Mein VeedelMit Kuckelkorn durch Dünnwald

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Die kleine romanische Kirche St. Nikolaus zählt zu den Lieblingsorten von Christoph Kuckelkorn: „Die Landschaft erinnert mich an Schottland.“

Die kleine romanische Kirche St. Nikolaus zählt zu den Lieblingsorten von Christoph Kuckelkorn: „Die Landschaft erinnert mich an Schottland.“

Dünnwald – Einer wie Christoph Kuckelkorn kann vermutlich nicht anders. Wenn ihn „etwas anpiekst“, wie er sagt, muss er sich engagieren. Pater Ralf hat ihn angepiekst. Und so ist Kuckelkorn neben seinem Beruf als Bestatter und seiner Leidenschaft, dem Kölner Karneval im Allgemeinen und dem Rosenmontagszug im Besonderen, auch noch Schirmherr des Café Mittendrin an der Berliner Straße, das mittendrin liegt in Dünnwald, in seinem Veedel.

Betrieben vom Katholischen Pfarrverband Dünnwald-Höhenhaus und der Evangelischen Teerstegen-Gemeinde gibt’s hier „Butterbrote und Begegnungen“, wie Pater Ralf gern schmunzelnd anmerkt. „Es hat mich berührt, dass hier in den letzten Jahren eine besondere Gemeindearbeit entstanden ist“, sagt Kuckelkorn. „Dafür steht Pater Ralf ein bisschen. Er fängt einen mit seiner Persönlichkeit schnell ein, ist ein unheimlich gewinnender Mensch.“ Der Kirchenmann ist mit dem Karnevalisten eine nicht ganz uneigennützige Verbindung eingegangen. „Er ist unsere Verbindung zur Stadt Köln“, sagt Pater Ralf. „Er hat uns durch seine Prominenz sehr geholfen, die ganzen Genehmigungen bei den Behörden zu kriegen.“

Das könnte man Klüngel nennen, doch Kuckelkorn sieht sein Engagement für das Café ganz pragmatisch. „Damit ist die Kirche mitten in unser Dorf gerückt, ist erfahrbar geworden. Hier kann man ungezwungen Gespräche führen.“ Und, wie gesagt, Butterbrote essen, die die Namen von Heiligen oder berühmten evangelischen Persönlichkeiten tragen. Der Belag des „Hermann Josef“, benannt nach dem Prämonstratensermönch, der in Dünnwald gewirkt hat, bestehend aus Äpfeln, Rübenkraut und Zimt, trifft vielleicht nicht jedermanns Geschmack, aber was soll’s? Seit mehr als vier Jahren gibt es das Mittendrin. Pater Ralf: „Als wir hier angefangen haben, hatten wir acht Ladenlokale zur Auswahl. Jetzt sind Richtung Schlebusch alle Lokale vermietet, in die andere Richtung sind noch ein paar Zahnlücken vorhanden. Wir binden Bürger an ihre Einkaufsstraße.“ Ein Brot „Kuckelkorn“ gibt es noch nicht. Das sei auch gut so, findet der Schirmherr: „Das Kuckelkorn eignet sich nicht sonderlich gut als Getreide, das ist eher eine medizinische Heilpflanze. Die ist ein bisschen toxisch.“

Elfmal sei er in seinem Leben in Köln bisher umgezogen. Und in Dünnwald irgendwie angekommen. Mit seiner Frau Cassia und einer Patchwork-Familie, die aus sechs Kindern, acht Hühnern, ein paar Wachteln und Kaninchen besteht, „ist das hier einfach ideal. Der Lebensraum ist übersichtlich, die Kinder können sich ihn nach und nach erschließen.“ Man lebe mit einem K-Nummernschild und dennoch wie auf dem Lande. „Mir gefällt die gute Mischung aus dörflicher Nähe und großstädtischem Flair, und trotzdem ist es hier nicht so eng wie in Stammheim.“ Eine Durchgangsstraße wie die Berliner Straße sei enorm belebend für den Ortskern. „Hier fahren viele Leverkusener durch. Oder die Menschen, die nach Schildgen müssen. Das hilft den Einzelhändlern.“

Leidenschaftlicher Motorradfahrer

Und weil Christoph Kuckelkorn auch noch leidenschaftlich Motorrad fährt, ist Dünnwald auch ideal. „Von hier aus bin ich in zwei Minuten im Bergischen Land, das ist für mich viel schöner als die Eifel. Dann geht es weiter Richtung Sauerland. Das ist im Sommer immer meine große Wochenendtour.“

Wo wir gerade bei den Leidenschaften sind. Natürlich kann ein Karnevalist auch in Dünnwald nicht ohne den Karneval leben. Wir stehen vor einem klassischen Dreifenster-Haus aus der Zeit um 1900 am Dünnwalder Mauspfad – das Hoppeditz-Hüsje der Großen Dünnwalder Karnevalsgesellschaft von 1927 ist Kölns erstes Karnevalsmuseum. 2002 eröffnet, noch vor dem offiziellen Haus des Festkomitees am Maarweg. „Das tut ja schon ein bisschen weh“, schmunzelt Kuckelkorn, während Wilfried

Wingensiefen, Präsident der Dünnwalder KG, die Türe aufschließt. Drinnen erwarten den Besucher auf engstem Raum Karnevals-Exponate besonderer Güte, zum Beispiel ein Orden mit dem Titel „Goldener Reibekuchen am fettigen Bande“, verliehen für jahrelange Verdienste ums leibliche Wohl beim Dünnwalder Zoch. Besonders stolz ist der Präsident auf die Bütt, die man vor Jahren für den „Weltenbummler“ zusammengebastelt hat, ein Waschzuber mit Rednerpult. Oder die Ersatzmütze des Stunksitzungs-Urgesteins Rainer Rübhausen, der aus Dünnwald stammt. „Wir haben hier auch den einzigen Orden, den die Stunker jemals herausgebracht haben.“ Für einen Museumsrundgang mit Wingensiefen müsse man schon ein paar Stunden einplanen, sagt Kuckelkorn.

Großvater, der Heimatdichter

So viel Zeit haben wir nicht. Inzwischen hat sich Cassia Kuckelkorn zu uns gesellt – und das aus gutem Grund. Am Eingang zur Prämonstratenserstraße, exakt bei der Hausnummer 1, steht das Geburtshaus ihres Großvater Franz Peter Kürten, der sich als Heimatdichter schon zu Lebzeiten einen Namen gemacht hat. „Die Straße gehört zu den ältesten des Dorfs“, sagt Kassia. Bis 1915 hieß sie Kirchstraße, „man sprach aber von der Lichjass oder der Jedermannsjass“, ergänzt ihr Mann Christoph. „Weil sie jeder mal gehen musste, spätestens auf seinem letzten Weg zum Dünnwalder Friedhof.“

Ein paar hundert Meter weiter liegt die kleine romanische Kirche St. Nikolaus aus dem Jahre 1118, bei deren Anblick der Bestatter gleich doppelt in Schwärmen gerät. „Irgendwie passt sie so gar nicht in die Landschaft. Ich muss immer an Schottland denken, wenn ich hier vorbeikomme.“ Den meisten Kölnern seien ja nur die großen romanischen Kirchen ein Begriff, „aber diese hier ist etwas Besonderes, weil sie nicht so barock ausgestattet ist, sondern sehr reduziert wirkt. Ich mag das, wenn der Kirchenraum Freiheit lässt“.

Denkmalgeschützte Toilette

600 Meter weiter Richtung Stammheim liegt auf einer Anhöhe der Bildstock „Der Weiße Mönch“, gewidmet dem Heiligen Norbert von Xanten. Er gilt als Gründer des Prämonstratenser-Ordens und um ihn ranken sich einige Legenden, die Cassia Kuckelkorns Großvater Franz Peter Kürten aufgeschrieben hat.

Danach hatten drei Klosterbrüder auf dem Wege vom Emberg herunter das Kapellchen „Am Weißen Mönch“ gereinigt und wieder geschmückt und vor lauter Eifer das Beten vergessen. „Als sie an der Kirche vorbei kamen, trat ein Mönch, den keiner von ihnen kannte, aus der Tür und ging gleichen Schrittes mit ihnen auf die Klosterpforte zu“, schreibt Kürten. „Den kleinen Weiher entlang, sie am linken, er am rechten Ufer. Er trug das Gebetbuch in den Händen und schritt über den Weiher auf sie zu. Das Wasser kräuselte sich nicht, wo er trat. Da fuhr den Dreien der Schrecken in die Glieder und sie stammelten dem Abt an der Klosterpforte, was sie gesehen hatten. Wie der an die Pforte kam, war der fremde Mönch weg.“ Besonders schön aus Sicht eines Bestatters sei, dass „von dieser Klosterkirche aus wieder beerdigt wird“. Weil der Dünnwalder Friedhof nur 400 Meter entfernt liegt, könne man „wie früher mit dem Sarg und der Trauergemeinde nach dem Gottesdienst über die Straßen zum Friedhof ziehen. Das finde ich sehr schön“.

Für den Seelenfrieden der Lebenden eigne sich ein ausgedehnter Spaziergang durch den Dünnwalder Busch ganz besonders. „Das ist noch ein reines Naturschutzreservat, mit sehr vielen und zum Teil seltenen Vogelarten“, sagt Kuckelkorn. „Wir haben hier noch Natur pur, linksrheinisch gibt es noch große Wälder.“ Wenn er wollte, könne er von Dünnwald aus über den Königsforst auf Waldwegen bis in den Kölner Süden gehen. So weit wollen wir den Veedelsspaziergang dann doch nicht ausdehnen, schauen nur noch kurz an einer weiteren Kuriosität vorbei. In der alten Arbeitersiedlung Am Kunstfeld erwartet uns Deutschlands einzige denkmalgeschützte Toilettenanlage. Diese Klo-Reihenhäuschen, mit Herzchen versehen, werden von den Dünnwaldern liebevoll „Siebenzylinder“ genannt.

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