Ex-ChefredakteurWulff-Anruf „tiefer hängen“

Lesezeit 4 Minuten
Bundespräsident Christian Wulff. (Bild: dpa)

Bundespräsident Christian Wulff. (Bild: dpa)

Herr Kilz, wie sehr hat Sie der Versuch des Bundespräsidenten erregt, Medienberichte zu beeinflussen?

HANS WERNER KILZ: Den direkten Draht zwischen Spitzenpolitikern und Chefredakteuren hat es immer gegeben. Ich verstehe zwar, dass die Journalistenverbände jetzt Zeter und Mordio schreien müssen, weil angeblich die Pressefreiheit in Gefahr sei. Aber ich würde das Ganze etwas tiefer hängen. Journalisten sollten nicht so larmoyant sein. Wir teilen gerne aus, dann sollten wir auch einstecken können. Es ist das Normalste von der Welt, dass bei einem Chefredakteur das Telefon klingelt und ein Politiker am Apparat ist, dem etwas nicht passt. Da muss man dann den Rücken durchdrücken.

Sie sprechen aus Erfahrung?

KILZ: Ich habe als Chefredakteur von „Spiegel“ und „Süddeutscher Zeitung“ viel erlebt, zuletzt die ganze Siemens-Affäre vorbeirauschen gesehen. Natürlich gab es da Interventionen – vom Vorstandschef, vom Ministerpräsidenten, vom Finanzminister: „Wissen Sie eigentlich, dass Sie einen der wichtigsten deutschen Konzerne, einen der größten Steuerzahler ins Trudeln bringen ...?“ Das hat dann noch einmal ein ganz anderes Druckpotenzial als dieser Anruf des Bundespräsidenten beim „Bild“-Chefredakteur. Ich sehe den Kollegen Kai Diekmann ja förmlich zittern vor Angst!

Warum die ganze Aufregung, wenn Eingeweihte solche Dinge kennen?

KILZ: Weil der Anrufer eben nicht irgendein Minister, ja nicht einmal die Kanzlerin war. Sondern der Bundespräsident. Er muss wissen, was er seinem Amt zumuten kann. Ein so törichtes Vorgehen wie bei Wulff habe ich noch bei keinem Spitzenpolitiker erlebt. Spätestens als Diekmanns Mailbox ansprang, hätte er auflegen müssen. Stattdessen hat er ein Tondokument geliefert, mit dem er sich jetzt vorführen lassen muss. Das schadet dem Amt und gibt den Amtsinhaber der Lächerlichkeit preis.

Will Wulff die Veröffentlichung deswegen verhindern?

KILZ: Er fürchtet wohl, dass alles noch schlimmer wird, wenn das deutsche Volk die – sagen wir – rustikale Wortwahl seines Präsidenten im O-Ton hört. Aber das ist doch auch schon wieder naiv! Diese Bandaufzeichnung kursiert doch längst unter Journalisten. Wo kommen denn sonst Begriffe wie „Rubikon“ und „Krieg“ her? Also, um bei dem Begriff zu bleiben: Wulff kann diesen Krieg nicht mehr gewinnen. Zumal dann nicht, wenn die Bandaufzeichnung im Widerspruch zu dem steht, was er öffentlich gesagt hat. Dann wäre er auch noch der Lüge überführt. Und damit ist er schon jetzt wieder in der Defensive.

Gibt es denn nun einen Machtkampf zwischen Wulff und den Medien?

KILZ: Ich glaube, dass Wulff sich als Präsident der „Bunte“- und „Bild“-Republik gesonnt und sich zu sicher gefühlt hat, weil er bei seiner Scheidung in der Boulevard-Presse gut weggekommen war und die neue Frau an seiner Seite dort strahlend platzieren konnte. Offenbar hat er deshalb geglaubt, er könne die jetzigen Unannehmlichkeiten auf kurzem Weg erledigen. Da musste er sich eines Besseren belehren lassen. Zumal ich bisher an keiner Stelle erkennen kann, dass „Bild“ etwas Unzutreffendes berichtet hätte. Da hat Wulff natürlich umso schlechtere Karten.

Also doch eine Art Machtkampf.

KILZ: Ich glaube, das ist die falsche Kategorie. Mit den Medien ist es wie mit anderen Berufsständen auch. Die Konkurrenten schenken sich nichts. Aber wenn es einen Angriff von außen gibt, werden die Reihen geschlossen. Da reicht die Solidarität von „Bild“ bis zur „FAZ“ – und man fragt nicht mehr nach links oder rechts, nach liberal oder konservativ, ja nicht einmal nach Boulevard- oder Intellektuellen-Blatt. Darum jetzt auch diese Welle der Solidarität mit der ach so furchtbar attackierten „Bild“-Zeitung. In Wahrheit hätte den Kollegen doch nichts Besseres passieren können.

Sie meinen für das Eigen-Marketing?

KILZ: „Bild“ hat so einen Nachweis besonderer Seriosität geliefert und kann ganz generös auf die Veröffentlichung der Mailbox-Nachricht verzichten. Man achtet ja schließlich die Vertraulichkeit des gesprochenen Worts – wohl wissend, dass alles demnächst nachzulesen sein wird. Also, das ist doch eine exzellente Inszenierung. Und ich frage mich im Kontrast dazu: Wer berät eigentlich den Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland?

Das Gespräch führte Joachim Frank

Hans Werner Kilz war bis vor kurzem Chefredakteur der „Süddeutschen Zeitung“. Heute ist er unter anderem Aufsichtsratsmitglied der Mediengruppe M. DuMont Schauberg.

KStA abonnieren