Rund 40000 Besucher kamen im letzten Jahr allein in Nordrhein-Westfalen zum bundesweiten Tag der Architektur – und wurden dort gelegentlich mit Hintergedanken empfangen. Denn selbstredend opfern die teilnehmenden Architekten auch deswegen ein langes Wochenende, weil sie auf die Bekanntschaft zukünftiger Bauherren hoffen.
Bei 325 Gebäuden in 146 Städten sollte eigentlich auch für jeden Architekturgeschmack etwas dabei sein und für manche vielleicht sogar das passende Vorbild für das eigene Heim, die Sanierung eines alten Gebäudes oder den neuen Firmensitz. Für alle anderen ist das diesjährige Veranstaltungsmotto „Architektur für alle“ stattdessen wieder eine Einladung, hinter sonst verschlossene Türen zu schauen.
Das Spektrum reicht dabei vom Designerbad im Eigenheim bis zur Hochschulbibliothek, in Köln stechen neben der sanierten Bildungswerkstatt und einer Kindertagesstätte vor allem das Gerling Quartier inklusive exquisiter Baumängel heraus.
Unsere Highlights zum Tag der Architektur am 25. und 26. Juni in Köln.
Kindertagesstätte Köln
Diese Kita sieht ein bisschen so aus, als hätte eine Spielzeugfirma einen Kinderknast gebaut. In der Mitte befindet sich der Gefängnishof, auf dem sich die Kleinen bei Tageslicht vom inspirierenden Leben in Signalfarben erholen können.
Georgestr. 2a (Neubrück), So. 11-15 Uhr
Kubus in Sichtbeton Rösrath
Bei Sichtbeton vor Bergkulisse denkt man eigentlich eher an ehrgeizige Alpenarchitektur. Aber auch das Bergische Land hat in dieser Hinsicht mittlerweile einiges zu bieten, wenn auch, wie hier, oft nur in zweiter Reihe. Abends verwandeln sich die Schaufenster zum Kino für die Nachbarschaft.
Bergische Landstr. 109, Sa. 14-17 Uhr
Wintergarten Wuppertal
Hier residierte einst der Geheime Kommerzienrat Friedrich Bayer junior, einer der Sprösslinge der Bayer-Dynastie (damals Farben, heute Aspirin). Mittlerweile nutzt ein Ingenieurbüro das Haus, weshalb der denkmalgeschützte Wintergarten erst rekonstruiert und dann zum Besprechungsraum mit Kuhblick umgemodelt wurde.
Friedrich-Ebert-Str. 146, Sa., So. 14-16
Pfarrzentrum Refrath
Auf den ersten Blick wirkt das katholische Pfarrzentrum St. Johann Baptist etwas sektiererisch mit seinem Meditationsraum aus Stampflehm mitsamt Oberlicht. Andererseits scheint in Refrath ein feiner Kompromiss aus architektonischem Anspruch, Religions-Wellness und harten Kirchenbänken gelungen.
Kirchplatz 12, Bergisch Gladbach, Sa. 14-17 Uhr
Waschhaus Monheim
Früher wuschen sich die Arbeiter einer Raffinerie hier den Schmutz von den Leibern, nach der Umgestaltung des Dusch- und Badehauses geht es deutlich bürgerlicher zu. Die alte Bausubstanz wurde weitgehend erhalten und einiger Ehrgeiz in neue Bäder investiert.
Heinrich-Späth-Str. 14, Sa. 13-16 Uhr, So. 13-15 Uhr
Fünf weitere Highlights zum Tag der Architektur auf der nächsten Seite
Bildungswerkstatt Köln
In der Südstadt tut sich was: Die Architekten preisen die sehr schön renovierten Seminarräume der TH-Bildungswerkstatt als vieldeutig, transparent und offen in der Nutzung an, was vielleicht erklärt, warum man die Einrichtung auch mit einer Kunstinstallation verwechseln könnte. Aber wenn’s uns schlauer macht...
Ubierring 48, Sa. 16-18 Uhr
Scheune Königswinter
Umnutzung ist ein hässliches Wort, aber ein großes Thema. In diesem Fall wurde ein alter Bauernhof in ein Ensemble aus fünf Wohneinheiten verwandelt, darunter eine Backsteinscheune. Diese wirkt nun ziemlich löchrig, aber für eine derart einladende Dachterrasse muss man eben Opfer bringen.
Vinxeler Str. 34a, Sa. 10-18 Uhr
Wohnhaus Marmagen
Mancher Garten ist mehr Zaun als Wildwuchs und manches Haus mehr Burgmauer als Gemütlichkeit. Die Architekten nennen ihren Neubau ein „Refugium“ und leiten ihn aus den Winkel- und Dreikanthöfen der Eifel ab. Selten ging die ländliche Spitzdach-Idylle eine schönere Symbiose mit moderner Verlies-Architektur ein.
Sittard 65-76, Nettersheim, Sa. 14-16.30 Uhr
Musik- und Kunstschule Monheim
In Monheim am Rhein ist die Welt noch in Ordnung – nicht zuletzt dank der niedrigsten Gewerbesteuern weit und breit. Immerhin ist der Geldsegen gut angelegt, wie diese brandneue Musik- und Kunstschule zeigt. Und was können die braven Monheimer dafür, wenn im Ruhrgebiet derweil die Büchereien schließen.
Berliner Ring 9, Sa. 13-17 Uhr
Haus S. Bonn-Venusberg
Auf dem Bonner Venusberg zu bauen, muss für jeden Architekten eine ödipale Verlockung sein, sich mit einem irgendwie phallischen Baukörper im Leib von Mutter Erde zu verewigen. Hier haben ihr die Baumeister widerstanden und stattdessen einen Feldherrenausblick über geschwungene Linien gesetzt.
Schmidtbonnstr. 2, Bonn, Sa. 15-18 Uhr
Infos und App zum Tag der Architektur:
Eigentlich müsste es „Tage der Architektur“ heißen, denn die insgesamt 325 Gebäude in Nordrhein-Westfalen stehen teilweise sowohl samstags als auch sonntags offen – oder an einem der beiden Tage. Wir haben jeweils die Adresse und Öffnungszeiten vermerkt, weitere Informationen zu allen Objekten und zu etwaigen Führungen gibt es vor Ort oder im Internet. Die Architektenkammer NRW bietet zudem eine kostenlose App für alle smarten Mobiltelefone an. www.aknw.de