„NRW soll das familienfreundlichste Bundesland werden“Sarah Philipp spricht im Interview über ihre Power-Strategie für die SPD

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Sarah Philipp, Duisburger Landtagsabgeordnete und Achim Post, Vorsitzender der NRW-Landesgruppe im Bundestag sind vor einem Wahl-Plakat der NRW-SPD zu sehen.

Die NRW-SPD soll in Zukunft von einer Doppelspitze geführt werden. Sarah Philipp, Duisburger Landtagsabgeordnete, und Achim Post, Vorsitzender der NRW-Landesgruppe im Bundestag, sind Kandidaten.

Beim Parteitag der NRW-SPD in Münster wird Sarah Philipp sehr wahrscheinlich einen Chefposten übernehmen. Im Interview erklärt sie, wie sie ihre Partei wieder stark machen will.

Am Wochenende kommt die NRW-SPD zum Parteitag in Münster zusammen, um einen Nachfolger von Thomas Kutschaty als Parteichef zu wählen. Geplant ist, dass die SPD künftig von einer Doppelspitze geführt wird.

Neben dem Bundestagsabgeordneten Achim Post bewirbt sich die Duisburgerin Sarah Philipp um den Chefposten. Sie empfiehlt, dass sich die Partei wieder mehr um die tüchtige Mittelschicht kümmern soll. Mit einer einfacheren Sprache – und einer Zugewandtheit, mit der einst Johannes Rau erfolgreich war.


Frau Philipp, seit der Wahlniederlage im Mai 2022 sind mehr als 13 Monate vergangen. Hätte man sich mit einem harten Schnitt nach der Wahl nicht wertvolle Zeit sparen können?

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Harte Schnitte sind nicht per se etwas Gutes. Ich fand es richtig, dass Thomas Kutschaty nach der verlorenen Landtagswahl nicht sofort die Brocken hingeworfen hat. Das gab der Fraktion die Möglichkeit, sich zu stabilisieren – und die Partei hat die Ursachen für die Niederlage gründlich aufgearbeitet. Das ist ein wichtiger Sockel, auf dem wir die künftige Strategie aufbauen können.

Das Führungsteam der NRW-SPD wird breit aufgestellt– eine Vorentscheidung über die Spitzenkandidatur gibt es damit nicht. Droht da nicht eine Kakophonie?

Wir können nur als Team erfolgreich sein. Klar ist auch, dass wir uns in Zukunft besser abstimmen müssen, um wieder durchschlagkräftig zu werden und uns gegenseitig zu verstärken. Abgestimmte Kommunikation gehörte in der Vergangenheit nicht immer zu unseren Stärken. Wir wissen alle, was die Stunde geschlagen hat. Offenen Streit können wir uns nicht leisten.

Rechnen Sie damit, dass nach der Kommunalwahl auch erfolgreiche SPD-Oberbürgermeister ihren Hut in den Ring werfen, wenn es um die Spitzenkandidatur geht?

Der Weg bis 2027 ist nicht sehr weit. Wir haben viele gute Leute, die für eine Spitzenkandidatur in Frage kommen könnten.

Würden Sie sich eine Spitzenkandidatur zutrauen?

Jeder und jede, die jetzt in der Partei Verantwortung übernimmt, sollte sich auch weitere Ämter zutrauen.

Hamms OB Marc Herter war mit dem Versprechen erfolgreich, Hamm zur familienfreundlichsten Stadt in NRW zu machen. Auf dem Parteitag in Münster will die NRW-SPD jetzt die Familienpolitik zum neuen Markenkern erheben. Hat Herter das Urheberrecht an der neuen Strategie?

Es kann ein Teil der neuen Erfolgsgeschichte werden, wenn wir uns anschauen, wo Sozialdemokraten in den Kommunen erfolgreiche Politik machen. Deswegen finde ich es gut, wenn wir sagen, dass NRW das familienfreundlichste Bundesland werden soll.

Philipp: „CDU und Grünen präsentieren sich unverhohlen als Koalition der Besserverdienenden .“

Die SPD fordert die Einführung der Kindergrundsicherung – wäre es nicht besser, mehr Geld in Kitas und in die frühkindliche Bildung zu investieren, als den Eltern mehr Geld aufs Konto zu überweisen?

Man sollte das eine tun, ohne das andere zu lassen. Die Einführung der Kindergrundsicherung ist ein zentrales Projekt der SPD in der Berliner Ampel-Koalition, das wir in NRW mit Nachdruck unterstützen. Damit grenzen wir uns klar von CDU und Grünen ab, die sie sich ja unverhohlen als Koalition der Besserverdienenden präsentieren.

Die SPD will die Partei der Arbeitnehmer mit geringem und mittlerem Einkommen sein. Ist das eine Rückbesinnung?

Nein. Aber wir haben das in der Vergangenheit nicht oft genug gesagt. Stattdessen haben wir uns von den politischen Mitbewerbern auch in Debatten ziehen lassen, die uns von den wichtigen Themen abgelenkt haben. Wenn Herr Merz zum Beispiel meint, er müsste über das Gendern debattieren, sollten wir nicht automatisch über das Stöckchen springen, sondern unsere Energie lieber in die Themen stecken, die für die Menschen wirklich wichtig sind. Und wir müssen davon abkommen, die Dinge in politischem Kauderwelsch zu erklären.

Was meinen Sie damit?

Die Sprache der SPD muss einfacher werden. Wenn wir vom Altschulden-Fonds sprechen, wissen nur wenige, dass es bei dem Thema im Kern um die Steigerung von Lebensqualität in den Kommunen geht. Sagen was man tut, und tun, was man sagt – wenn wir so Politik machen, können wir die Menschen überzeugen.

Der Spruch stammt von Johannes Rau…

Ich halte nichts davon, in alten Zeiten zu schwelgen, als die SPD noch über absolute Mehrheiten verfügte. Aber was spricht dagegen, sich zu vergegenwärtigen, mit welcher Haltung die SPD in der Vergangenheit erfolgreich war? Johannes Rau war beliebt und sympathisch, er konnte nachdenklich und energisch sein, traf stets den richtigen Ton. Damit gab er den Menschen in Zeiten von großen Veränderungen Orientierung. Er sprach den Menschen aus der Seele. Wir sollten versuchen, daran anzuknüpfen. Wenn uns das gelingt, mache ich mir um die Zukunft der NRW-SPD keine Sorgen.

Philipp: „Wir haben uns vorgenommen, unser Gewicht in Berlin stärker einzubringen.“

In NRW ist die AfD ungewöhnlich stark geworden…

Die AfD bezieht ihre Position nur aus Angst und Schwarzmalerei. Sie hat keine Konzepte, will nicht zusammenführen, sondern nur spalten. Da ist keinerlei positives Zukunftsbild.

Welche Rolle spielt der Streit in der Ampel und die Wirrrungen um das Heizungsgesetz?

Allen ist klar, dass die Performance der Koalition besser werden muss. Wir haben uns vorgenommen, unser Gewicht in Berlin stärker einzubringen. Das wird durch die Kandidatur von Achim Post für den Co-Vorsitz unterstrichen.

Wäre es für die NRW-SPD ein strategischer Vorteil, wenn  Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) Kanzlerkandidat der Union würde?

Wir wissen nicht, wie die Ausgangslage bei der nächsten Landtagswahl im Jahr 2027 sein wird. Ich finde es allerdings bedenklich, dass das Amt des Ministerpräsidenten in NRW für die CDU offenbar nur als Durchlaufstation für höhere Ämter in Berlin betrachtet wird. Das schadet dem Land. Und der Fall von Armin Laschet zeigt, dass die Strategie auch im politischen Abseits enden kann. Wüst sollte sich überlegen, ob er das imitieren will.

FDP-Chef Höne wurde beim ersten Parteitag nach der Landtagswahl für den misslungenen Neustart mit nur 54 Prozent der Stimmen gewählt. Mit welchem Ergebnis wären Sie zufrieden?

Mir geht es darum, gemeinsam mit Achim Post und den verschiedenen Kraftzentren der Partei die neue SPD im Westen zu gestalten. Dafür werben wir um eine breite Unterstützung.

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