Dreck in der StadtAls wäre Köln eine Mülldeponie

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Vielen Grillfans ist es zu mühsam, ihren Müll zu entsorgen. Sie lassen die Abfälle auf den Wiesen liegen. (Archivbild: Worring)

Vielen Grillfans ist es zu mühsam, ihren Müll zu entsorgen. Sie lassen die Abfälle auf den Wiesen liegen. (Archivbild: Worring)

Der Aachener Weiher ist nicht die Ägäis. Aber den öffentlichen Raum ihrer Stadt behandeln die Kölner ähnlich wie die Griechen den Staat: wurstig und egozentrisch. In beiden Fällen ist das erstaunlich: Feiern sich die Griechen nicht als Erfinder der Demokratie? Und die Kölner – sind sie nicht bis zum Delirium vernarrt in „de Stadt am Rhing“? Wie kann es da sein, dass sie sich benehmen, als wäre Köln eine Mülldeponie?

Man sieht daran: Wertschätzung als abstraktes Prinzip mag für Nationalhymnen und Karnevalslieder taugen. Sie muss aber täglich den Praxistest bestehen, sonst ist sie wertlos. Aber offenbar gibt es eine negative Entsprechung zwischen der Verklärung der Stadt an sich und ihrer Missachtung für mich. Sonst wäre es kaum erklärbar, dass weit weniger geliebte Städte wie – sagen wir Hannover oder gar Düsseldorf – von ihren Bürgern trotzdem besser behandelt werden als Köln. In Berlin übrigens ist Ähnliches zu beobachten: Der Hauptstädter fühlt sich all diesen Provinzlern so unendlich überlegen, dass es schon egal ist, wie es an seinem Wohnsitz aussieht.

Tribut an ein öffentliches Über-Ich

Es gibt gewiss viele Gründe, warum Großstädte es schwerer haben Sauberkeit zu gewährleisten, als kleine Kommunen. Dazu gehören Anonymität, fehlende Sozialkontrolle, die gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt, ein raueres soziales Klima. Viele Großstädter schätzen gerade das. Ihnen wäre eine Allgegenwart der Nachbarschaft zuwider, dörfliche Heimeligkeit erschiene ihnen als spießig. Und tatsächlich sind geschniegelte Vorgärten, pünktlich am Samstag gefegte Gehwege und kaugummifreie Fußgängerzonen in so mancher Kleinstadt kein Beweis für gesteigerte Ordnungsliebe oder Rücksichtnahme, sondern der Tribut an ein öffentliches Über-Ich.

Als „prämoralisch“ qualifiziert der Psychologe Lawrence Kohlberg das Verhalten aus „Angst vor Strafe“, soziale Ächtung eingeschlossen.In Köln aber ist Freiheit von solcher Bevormundung umgeschlagen in eine Tendenz zum Asozialen: „Ist doch egal, wenn ich meinen Mist liegen lasse. Schließlich zahle ich teure Gebühren für Müllabfuhr und Stadtreinigung.“ Der Hinweis auf die unbeirrbare Kölner Lässigkeit ist in diesem Fall die glatte Selbstentlarvung. Es wird nämlich offenbar, dass die hochtrabend als „tolerant“ gerühmte „kölsche Mentalität“ nichts anderes ist als Achtlosigkeit bis zum Abwinken. Das hat Folgen für die Deutung anderer gesellschaftlicher Phänomene – wie des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Kulturen. Der Müll im Park ist Oberflächen-Indiz für eine tiefer liegende Unordnung im Gefüge Kölns.

Das klingt – zugegeben – nach Moralpredigt, die den Einzelnen beutelt, die Stadt hingegen entlastet. Was Kommunalpolitikern und Behörden gut zupasskäme, wäre aber glatte Bürgerverdummung. Denn ohne Frage hat auch die Kommune als „Körperschaft“ der Bürger ihre Pflichten. Pflichten, die in Köln grob verletzt werden. Der Winterdienst 2010/2011, der sich in bestimmten Nebenstraßen wochenlang nicht blicken ließ, war ein Beispiel. Überquellende Mülleimer in den öffentlichen Anlagen gehören auch dazu. Erst recht sind die unsäglichen Zustände in vielen Schulen für Kinder und Jugendliche geradezu ein Lern- und Experimentierfeld in puncto Verwahrlosung. Da gehen dann die Appelle, doch bitte selbst Hand anzulegen, allzu schnell ins Leere. „Liebe deine Stadt“ ist der Titel einer Aktion Kölner Künstler. Schön gesagt. Aber wer verliebt sich schon in eine Schlampe? Außer vielleicht im Karneval.

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