Dreimol null und Kultfigur

Lesezeit 4 Minuten
Heinrich Welsch

Heinrich Welsch

Vom Kult-Lehrer über ein Karnevalslied unter die ausgewählten Köpfe von „Wir Rheinländer“.

Wenn zur Karnevalszeit die rheinischen Jecken das Lied vom Lehrer Welsch anstimmen und lauthals beteuern „. . . denn mer wore beim Lehrer Welsch en d'r Klass“, dann ahnen die wenigsten, dass es diesen Mann wirklich gegeben hat - und dass sich heute, am 7. Juni, der Todestag des 1935 verstorbenen Bauernsohns zum siebzigsten Mal jährt. Auch ist weithin vergessen, dass der Lehrer Welsch nicht - wie im Lied behauptet - im linksrheinischen Köln in der Kaygasse unterrichtet hat, sondern im rechtsrheinischen Kalk. Und noch weniger Menschen wissen, dass

Heinrich Welsch aus dem Wachtberger Örtchen Arzdorf, zwischen Bad Godesberg und Meckenheim gelegen, stammt.

Der hoch angesehene und geachtete Lehrer hat die Musiker der „Drei Laachduve“ 1938 - drei Jahre nach seinem Tod - zu ihrem Hit inspiriert. „Et kütt doch alles, wie et kütt!“ beschreibt das Trio die von Welsch vorgelebten rheinischen Weisheiten, die ihn schon zu Lebzeiten zu einem gütigen, gerechten, strengen und zugleich verständnisvollen Pädagogen und zur Kölner Kultfigur machten.

Als die Bäuerin Josefine Welsch ihren Sohn Heinrich am 29. Mai 1848 in Arzdorf zur Welt brachte, war in Deutschland Revolution. Der Vater, Michael Welsch, hatte in die Familie Krämer eingeheiratet, die auf einem kleinen Anwesen am Ortsrand saß. Fünf Geschwister werden geboren, ein Bruder stirbt früh. Das ist genauso normal wie die harte Arbeit: „Schon im schulpflichtigen Alter mussten wir aus Leibeskräften beim Ackerbau helfen“, notiert Welsch.

Heinrich hatte Glück und kam 1855 mit sieben Jahren in die Arzdorfer Dorfschule. Dort traf Heinrich auf Ferdinand Linden, einen „Hilfslehrer“ - also nicht „seminaristisch gebildet“, wie Welsch vermerkt. Trotzdem machte er seinen Job richtig gut. „Die Kinder nahmen

das, was ihnen für das Leben nötig war, aus der Schule mit ins Leben“, erinnert sich Welsch. An den „geprüften Herren Lehrer“ ließ Welsch später kein gutes Haar. Sie hätten die Schüler gelangweilt.

Mit 13 Jahren besuchte Heinrich eine katholische Rektoratsschule in Meckenheim. Zwei Jahre später ging er nach Koblenz in die Internats-Lehranstalt. 1865 wechselte er ins Lehrerseminar, mit 17 Jahren begann für ihn die Ausbildung zum Pauker. Drei Jahre später legte er die Lehrerprüfung am Lehrerseminar in Brühl ab.

Nach einigen Zwischenstationen - unter anderem in Worringen und

Köln-Sülz - findet Welsch ab 1881 seine Bestimmung in Kalk. Der Ort verzeichnet eine rasante industrielle Entwicklung. Seit 1850 besaß Kalk auch eine Schule, die neben der Kapelle an der

heutigen Hauptstraße stand. Mit seinem Job in Kalk und nach der Heirat mit der Lehrerin Katharina Zentner wird es Welsch nun möglich, eine Familie zu gründen. Zwischen 1893 und 1901 werden fünf Kinder geboren, doch nur die Töchter Maria und Martha werden groß; die anderen Kinder sterben.

Als Heinrich Welsch seine Stelle an der Kalker Volksschule antrat, traf er auf eine „Boom-Town“ mit allen Schattenseiten: Die Armut saß in der Schule mit auf der Bank, Kinder, denen das Lernen schwer fiel, oder solche, die „geistig nicht normal entwickelt waren“, bekamen keinerlei Förderung. Dem setzte Welsch 1905 die Gründung einer Hilfsschule in Kalk entgegen.

Offenbar kümmerte er sich nicht nur um seine Schüler, sondern nahm auch deren soziales Umfeld genau wahr. So wird überliefert, dass er sich besonders um die Armen in Kalk sorgte und sich für das Los unverheirateter Mütter einsetzte. Einigen von ihnen gab er eine vorübergehende Bleibe in seiner Wohnung in der Nießenstraße. Welsch gründete eine Waldschule und betreute mit Kollegen die von der Maschinenbauanstalt Humboldt gesponserte, 1884 eröffnete Volksbibliothek.

In diesen Jahren hat sich der legendäre Ruf des Lehrers Welsch in Kalk gebildet. Als ein bei den armen Leuten hoch angesehener, patriarchalisch wirkender Mann schied er kurz vor dem Ersten Weltkrieg aus dem Schuldienst aus, längst eine lebende Legende. Heute pflegt die Katholische Hauptschule am Großen Griechenmarkt die Erinnerung an Welsch, in der Kaygasse erinnert eine Gedenktafel an ihn, und auf dem Friedhof am Kratzweg findet sich eine gepflegte Grabstelle. Auch einen Heinrich-Welsch-Preis gibt es mittlerweile. Den verleiht der „Verein Deutsche Sprache“ am 30. Juli zum zweiten Mal. Außerdem ist Welsch unter den ausgesuchten Persönlichkeiten, die der Landschaftsverband Rheinland im kommenden Jahr im Freilichtmuseum Kommern in der Ausstellung „Wir Rheinländer“ präsentieren wird.

KStA abonnieren