Camping PaulEin Vermieter für 180 Parteien

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Camping "Paul" und sein Platz. BILD NEUMANN

Camping "Paul" und sein Platz. BILD NEUMANN

Overath – Ferien, Sommer, Urlaubszeit. Während der eine nach Mallorca und der andere in die Alpen fährt, machen einige Urlaub im Rheinisch-Bergischen Kreis. So etwa bei „Camping Paul“ in Overath. Mit wunderschönem Blick auf das Naafbachtal kleben in Viersbrücken 180 Campingwagen am grünen Hang. Zelten auf Zeit ist hier nicht angesagt. Die meisten Camper stehen das ganze Jahr hier, und jeder Stellplatz hat Strom- und Wasseranschluss. Betreiber Marc Fricke ist also quasi Vermieter eines Mehrfamilien-Wochenendhauses für 180 Parteien - alle mit Gartenanteil.

Beim Rundgang über den Platz erzählt er von seinem Alltag. Viele Mieter kommen aus Köln, darunter eine ganze Reihe „Hochwasserflüchtlinge“, deren Wagen auf Plätzen an Agger, Sieg und Sülz bereits unter Wasser gestanden hatten. Auf

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HINTERGRUND

das kühlende Nass an heißen Tagen müssen sie nicht verzichten, denn es gibt einen kleinen Pool, an dessen Grund gerade ein Roboter seine Reinigungsrunde dreht. „Mit meinem Pool werde ich genau so behandelt wie das Schwimmbad in Overath“, sagt Fricke. Das bedeutet, er muss täglich Chlor- und ph-Werte messen, die Temperatur gleich mehrfach. „Zweimal im Monat steht eine große Wasseranalyse an“, erklärt er, während er mit dem Käscher ein paar Blätter der umstehenden Bäume aus dem Pool fischt.

Die kleine Liegewiese ist säuberlich gemäht, die umgebenden Hecken geschnitten. Viele hundert Quadratmeter Rasen wollen Woche für Woche im Zaum gehalten werden und auch das andere Grün schreit danach, regelmäßig gestutzt zu werden.

Ein Stück weiter ist hinter einem Sichtschutz die Müllstation untergebracht. Marc Fricke hebt den Deckel der Biotonne und schüttelt den Kopf. Großstädter sind die Mülltrennung offenbar nicht gewöhnt. Zwar haben sie im aktuellen Fall den Biomüll laut Anweisung gesammelt, dann jedoch mitsamt der Plastiktüte in die Tonne geworfen. „Mehrfach täglich sortiere ich den Müll nach“, sagt Fricke, „sonst würde er gar nicht mitgenommen.“

Botanik und Brandschutz

Vorbei geht es an bunter Blumenpracht, Gartenzwergen und Kaninchengehegen. Für die einzelnen Parzellen sind die Camper selbst verantwortlich. Für ihren Kompost stellt Fricke einen Anhänger zur Verfügung, den er mehrmals in der Woche mit dem Trecker nach Eulenthal zur Entleerung fährt. Nicht jeder Mieter kümmert sich jedoch so, wie er sollte. „Dann ist das wieder ein Fall für mich“, stellt der Besitzer fest. Er schreibt eine Erinnerung, und wenn dann immer noch nicht die Heckenschere gezückt wird, schneidet der Chef selbst - und schreibt eine Rechnung. Unwirsch streicht Fricke über eine zwar geschnittene, aber innen vertrocknete Hecke. „Das geht auch nicht“, meint er, „ein Funken und der Wohnwagen ist weg.“ Der Fachmann, der sich nicht nur in Botanik, sondern auch im Brandschutz auskennt, empfiehlt in diesem Fall Liguster statt Thuja. Die aufgestellten Platzregeln sind klar: kein Rasenmähen nach ein Uhr mittags, kein Krach nach zehn Uhr abends, von Juni bis September „Baustopp“, das heißt kein übermäßiges Hämmern, Klopfen und Bohren. Das alles und noch viel mehr will kontrolliert werden, denn anders ist das friedliche Zusammenleben in einer solchen Gemeinschaft nicht möglich.

Durch die Hanglage absolviert Marc Fricke Tag für Tag diverse Höhenmeter auf seinen Rundgängen und nimmt ebenso viele Wünsche auf. Der Erste braucht Duschmarken, der Zweite beschwert sich über den Nachbarn, der Dritte bittet darum, doch möglichst ganz schnell das Wasser abzustellen, da er sich seine Leitung durchgehauen habe. Die Wunscherfüllung klappt meist gut, und Fricke packt auch in außergewöhnlichen Situationen mal mit an. So an dem einen Abend, an dem eine Mieterin das berühmte Glas zu viel getrunken hatte und er kurzerhand die Dame, die am Rand der Scheune nächtigen wollte, bis ins Bett ihrer Parzelle trug.

„Ich bin ein geduldiger und harmoniebedürftiger Mensch“, sagt Fricke, „aber irgendwann kommt der Punkt, an dem auch ich meine Meinung sage.“ Insbesondere bei den notorischen Nörglern werde er auch mal deutlich. Eine davon kommt ihm in den Sinn, als er gerade am Rand des Geländes angekommen ist, an dem friedliche Kühe einen freien Blick über den Zaun in die Wohnwagen haben. Einer Mieterin, die sich vehement über die Rindviecher beschwerte, legte Fricke ans Herz, dass „am Overather Bahnhof bestimmt keine Kühe seien“.

Bereits bei der Auswahl der Mieter muss der Besitzer ein glückliches Händchen und einen gesunden Menschenverstand haben, um die Gemeinschaft gut zu ergänzen. „Im Zweifel lasse ich lieber einen Platz leer stehen, als dass ich Ärger mit den langjährigen Nachbarn riskiere“, sagt er. Stets muss er zwischen Diplomatie und klaren Worten abwägen, sensibel, aber konsequent sein, mal Helfer, mal Chef. Nur Freund kann er nicht sein. Bei Feierlichkeiten macht er grundsätzlich nicht mit. „Wenn ich bei dem einen einen Kaffee trinke, muss ich das bei den anderen auch tun.“ 180 Kaffee, Grillabende und Feierabendbierchen sind aber schlichtweg nicht zu schaffen.

Marc Fricke macht sämtliche anfallenden Arbeiten selbst. Lediglich für die Reinigung der Sanitäranlagen hat er eine Hilfe engagiert. Vor sieben Jahren übernahm er den Platz, der 1972 von seinem damaligen Schwiegervater gegründet wurde. Seine frühere Frau betreibt die Gastronomie am Campingplatz, in der auch er viele Stunden mithilft. Nicht zuletzt muss er sich im Büro um die Verwaltung kümmern: Korrespondenz, Verträge, Karteien, Rechnungen, Austausch mit den Behörden und dann ist da noch die Kontrolle der vorgeschriebenen Abgasuntersuchung für die Wohnwagen, die ihn mit der Liste in der Hand wieder zum nächsten Rundgang veranlasst.

Wenn es wieder Winter wird, bleiben die Wagen meist leer. Frickes Rundgänge werden seltener, müssen aber dennoch stattfinden. Gefürchtet bei den Mietern sind seine Anrufe mit Worten wie „Deine Teller stehen gespült im Schrank.“ Dies bedeutet, dass der vom Mieter nicht abgedrehte Wasserhahn einen Rohrbruch und eine mittlere Überschwemmung verursacht hat - auch ganz ohne Agger, Sieg und Sülz.

Marc Fricke beendet den Rundgang wieder oben am Schwimmbad neben dem Spielplatz. Ein großes, neues Klettergerüst steht hier und eine Rutsche. Sie mündet in einem Sandkasten, der ein wenig mehr Inhalt vertragen könnte. Kaum gedacht, sagt Fricke bereits: „Neuer Sand ist bestellt - kommt am Dienstag.“

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