Urban FarmingDer Herr der Kölner Bienen

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Ralf Heipmann ist Herr über 1,5 Millionen Bienen in Köln.

Ralf Heipmann ist Herr über 1,5 Millionen Bienen in Köln.

Köln – Es fing damit an, dass der Birnbaum in Ralf Heipmanns Schrebergarten keine Früchte tragen wollte. Den Grund machte der Hobbygärtner schnell aus: Nur selten verirrte sich eine Biene oder Hummel in den Garten am Kölner Lentpark. Dem Baum fehlten die Bestäuber. Heipmann beschloss nachzuhelfen und zwei Bienenvölker in seinen Garten einziehen zu lassen.

Das war vor acht Jahren. Den in der Zwischenzeit altersschwach gewordenen Birnbaum gibt es heute nicht mehr. Dafür ist Heipmann nun Herr über 1,5 Millionen Bienen in 30 Stöcken, verteilt an verschiedenen Orten. Die meisten mitten in der Kölner Innenstadt. Ein paar Tausend Tiere mehr oder weniger können es sein, genau wissen kann er das natürlich nicht. „Das Imkern ist wie eine Droge“, sagt der 51-jährige Wirtschaftsingenieur und grinst. Nach jedem Bienenvolk muss er mindestens einmal pro Woche sehen – bei 30 Stöcken ist das vom Zeitaufwand her schon mehr als nur noch ein Hobby.

Das Buch „Imkern Schritt für Schritt“ (Kaspar Bienefeld, Kosmos-Verlag, 14,95 Euro) bietet kurz und übersichtlich praktische Infos rund um Ausrüstung, Pflege und Verhalten von Bienen für Einsteiger und Jugendliche.

Mehr in die Tiefe geht „Das große Buche der Bienen“ (Gay und Menkhogg, Edition Fackelträger, 39,95 Euro). Sehr groß und schön bebildert. Es widmet sich auch der Bienenzucht weltweit sowie dem Bienensterben.

Infos und Tipps zum Einstieg in die Imkerei sowie zur Ausbildung als Imker geben etwa der Kölner Imkerverein und der Bienenzuchtverein Porz: www.koelner-imkerverein.de www.bienenzuchtverein-porz.de

An diesem Tag schaut Heipmann nach den Bienenstöcken in seinem Schrebergarten. Er trägt ein weißes Oberteil, das Bestandteil seiner Imker-Schutzkleidung ist. Menschen in dunkler Kleidung und langen Haaren sehen für Bienen bedrohlich aus, erklärt er – wie ein Bär eben, der nicht nur der Sage nach der Erzfeind der Honigbiene ist. Den Kopfschutz mit dem Netz hat Heipmann nicht über den braun-grau melierten Schopf gezogen. Stattdessen hängt er wie eine Kapuze auf Heipmanns Rücken. Er imkert lieber ohne die ganze Montur. Fünfmal ist er in diesem Jahr schon gestochen worden – aber eben nur, weil er nicht gerne Schutzkleidung trägt, betont er. Ein Stich tue ihm zwar genauso weh wie jedem anderem. Aber die Einstichstelle schwelle wenigstens irgendwann nicht mehr so an.

Behutsam hilft Heipmann einer Biene, die mit dem Rücken in einem Wassertropfen gelandet ist, mit dem bloßen Finger wieder auf die Beine. „Wenn eine Biene auf einer Blüte sitzt, können Sie sie sogar streicheln“, sagt der Imker. Nur wenn jemand in ihren Lebensmittelpunkt, den Stock, eindringt, greifen Bienen von selbst an. Aber auch als Heipmann die Waben vorsichtig aus dem Bienenkasten zieht, um sie zu begutachten, schwirren die Bienen aufgeregt, aber friedlich um ihn herum.

350 000 von Heipmanns Bienen leben in sieben Stöcken in seinem Schrebergarten, rund 50 000 pro Beute, so heißen die Kästen im Fachjargon. Mittlerweile klappt es nicht nur mit dem Bestäuben der Obstbäume. Mit 30 bis 50 Kilogramm Honig pro Bienenvolk und Jahr kann er sogar einen kleinen Gewinn mit dem Verkauf verzeichnen. Seine Bienen nennt er deshalb „seine Mitarbeiter“.

Städte sind bienenfreundlich

Vor den Stöcken geht es verkehrsmäßig ähnlich zu wie auf der Inneren Kanalstraße, die gleich hinter dem Zaun liegt. Lautstärkemäßig können die Bienen allerdings nicht mit den Autos mithalten. Ihr Summen geht im Lärm der vorbeirauschenden Fahrzeuge unter. Den Tieren ist das egal. Heipmann hat Bienenstöcke sogar auf dem Dach des Excelsior Hotel Ernst am Dom. „Das Imkern in der Stadt klappt ausgezeichnet“, sagt er. „Besser sogar als auf dem Land.“ Dort konnten Imker in den vergangenen beiden Jahren nur rund 20 Kilogramm Honig pro Volk ernten. Das liege vor allem an der intensiven Landwirtschaft: „Auf dem Land gibt es eigentlich nur eine einzige wesentliche Blüte: den Raps“, erklärt Heipmann, der auch zweiter Vorsitzender des Kölner Imkerverbandes ist. Die Städte dagegen bemühten sich darum, dass es in den Gärten und Parks bunt blühe. Auch in den vielen städtischen Privatgärten und auf Balkonen locken verschiedene Blumen. Im Gegenzug dazu arbeiten die Tiere fleißig an der Bestäubung der Obstbäume und Blumen. „Honig im Wert von 100 Euro entspricht Früchten von mehr als 1000 Euro, die in derselben Zeit durch die Arbeit der Bienen entstanden sind“, erklärt Heipmann.

Kein Wunder also, dass das aktuelle Bienensterben nicht nur Imker beunruhigt. Rund eine Million Bienen sind erst kürzlich in Leverkusen verendet, weil sie mit Neonicotinoiden in Berührung gekommen waren. Das für Bienen hochgiftige Mittel kam früher in Pestiziden zum Einsatz und ist eigentlich seit einem Jahr verboten.

Ein weiterer Grund dafür, dass es wildlebende Honigbienen kaum noch gibt, sind die Varroa-Milben, die vor einigen Jahren nach Europa eingeschleppt wurden. Imker behandeln ihre Bienen regelmäßig erfolgreich gegen die Parasiten, wilde Bienen gehen an einem Befall zugrunde. Wo keine Imker sind, sind also auch keine Honigbienen. Der Imkerverband freut sich deshalb über jeden Neuimker. Und er hat viel Grund zur Freude: „Imkern ist zum Trend bei den Städtern geworden“, sagt Heipmann. „Werbung müssen wir eigentlich gar nicht mehr machen.“

Als Heipmann vor acht Jahren mit dem Imkern begonnen hat, waren es vor allem ältere Leute, die sich für das Hobby interessierten. „Seitdem sind sehr viele junge Leute dazugekommen.“ Aber auch die haben noch mit den gleichen Vorurteilen zu kämpfen wie Heipmann zu Beginn: „Viele Leute haben Angst, wenn Bienen in der Nähe sind.“ Deshalb sei es wichtig, vorher das Gespräch mit Nachbarn zu suchen – auch, wenn rechtlich gesehen jeder Bienen im Garten oder auf dem Balkon halten darf. In Ralf Heipmanns Fall dauerte es eine Zeit, aber heute sind die Pächter der Nachbarsgärten sehr entspannt. „Sie unterstützen mich, weil sie den ökologischen Profit sehen, den die Bienen bringen.“ Denn die kennen keine Grenzen und Zäune und bestäuben natürlich auch die Nachbarpflanzen.

Wer mit der Bienenhaltung starten möchte, sollte eines allerdings wissen: Wer Imker ist, ist die erste Anlaufstelle für viele Leute aus der Umgebung, wenn irgendwo Bienen oder Wespen gesichtet werden. „Ich bekomme fast täglich Anrufe von Leuten, die möchten, dass ich ihnen die Bienen aus dem Garten hole.“ Heipmanns erste Frage lautet dann: „Sehen die aus wie Biene Maja?“ Lautet die Antwort ja – dann sind es garantiert keine Bienen. So schwarz-gelb gerändert wie die Comic-Biene sind in der Natur nämlich eigentlich nur die Wespen.

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