Der Oster-Klassiker13 Sorten Eierlikör im Test, Prost!

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Likörtest

Ein Klassiker wird ausgeschenkt: Die Redaktion testet zehn Sorten Eierlikör.

Köln – Ein Gespräch über Wein in genussfreudiger Runde anknüpfen? Eine Selbstverständlichkeit. Mode-Gins durchnehmen? Über Rum fachsimpeln? Gefällig. Aber fangen Sie mal einen Smalltalk mit Eierlikör an! Da lauern die echten Überraschungen.

Ostern schien uns ein gebührender Anlass, verschiedene Eierliköre aus Supermärkten zu verkosten. Tragende Unterstützung beim Magazin-Test gab Master of Wine und Magazin-Wein-Kolumnistin Romana Echensperger. Wichtigstes Resultat der Verkostung: Ein Eierlikör muss nicht das eindimensionale Geschmacksbild zeigen, dass man heimlich schon von ihm erwartet. Gute Qualitäten zeigen ein erstaunlich vielseitiges und interessantes Aromenspektrum.

Was, woher, warum

Eierlikör ist ein sogenannter Emulsionslikör aus Alkohol (Branntwein), Zucker und frischem Hühnereigelb. Wird eine Flasche geöffnet, lagert man sie am besten kühl und verbraucht sie innerhalb von sechs Monaten. Serviert wird Eierlikör in einem Likörglas, optimal ist eine Trinktemperatur von etwa 10-12 Grad – also nicht direkt aus dem Kühlschrank. Der Urvater des Eierlikörs ist der Legende nach ein Getränk namens Abacate, das im 17. Jahrhundert bei Ureinwohnern im Amazonasgebiet des heutigen Brasiliens von Entsandten der Kolonialmächte – den Niederlanden und Portugal – entdeckt wurde. Abacate heißt Avocado – aus der Frucht war das Getränk gemacht. Unter Beimischung von Rohrzucker und Rum entstand bald der „Advocaat“. Er soll die Vorform des heutigen Eierlikörs gewesen sein, und die Bezeichnung findet sich immer noch auf den Etiketten vieler Hersteller. Nach Darstellung des Produzenten Verpoorten wollte der aus Antwerpen stammende Unternehmensgründer Eugen Verpoorten den Advocaat nachahmen, allerdings ohne die in hiesigen Breiten kaum verfügbare Avocado. Wie er genau von Avocado zum Ei kam, wissen wir nicht, aber die Idee hat überdauert.  Verpoorten gründete sein Eierlikör-Unternehmen 1876.

Das Überraschungsei: Original Humbel Eierlikör

Humbel

Der Likör von Humbel konnte überzeugen.

Bio-Produkt aus der Schweiz macht erstmal skeptisch, denn der relativ flüssige Likör zeigt einen grüngrauen Ton im eigentlich erwarteten Eierlikörgelb. Die trüben Mienen hellen sich aber schnell auf, denn schon im Duft allein ist er schlagend: Eine fruchtige Obstlernote – Birne und Aprikose werden genannt – machen ihn attraktiv. Im Mund geht es weiter mit dezenter Eiernote, präsenter, aber nicht wuchtiger Süße, einem Ton von Rose, gebrannter Mandel, sachtem Marzipan. Die Textur ist samtig, erinnert an Zabaione, der niedrigere Alkoholanteil von 16 Prozent ist perfekt gewählt für das feine Aromenspiel. Setzen Sie den Ihren Gästen vor, und alle werden staunen. Ein Überraschungsei. 0,35 Liter – 10 Euro (Sonderangebot) bei Temma

Der Herbe: Bols Advocaat

Bols Advocat

Bols Advocaat stellt sich als herber Eierlikör heraus.

Tatsächlich, Bols kann nicht nur Curaçao Blue. Und der hellgelbe, weich-viskose Eierlikör des niederländischen Herstellers zeigt, was an Aromenvielfalt bei dieser vermeintlich schlichten Spirituose machbar ist. Ausgewogen verbinden sich darin Töne von Omelett, sahnig-quarkiger Frische, Vanille und – aufgepasst, das beeindruckt uns mächtig – Wacholder. Die zurückhaltende Süße wird von Puderzuckergeschmack getragen, trotzdem ist eine zarte Salzigkeit und Herbe am Gaumen. Das nennen wir jetzt mal etwas altbacken maskulin. Die 20 Prozent Alkohol bleiben im Hintergrund als stabiles Gerüst, vorne wirkt die Frische animierend. Ein verblüffender Trinkgenuss. Gelb schlägt Blau. 0,5Liter – 7,99 Euro z. B. bei Galeria Kaufhof

Der Schmeichler: Walcher Bombardino

Walcher eierlikör

Schicke Flasche, samtiger Geschmack: Der Walcher Bombardino aus Südtirol schmeichelt dem Gaumen.

Dieser „Liquore all’uovo“ ist ein mangofarbener, samtfließender Augenschmeichler in schöner Flasche aus der Südtiroler Brennerei Walcher. Er enthält 17 Prozent Alkohol und ist mit Rum hergestellt, was sich sowohl im Duft als auch im Geschmack deutlich zeigt. Mit angenehmer Süße finden sich darin Malaga-Rosine, Vanille, getrocknete Feige, Ei und Orangenzeste. Die Textur ist cremig, fast schon massig im Mund. Das ist einigen in der Verkostungs-Runde schon zu viel der Dickflüssigkeit. Dennoch wirkt der Likör nicht unmittelbar sättigend, sondern macht neugierig auf den zweiten Schluck. Und lullt uns weiter ein mit seiner vielleicht etwas zu sehr gewollten Eleganz. Aber der will eben was. 0,7 Liter – 16,99 Euro im gut sortierten Handel

Der Klassiker: Verpoorten Original

Verpoorten Original

Das allseitsbekannte Original von Verpoorten.

Gefühlt naturgemäß probiert man den Platzhirsch des in Bonn ansässigen Unternehmens wie einen alten Bekannten, selbst wenn der letzte Kontakt im letzten Jahrhundert liegt. Das Produkt ist hellgelb, hat eine hohe Viskosität, wirkt cremig-sahnig und bekommt sicher nicht nur von den Teilnehmern an diesem Test einen Geschmackserinnerungsbonus aus Zeiten, in denen man noch überhaupt nicht Alkohol-mündig war. Im Mund ist er frisch, erinnert mit seinem zart-brandigen Ei-Ton und etwas Vanille an Creme Caramel. Der Alkoholgeschmack, der an Weinbrand und Kirschwasser denken lässt (Alkohol 20 %), ist gut eingebunden. Ein rundes Geschmackserlebnis mit Klassiker-Appeal. 0,35Liter – 5,99 Euro im Supermarkt

Der Willige: Gold Advocaat Eierlikör

Gold Advocaat Eierlikör

Der Name ist Programm. Eierlikör von Gold Advocaat.

„Nach geheimer, traditioneller Rezeptur“ steht auf dem Etikett zu lesen. Das mache, meinen die Hersteller ja gerne, den Mythos eben aus. Aber so ist das nicht. Bei diesem Likör könnten böse Zungen nämlich behaupten, das Rezept hätte auch auf immer in der Versenkung verschwinden können mit seinem Geheimnis, denn der Alkohol (20%) brennt hier stechend aus dem dickflüssigen, beinahe pastigen Likör. Aber das wäre arg harsch. Denn auf der Haben-Seite sind ein deutlicher Geschmack nach gekochtem Ei und – ja, doch –  Vanille-Aroma zu verbuchen. Und das hat schließlich nicht jeder zu bieten. Siehe Geheimnis. 0,7 Liter – 3,99 Euro bei Lidl

Fünf weitere Testurteile auf der nächsten Seite

Süß und Schnapsig: Nordbrand Nordhausen Henriettes Eierlikör

Henriettes Nordbrand

Henriettes Eierlikör von Nordbrand.

Der quietschgelbe Mini des Produzenten aus dem Harz –  was gibt’s jetzt da zu lachen? – ist wohl für die Handtasche gedacht, und zugegeben: So ein 0,7-Liter-Trum macht sich unterm Arm nicht praktisch. Das war’s dann aber auch schon an Kaufargumenten. Denn Henriette kann sich maximal bei Enthusiasten mit sehr, sehr hoher Süß-Toleranz beliebt machen, die sich an Industrie-Alkohol-Geschmack (20 %) nicht weiter stören. Im Fazit ist das ein flacher, eindimensionaler Eierlikör. Süßer Schnaps halt. 0,1 Liter – 1,39 Euro bei Netto

Ein Angebot: Gutshaus Advocaat Eierlikör

gutshaus eierlikör

Der Eierlikör von Gutshaus Advocaat.

Dieser Discounter-Likör steht kurz vorm Treppchen, aber der überstarke, sprittige Alkoholeidruck schon im Duft schmälert dann doch seine Lorbeeren. Trotzdem: reingeschmeckt und komplexe Aromen gefunden. Auf dem mittelflüssigen Trinkbett liegen Eindrücke von Mandel, Mocca, feinem Ei, rechtschaffener Süße; er erinnert an Amaretto. Das Mundgefühl ist gefällig, die Konsistenz schön, aber der Alkohol (20%) sticht im Rachen. Im Resümee gut und günstig – das ist doch ein Angebot. 0,7 Liter – 3,99 Euro bei Netto

Blass und trinkfreundlich: Kronenhof Advocaat Eierlikör

Kronen Eierlikör

Der Kronenhof Advocaat Eierlikör.

Im Ton leicht orange, in der Nase unauffällig – so der erste Eindruck. Wer lange und zugewand  sucht, findet etwas nussiges. Zurückhaltend auch der Geschmackseindruck: Zwar angenehm weich und mundfüllend, aber vornehmlich süß. Der Kronenhof Advocaat geht mit nur 16 Prozent Alkohol nicht so forsch nach vorne wie die meisten Konkurrenzprodukte – dadurch wirkt er erstmal einnehmend. Aber es fehlt ihm an Aromenkontur. Allein die Süße steht im Vordergrund, das Grundprodukt Ei erahnt sich nur fern. Etwas blass, aber trinkfreundlich. 0,7Liter – 3,99 Euro bei Rewe

Ambitioniert: Dwersteg Organic Eier-Liqueur

Organic Eierlikör

Die Bio-Version des Eierlikörs.

Der Familienbetrieb Dwersteg produziert im Münsterland mit Qualitäts-Ambition und  in bio – das ist bei Spirituosen immer noch eine Rarität. Uns stellt er einen grellgelben, pasteusen Likör auf den Tisch. Auf Spirituosen müssen laut Gesetz die Zutaten nicht gelistet sein, hier bekommt man sie trotzdem. Das finden wir gut. In der Nase zeigt sich Vanille und Gebäck, bei den Aromen kommt die Vanille dann sehr dominant ins Spiel, gekochte Eier und Marzipan folgen. Der Alkohol (20 %)  ist am Gaumen gut eingebunden. Im Mund wirkt die Textur schaumig, der Gesamteindruck ist zu süß, das lässt den Likör etwas plump wirken. Wir wünschen uns mehr Eleganz bei diesem Eigenanspruch und diesem Preis.  0,5Liter – 16,49 Euro bei Basic Biosupermarkt

Der Sattmacher: Rendezvous Premium Eierlikör „vollmundig“

Rendevouz premium Eierlikör

Der„vollmundige“ Rendevouz Premium Eierlikör.

Der Geschmackseffekt von Eierlikör ist durch die oft heftige Süße und die schmelzige Textur unmittelbar und stark; feine Aromen gehen darin leicht unter, und im ersten Eindruck könnte man meinen, das sei doch irgendwie alles das gleiche. Dabei können die Unterschiede doch enorm sein. Dies ist beispielsweise ein blassgelber, dicker, fast Pudding-artiger Likör-Vertreter. Scharfer Alkoholgeruch in der Nase, im Aroma gekochtes Ei, heftige Süße, sättigend und plump. Ein eindimensionales Geschmackserlebnis mit starkem Alkoholeindruck (20%) und pappigem Touch. 0,7 Liter – 3,99 Euro bei Edeka

Der Blender: Toni´s Freilandeier - Toni´s Feiner Eierlikör

Toni`s Eierlikör

Außen hui, innen: naja. Der Eierlikör von Toni macht als Blender auf sich aufmerksam.

Wir geben es ja frei heraus zu: Diesen Eierlikör vom Österreicher Hersteller wollen wir eigentlich ganz arg mögen. Optisch schon schneidig in der Henkelflasche, außergewöhnlich heller, fast milchiger Likör drinnen – spannend (und knackig im Preis noch dazu). Ein Blick auf die Homepage. Da liest es sich von happy Hühnern, Freilandeiern, Fair-Trade-Vanille und Bio-Alkohol (Stroh Rum) aus dem Weinviertel. Wir sind wohlgestimmt, malen uns schon das Eierparadies aus. Die Verkostung ist aber ernüchternd. Der Alkoholeindruck (16 %) ist billig und brennend, der Geschmack kurz und blass: wenig Ei-Aroma, dünn-vanillig, im Nachhall etwas bitter. Tja, da machen alle erstmal ein langes Gesicht. 0,5 Liter – 16,99 Euro z.B. bei Galeria Kaufhof

Alles im Übermaß: Van Veen Advocaat Eierlikör

Van Veens Eierlikör

Der Eierlikör von Van Veen überstrapaziet die Geschmacksnerven.

Die Viskosität des Likörs wirkt hier leichter als bei den unmittelbaren Vorgängern, aber in der Nase zeigt sich bereits ein aggressiver Alkoholdunst. Den Geschmack trägt ein intensiver Eindruck von gekochtem Ei und üppiger Süße, der Alkohol (20 %) sticht deutlich heraus. Es gibt ein allgemeines Übermaß, aber keinen Zusammenhalt im Produkt – das Geschmacksbild bricht am Gaumen auseinander. Negativ fällt besonders die chemische Anmutung auf, die einige Testerinnen sogar an Nagellackentferner erinnerte. Eignet sich besser zur Verarbeitung in Gebäck als zum puren Genuss. 0,7Liter – 3,99 Euro bei Penny

Der Dicke: Bastei Advocaat Eierlikör

Bastei Eierlikör

Der Eierlikör von Bastei.

Der Knatschgelbe von Bastei gibt den Ketchup unter den Likören: Man muss ihn aus der Flasche schütteln. Kein Witz. Das sorgt schon für einige Lacher und Spannung, was kommt. Angenehm ist die gebändigte Süße und eine präsente Eier-Note. Der Alkohol gibt aber einen chemischen brennenden Ton und die Konsistenz ist einfach zu erschlagend, als dass man noch einen zweiten Schluck abbeißen wollte.  Eben eher eine Mahlzeit als ein Getränk. 0,7Liter – 3,99 Euro bei Aldi

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