Mein VereinModellbahn neben dem großen Vorbild

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Hans Knaap setzt eine Modellbahn aufs Gleis an der mittelalterlichen Stadt, dem Prunkstück der Bahn des Vereins.

Hans Knaap setzt eine Modellbahn aufs Gleis an der mittelalterlichen Stadt, dem Prunkstück der Bahn des Vereins.

Bornheim-Sechtem – Die erwachsenen Mitglieder des Sechtemer Eisenbahnclubs sind Spott gewohnt. Wenn sie darüber sprechen, warum sie sich ausgerechnet Modelleisenbahnen als Hobby ausgesucht haben, wird der Ton oft entschuldigend. Etwa, wenn der Vorsitzende Heinz Steinhausen berichtet, dass er seit seiner Kindheit von Eisenbahnen fasziniert ist und so dazu kam, Modelle zu sammeln: „Es hat mir eben Spaß gemacht.“

Auch sein 33 Jahre alter Sohn Christian scheint nicht überzeugt zu sein, dass Modelleisenbahnen überall gut ankommen. Er benutzt einen Begriff aus der Computersprache: „Mir ist es immer sympathisch, wenn sich jemand selbst als Nerd bezeichnet.“ Gemeint ist eine Art Fachidiot.

„Ein Modellbauer kann alles brauchen“, sagt Christian Steinhausen. Er deutet auf die Schaltzentrale an einem Ende der großen Strecke im Vereinsheim am Sechtemer Bahnhof. Die ist komplett selbst gebaut und steckt in einem Schaltkasten, wie er sonst für Sicherungen an der Wand hängt. „Der sollte in meiner alten Firma ausgemustert werden, da hab ich den Kasten lieber mitgenommen“, sagt Hans Knaap. Er ist für die Elektronik zuständig und baut die Schalttafeln mit Relais und Transformatoren selber.

Ein anderes Beispiel: Christian Steinhausen erklärt, woraus die Bäume für das Modell bestehen: Blumendraht, Schnur, Spachtelmasse, Farbe und Schaumstoff. „Ein Baum aus dem Laden sieht meist aus wie ein grüner Lolli, also bauen wir lieber unsere eigenen.“

Christian Steinhausen ist Informatiker. Er genießt es, etwas mit seinen Händen zu tun. „Nach einer Woche voller Abstraktion ist es schön, etwas entstehen zu sehen.“

Der Eisenbahn-Amateur-Club Bonn/Sechtem (Ebac), wie der Verein mit vollem Namen heißt, hat ein wohl unübertroffenes Vereinsheim. Direkt am Sechtemer Bahnhof liegt der alte Güterschuppen, eins der ältesten Gebäude an der Strecke zwischen Köln und Bonn. 164 Jahre ist das Gebäude alt und von den Clubmitgliedern in liebevoller Eigenleistung restauriert und von innen komplett ausgebaut.

Abspaltung von Bonn

Der Eisenbahn-Amateur-Club hat ein Problem, das viele Vereine plagt, nur am Rande. Wenn Heinz Steinhausen über eine Lücke in der Altersstruktur spricht, dann meint er nicht, dass es keine Mitglieder gibt, die jünger als 50 Jahre sind, sondern keine zwischen 18 und 33 Jahren. Von 69 Mitgliedern sind 14 minderjährig.

Zwei Jugendliche geben gerade ihre Anmeldung ab, während Steinhausen die Geschichte des relativ jungen Vereins referiert. Der Verein ist aus einem Bonner Modelleisenbahnverein hervorgegangen, als die Mitglieder uneinig waren, ob sie nach Sechtem in den Güterschuppen ziehen sollten. Diejenigen die für den Umzug waren, trennten sich vom Rest. „In der Zeit, das war 2002, hatten wir gerade mal zwölf Mitglieder“, sagt Steinhausen.

Dass sich die Mitgliederzahl verfünffacht hat und dass die Jugendabteilung so groß ist, erfüllt den Vorsitzenden sichtlich mit Stolz. „Das liegt auch daran, dass wir uns in der Dorfgemeinschaft engagieren. Wir machen Adventsfenster und nehmen an »Jugend aktiv in Sechtem« teil, so kommt man auch zu Neuanmeldungen.“ Es gibt zwei Jugendgruppen, in denen jüngere Mitglieder ihre Modellbahn in ihrer eigenen Werkstatt bauen können. Viele der jungen Modellbauer haben ihren ersten Kontakt bei der Veranstaltung „Jugend aktiv in Sechtem“ der Sechtemer Ortsgemeinschaft geknüpft.

Die Jugendlichen können Modelllandschaften gestalten. Sie werden aber selten an einem Tag fertig, sodass viele Jugendliche wiederkommen und später Mitglied im Verein werden. Timo Jagusch gehört zu den Nachwuchsmodellbauern. Steinhausen schwärmt von dem Talent des Zwölfjährigen: „Er ist schon fast unterfordert.“ Wahrscheinlich darf er bald an der großen Bahn mitbauen, die die erwachsenen Mitglieder im Erdgeschoss seit 2010 bauen. „Mich fasziniert, dass man auf kleinstem Raum ganze Landschaften darstellen kann“, sagt Timo Jagusch. Die Talente und Charaktere im Verein sind unterschiedlich: Steinhausen senior, der Gott und die Welt kennt, Knaap, der Elektrotechnik-Tüftler, Jagusch, der künstlerisch Begabte. Jeder kann seine Qualitäten in den Verein einbringen.

Dazu passt auch die unaufgeregte Atmosphäre, in der am Prunkstück des Vereins, der großen Bahn im Vereinsheim, gebaut wird. Wer will, kann hier einen Abschnitt gestalten, das Motiv wird zwar mit allen abgesprochen, aber die Ausführung bleibt jedem Einzelnen selbst überlassen.

Weit fortgeschritten ist eine mittelalterliche Stadt. „Es ist eine Mischung aus Rothenburg und Bad Münstereifel“, sagt Steinhausen. Darüber, wie eine andere Stelle der Anlage gestaltet werden soll, sind sich die Eisenbahner aber noch nicht einig. „Eigentlich soll hier ein Bundeswehrdepot hin“, berichtet Steinhausen, „aber es gibt einige Mitglieder die sehr dagegen sind. Wir diskutieren noch.“

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