1. FC Köln gegen Roter Stern BelgradWarum serbische Fans einen schlechten Ruf haben

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Roter Stern Belgrad dpa

Streng bewacht von der serbischen Polizei: Die Fans des „Roten Stern Belgrad“.

Belgrad – An das Gastspiel in Köln hat Zvonko Milojevic eher gemischte Erinnerungen. Mit 17 Jahren feierte der Torhüter 1989 im Rückspiel des Uefa-Cup-Achtelfinals (siehe nebenstehender Bericht) sein Debüt im Trikot von Roter Stern Belgrad. „Diese Trauer, diese Tragödie werde ich nie vergessen“, erinnert er sich heute an das 0:3 kurz vor Schluss, das dem haushohen Favoriten aus der Hauptstadt des damaligen Jugoslawien das Ende aller Final-Träume bescherte.

Den Fans eilt ein schlechter Ruf voraus

Auch der Kölner Polizei ist das Gastspiel von Roter Stern noch in eher schlechter Erinnerung. Genauso wie den Fans des Lokalrivalen Partizan oder den berüchtigten Hooligans von Kroatiens Rekordmeister Dynamo Zagreb eilt dem schlagkräftigen Anhang des Europapokalsiegers der Landesmeister von 1991 seit Jahrzehnten ein schlechter Ruf voraus.

Vor allem seit den blutigen 90er Jahren während der Jugoslawien-Kriege hat politisch instrumentalisierte Fan-Gewalt in Serbien triste Tradition. Schon zu Zeiten des verstorbenen Autokraten Slobodan Milosevic wurden willige Fußball-Schläger von Politikern und Milizführern benutzt: Aus Hooligans von Roter Stern Belgrad rekrutierte der später ermordete Kriegsverbrecher Zeljko „Arkan“ Raznatovic zu Beginn der Jugoslawienkriege der 90er Jahre seine gefürchtete Miliz.

Fans wurden instrumentalisiert

Vermutlich mit dem Segen der Geheimdienste und der Regierung des damaligen Premiers Vojislav Kostunica steckten Hooligans unter den Augen einer zunächst tatenlosen Polizei im Februar 2008 bei einer Demonstration gegen die Unabhängigkeit des Kosovo in Belgrad ausländische Botschaften und Läden in Brand.

Im Oktober 2010 verwandelten Hooligan-Horden bei der Belgrader Homosexuellen-Parade das Zentrum der Donaustadt erneut in ein Trümmerfeld. Wenige Tage später sorgten Hunderte von Fußballschlägern beim EM-Qualifikationsspiel zwischen Italien und Serbien in Genua für Angst und Schrecken.

Bilder sinnloser Fußballgewalt

Schon vor dem Spiel hatten mehrere Dutzend mit Knüppeln und Feuerwerkskörpern bewaffnete Hooligans von Roter Stern den Mannschaftsbus des eigenen Teams attackiert, um den einstigen Torwart Vladimir Stojkovic wegen seines Wechsels zum Lokalrivalen Partizan zu massakrieren.

Im Stadion sorgten Hunderte Randalierer mit einem Leuchtraketen-Angriff auf den italienischen Torhüter Emilio Viviano schon in der 6. Minute für einen Spielabbruch. Die Fotos des maskierten und später verhafteten Belgrader Hools Ivan Bogdanovic gingen damals als Bilder sinnloser Fußballgewalt um die Welt.

Fast genau vier Jahre später sollte „Ivan der Schreckliche“ beim ebenfalls abgebrochenen Länderspiel zwischen Serbien und Albanien im Oktober 2014 vor den Augen der Kameras erneut ungeniert den Platz stürmen.

Enge Kontakte zur Politik

Denn die meist polizeibekannten und oft mit der Drogenmafia eng verbandelten Rädelsführer der Fußballschläger von Roter Stern oder Partizan sind fast nie zu langen Haftstrafen verurteilt worden.

Politiker und hohe Staatsdiener dämpfen als Schutzherren in den Vorstandsetagen der Großklubs den Ermittlungseifer der Justiz: Die Zahl der vorzeitig eingestellten Verfahren übertrifft die der Verurteilungen bei weitem.

Der Staat habe durch die ausbleibende Strafverfolgung die im Namen vermeintlicher Klub- und Vaterlandsliebe verübte Gewalt der Hooligans „praktisch“ legalisiert, konstatierte bereits 2010 die Enthüllungsjournalistin Brankica Stankovic in der TV-Dokumentation „Die Ohnmacht des Staats“ über die Gewaltexzesse der heimischen Hooligans: Wegen Todesdrohungen musste die furchtlose Journalistin anschließend monatelang unter Polizeischutz gestellt werden.

Der Autor ist freier Journalist und lebt seit vielen Jahren in Belgrad.

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