Regional EinkaufenWas Discounter nicht leisten können, Hofläden aber schon

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Symbolbild

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Köln – Wir sind an Supermarktregale gewöhnt, die gefüllt sind mit allem, was das Herz begehrt. Immer, jetzt, sofort. Hofläden sind anders. In ihren Regalen steht, was auf den Äckern rundherum gerade geerntet wird oder was die Tiere des Hofes hergeben. Die Auswahl ist kleiner als im herkömmlichen Supermarkt. Manchmal ist sie bio, aber nicht zwangsläufig. In erster Linie ist sie regional und saisonal. Häufig tun sich die Bauern mit Kollegen in der Region zusammen. Einer liefert Obst, einer Gemüse, einer Fleisch. Die Vertriebswege werden kurz gehalten, aber das Angebot auf diese Art zumindest etwas erweitert.

Das große Plus eines Hofladens ist, dass der Kunde weiß, wo die Nahrungsmittel herkommen, die er kauft. Er kann raus gehen aufs Feld oder ins Gewächshaus und sich ansehen, wo sein Essen weidet und wächst. Frische kommt nicht aus dem Kühlhaus, sondern direkt aus der Natur. Und wer weiter denkt, kann die Einkäufe zu Hause mit dem guten Gefühl auspacken, dass für die Tomaten im abendlichen Salat kein LKW CO2 in die Luft gepustet hat.

Der Kunde kann den Bauern fragen, womit dieser seine Tiere füttert und so dafür sorgen, dass für sein frisches Suppenhuhn keine Futtermittel quer durch den gesamten Kontinent transportiert wurden. Das ist zwar nur ein winzig kleiner Beitrag für eine bessere Welt, aber viel Balsam für das gute Gewissen. Mit der Industrialisierung der westlichen Welt und ihrer Esskultur, mit dem Vormarsch von Fast-Food und zunehmender Zeitknappheit sind Gewissen und Gefühl im Zusammenhang mit Ernährung ins Hintertreffen geraten. Der Preis: Der Mensch der westlichen Welt ist dicker geworden, ungesünder, unzufriedener.

Vom Bäcker frisch gebackenes Brot verschwindet durch Backshops und Discounter zunehmend aus den Städten.

Vom Bäcker frisch gebackenes Brot verschwindet durch Backshops und Discounter zunehmend aus den Städten.

Genuss mit gutem Gewissen

Die eigenen Essgewohnheiten wieder auf mehr Nähe auszurichten, sei dem guten Gefühl sehr zuträglich, erklärt Franz-Theo Gottwald aus dem Vorstand der Schweisfurth-Stiftung in München, die sich für Wege in eine lebenswerte Zukunft engagiert und dabei Ernährung, Gesundheit, Landwirtschaft, Tierzucht, Bildung und Erziehung besonders in den Mittelpunkt rückt. „Ernährung hat viel mit einem ganzheitlichen Genuss und mit gutem Gewissen zu tun“, sagt Gottwald.

Im Idealfall ist Essen nicht nur für den kurzen Moment des Kauens und Schluckens Genuss, sondern schon beim Einkaufen. Beim Auswählen und Zubereiten, beim Anrichten und Ansehen, und schließlich beim möglichst geselligen Mahl. Keine dieser Dimensionen sollte ausgeblendet werden, sagt Gottwald. Eben das passiere aber beim schnellen Einkauf im Discounter. Der Wagen wird vollgepackt. Husch, husch, riesen Berge, und dann alles ins Auto. Woher kommt der Salat? Egal. Wie riechen die Äpfel? Sie sind in Plastik verpackt. Wie schmeckt der Käse? Probieren nicht möglich. Und: „Der aufgeklärte Mensch, der es sich leisten kann, sollte wissen: Mit jedem Euro, den du im Discounter lässt, blutest du die Kaufkraft deiner Region aus“, sagt Gottwald.

Lesen Sie auf der nächsten Seite welche Vor- und Nachteile regionales Einkaufen hat.

Teuer und zeitintensiv

Das Problem: Rund ein Viertel der Bevölkerung kann sich ein gutes Ernährungs-Gewissen nicht leisten. Wer von Niedriglöhnen oder Hartz IV leben muss, ist heilfroh darüber, dass die Discounter mit überregionalen Masseneinkäufen die Preise drücken. In Hofläden einzukaufen ist teuerer. Zudem kostet es Zeit, denn auch in gut sortierten Hofläden wie dem von Susanne Hüsgen in Hennef bekommt der Kunde nicht alles, was er braucht. Wer in Hofläden kauft, für den muss das Einkaufen mehr sein als eine lästige Pflicht. Es muss Spaß machen, einen Schwatz mit der Ladenbesitzerin oder der Bäuerin zu halten. Im Laden von Susanne Hüsgen gibt es dann zum Beispiel Rezept-Vorschläge oder eine Führung durch den Kräutergarten.

Bei Familie Trimborn gehen die Gänse zunächst vor. Sie brauchen ihr Futter dringender als der Kunde seinen Eierlikör. Ein bisschen zu warten, ist aber gar nicht schlimm auf dem Kirchscheider Hof bei Lohmar, denn die Zeit lässt sich prima mit Kälbchen-gucken überbrücken. Und später erzählt Julia Trimborn, die jüngste Bäuerin des Hofes, der seit mehr als 80 Jahren in Familienbesitz ist, dass der Eierlikör noch immer von der Oma nach ihrem Geheimrezept hergestellt wird. „Wir bringen ihr alles, was sie braucht“, sagt Julia Trimborn, „aber wenn sie die Mischung zusammenrührt, darf niemand zusehen.“

„Geschichten wie diese gibt es im Discounter nicht“, sagt Gottwald. Die soziale Komponente von Esskultur kommt dort zu kurz. Wenn dann noch ein Fertiggericht allein vor dem Fernseher vertilgt wird, ist der gesellschaftliche Aspekt des Essens vollends dahin. Dabei birgt das Essen so viel, das über die reine Versorgung des Körpers mit Nährstoffen hinaus geht.

Essen kann Genuss und Geselligkeit stiften, Zusammengehörigkeit, Freundschaft und Familienleben stärken oder auch Quelle kreativer Betätigung sein. Essen kann das Wohlbefinden und die Lebensqualität steigern. Und deshalb könne eine genussvolle, gesellige Esskultur auch in Zeiten, in denen der materielle Wohlstand vieler Menschen stagniert oder sogar sinkt, einer wachsenden Unzufriedenheit entgegen wirken. Das glauben zumindest Gottwald und ein Kreis von Kollegen, die für „eine erneuerte Esskultur“ plädieren.

Der Umwelt zuliebe

„Der Informationsgrad ist hoch und weit in die Gesellschaft eingedrungen“, sagt Franz-Theo Gottwald. Sehr viele Menschen wissen, was gesund und ökologisch vertretbar ist. Sie wissen, dass die persönliche Art der Ernährung nicht nur das eigene körperliche Wohlbefinden und die eigene Gesundheit, sondern auch Gesellschaft, Natur und Umwelt tief greifend beeinflusst. Dieses Wissen lässt sich nicht immer mit Zeit- und Geldbudget übereinbringen, aber immer häufiger ist jeder Einzelne bereit, etwas für sein gutes Gewissen zu tun. Und ein Teil der höheren Kosten für Lebensmittel aus dem Hofladen oder vom Markt kann durch bewusstes Einkaufen eingespart werden. Wer gezielt auswählt, muss später weniger wegwerfen.

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In der Marke „regional“ sieht Gottwald ein großes Vermarktungspotenzial „jenseits der Kontroverse konventionell versus bio“. Die Struktur von Hofläden und Wochenmärkten in Deutschland hält er zwar für gesättigt. Ein Wachstum sei jedoch bei Bio-Supermärkten und regionalen Produkten im konventionellen Einzelhandel zu beobachten.

Diesen Trend bestätigen die Zahlen einer aktuellen Online-Umfrage des Marktforschungs-Instituts Skopos: Danach würde sich eine Drittel der Befragten zum Kauf eines Produktes entscheiden, wenn es mit dem Siegel „aus der Region“ versehen ist. Dagegen bewerten lediglich 17 Prozent ein „Bio“-Siegel als Kaufanreiz.

Susanne Hüsgen und Julia Trimborn sind zufrieden mit dem Verkauf in ihren Hofläden. Ein Boom sei nicht zu verzeichnen, aber eine kontinuierliche Nachfrage. Und auffällig sei, das sagen beide: Es kommen nicht mehr nur ältere Menschen aus der Nachbarschaft, sondern auch viele junge Leute. Sie haben gelernt, den Geschmack von hausgemachtem Eierlikör oder liebevoll herangezogenen Tomaten wieder zu genießen.

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