Bier für GenießerCraft Bier in Köln kosten

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Biere der Kölner Braustelle in Ehrenfeld.

Biere der Kölner Braustelle in Ehrenfeld.

Köln – Um Missverständnisse gleich auszuschließen: Craft Bier hat nichts mit Kraft zu tun. Das Wort bedeutet auf Englisch „handwerklich gemacht“. Eine feste Definition gibt es nicht. Die Szene besteht aus kreativen Brauern, die immer neue Zusammensetzungen für ihre Biere austüfteln und eigenständig kleinere Mengen herstellen. Auch einige große Firmen wie die Radeberger-Gruppe und Bitburger mischen mit „Braufactum“ und „Craftwerk“ mit. Die Macher lassen die Biere ungefiltert, ändern das Hopfen-Malz-Wasser-Verhältnis oder experimentieren mit Früchten, Kräutern und Gewürzen. Ganz wichtig: Die Lebensmittel werden mitverbraut und nicht später hinzugefügt.

Braumeister Peter Esser von der „Braustelle“ in Köln hat für „Pink Panther“ zum Beispiel Hibiskusblüten genutzt, die das Getränk pink einfärben. Ein Waldmeisterbier ist in Planung. Er lässt auch Biere in alten Wein- und Whiskeyfässern reifen, um ihnen zusätzliche Aromen zu verleihen. Bier-Sommelier und Brauer Fritz Wülfing von „Ale-Mania“ in Bonn bietet ein Bier mit Koriandersaat an, aus Valencia stammt „Er Boqueron“, das mit salzigem Meerwasser gebraut ist.

Deutsches Reinheitsgebot

Dieses Ausprobieren und Wildern in anderen Branchen ist typisch für die Craft-Bier-Szene. Es gibt so gut wie keine Vorschriften, die eingehalten werden müssen. Einzige Regel: Ein in Deutschland gebrautes Bier darf sich offiziell nur dann Bier nennen, wenn es das deutsche Reinheitsgebot erfüllt, also ausschließlich Wasser, Hopfen, Hefe und Malz enthält. Auch die englische Bezeichnung „beer“ wäre eine Umgehung. Trotzdem bleibt Spielraum für Veränderungen. Da die Mengenverhältnisse nicht festgelegt sind, entsteht zum Beispiel mit etwas mehr Hopfen schon ein ganz anderer Geschmack. Enthält das Getränk weitere Zutaten, bekommt es einen anderen Namen. So erklärt sich, warum einem bei Craft Bieren oft Ales, Porters und Stouts begegnen.

Trend kommt aus USA

Wie so oft stammt der Trend aus den USA. „Offenbar hatten die Leute es dort satt, immer nur Miller und Anheuser Busch zu trinken“, vermutet Peter Esser, der als Craft-Bier-Vorreiter in Köln gilt. In seinem Gasthaus gibt es acht Sorten handgemachtes Bier vom Fass. Beim Essen schauen die Gäste auf die Brau-Bottiche. Etwa 500 Hektoliter stellt er jährlich her, Tendenz steigend. „Der Wunsch nach handwerklich gut Gemachtem ist da, die Leute wollen auch bei Getränken weg von Industrieprodukten“, hat er festgestellt.

Auch Fritz Wülfing, der hauptberuflich als Verfahrenstechniker bei T-Systems arbeitet, kann die Nachfrage in seiner Brauerei „Ale-Mania“ kaum bewältigen. Er freut sich über das neue Interesse: „Bier hat so viel Potenzial und verdient mehr Wertschätzung. Es kann so vielfältig sein wie Wein.“

Szene wächst langsam

Die Nachfrage wächst zwar, doch sie tut es mit deutscher Behäbigkeit. Andere europäische Länder wie Spanien, Frankreich und vor allem Italien waren sehr viel schneller mit der Etablierung der Craft-Bier-Szene. Im Jahr 2006, das als Startpunkt der Craft-Bier-Bewegung gelten kann, waren beim Deutschen Brauer-Bund 822 Braustätten gemeldet, die bis zu 5000 Hektoliter jährlich produzieren und damit als klein gelten. Im Jahr 2013 waren es 924. Es sind also in sieben Jahren nur 102 Anbieter dazu gekommen.

Kleine Brauereien

Die kleinen Brauereien liefern laut Marc-Oliver Huhnholz vom Deutschen Brauer-Bund derzeit weniger als ein Prozent der Gesamtmenge Bier in Deutschland. „Die Vielfalt wurde zwar erweitert, aber nicht die Menge. Eine große Konkurrenz zu den etablierten Märkten sehen wir bisher nicht“, sagt er. Auch im Rheinland hat sich Craft Bier noch nicht richtig durchgesetzt. Fritz Wülfing erhält die meisten Bestellungen aus Berlin und Hamburg. Peter Esser meint: „In Köln geht die Entwicklung sehr langsam voran. Man muss echt suchen, wenn man mal kein Kölsch trinken will.“

Und wie schmeckt das handgemachte Bier?

Jedes anders. Das ist zugleich das Tolle und das Verwirrende: Man weiß nicht, was man bekommt. Einige sind frisch und spritzig, viele eher vollmundig und schwer, manche süß, manche bitter. Selbst die Hersteller wissen im Voraus nie ganz genau, was sie produzieren werden. „Spontaneität ist wichtig. Was hat gerade Saison? Was haben wir noch da? Unser Bier schmeckt im Sommer anders als im Winter“, beschreibt Fritz Wülfing seine Arbeit.

Lust auf Experimente

Es ist diese Lust am Experimentieren, aber auch der Zusammenhalt, der die Szene ausmacht. „Hinter Craft Bier steckt oft eine kreative Idee und eine schöne Geschichte. Wir unterstützen uns gegenseitig“, sagt Peter Esser. Den großen Firmen mit ihrer Craft-Bier-Sparte traut man diesen Enthusiasmus nicht zu. Sie haben zudem den echten Nachteil, dass das Experimentieren in großen Anlagen schwieriger ist, weil zum Beispiel ein erhöhter Hopfenanteil die Leitungen verstopfen würde.

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