Köln (dort auf Rang drei hinter Amsel und Kohlmeise): 1565 (+1%); Leverkusen (Platz eins) 370 (-2%); Oberbergischer Kreis (Rang zwei hinter der Amsel): 1999 (-18%); Rhein-Erft-Kreis (Platz eins): 1254 

Die Amsel

Amsel

Eine Amsel auf einem schneebedeckten Ast.

353 188 Amseln wurden in Deutschland gezählt (Rang zwei/+20%), 61 195 in NRW (Platz zwei/+17%).

Weitere Zahlen: Köln (Rang eins), 1709 (+25%); Leverkusen (Zweiter): 352 (+5%); Oberbergischer Kreis (Erster): 2506 (+26%); Rhein-Erft-Kreis (Zweiter): 1118 (+5%); Rhein-Sieg-Kreis (Zweiter): 2661 (+47%); Rheinisch-Bergischer Kreis (Zweiter): 1365 (+18%); Euskirchen (Zweiter): 1615 (+48%).

Die Kohlmeise

Kohlmeise

Eine Kohlmeise auf einem Zweig in einem Garten.

Deutschlandweit mit 301 684 Exemplaren auf Rang drei (-34%); in NRW auf Position vier: 42 322 Tiere (-46%); Köln (Zweiter): 1705

(-38%); Leverkusen (Dritter): 257 (-47%), Oberbergischer Kreis (Dritter): 1522 (-50%); Rhein-Erft-Kreis (Dritter): 534

(-42%); Rhein-Sieg-Kreis (Vierter): 1746  (-51%); Rheinisch-Bergischer Kreis (Dritter): 886  (-47%); Euskirchen (Vierter): 979 (-50%).

Der Buchfink

Buchfink

Ein Buckfink auf einer Wiese.

Deutschlandweit mit 132 730 Exemplaren auf Rang sechs (+3%); in NRW auf Position fünf: 24 777 Tiere (-12%); Köln (Neunter): 575 (-17%); Leverkusen (Zehnter): 68 (-45%), Oberbergischer Kreis (Sechster): 1203 (+11%); Rhein-Erft-Kreis (Achter): 371 (-41%); Rhein-Sieg-Kreis (Neunter): 736 (-39%); Rheinisch-Bergischer Kreis (Vierter): 722 (+11%); Euskirchen (Achter): 574 (-22%).

Die Blaumeise

Blaumeise

Eine Blaumeise in einem Garten.

Deutschlandweit mit 218 123 Exemplaren auf Rang fünf (-31%); in NRW auf Position vier: 33 119 Tiere (-46%); Köln (Sechster): 1066

(-42%); Leverkusen (Vierter): 198 (-47%), Oberbergischer Kreis (Vierter): 1419 (-51%); Rhein-Erft-Kreis (Fünfter): 534 (-48%); Rhein-Sieg-Kreis (Fünfter): 1416  (-48%); Rheinisch-Bergischer Kreis (Fünfter): 689 (-48%); Euskirchen (Fünfter): 964 (-45%).

Der Star

Star

Ein Star füttert einen Jungvogel.

Deutschlandweit mit 50 291 Exemplaren auf Rang zwölf (+85%); in NRW auf Position zwölf: 12 613 Tiere (+13%); Köln (Vierter): 1134(+59%); Leverkusen (Fünfter): 172 (+97%), Oberbergischer Kreis (Fünfter): 1212 (+108%); Rhein-Erft-Kreis (Neunter): 322 (+39%); Rhein-Sieg-Kreis (Dritter): 1921  (+166%); Rheinisch-Bergischer Kreis (Sechster): 653 (+106%); Euskirchen (Dritter): 1351 (+91%).

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