„Kollegen waren fassungslos“Wie es dem „Alfredo“-Chef nach dem Verlust seines Michelin-Sterns geht

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Roberto Carturan steht in der Küche seines Restaurants Alfredo.

Roberto Carturan ist Inhaber, Küchenchef und Gastgeber des Restaurants „Alfredo“, das nach 13 Jahren seinen Stern verloren hat.

Ein Kölner Klassiker hat seinen Stern verloren: Das „Ristorante Alfredo“ gibt es seit 1973, seit 2011 hat es einen Stern. Ein Interview mit Inhaber und Küchenchef Roberto Carturan.

Herr Carturan, wie geht es Ihnen?

Roberto Carturan: Sehr gut, wir hatten über die Ostertage einen schönen Urlaub am Tegernsee. Das Wetter war gut, und hervorragend gegessen haben wir auch.

Carsten Henn

Carsten Henn

Carsten Henn, geboren 1973 in Köln, besitzt einen Weinberg an der Terrassen-Mosel, hält Hühner und Bienen und teilt sein Leben mit Katzen. Er arbeitete nach seinem Studium (unter anderem Weinbau) als ...

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Haben Sie sich davon erholt, Ihren Michelin-Stern verloren zu haben?

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Die ersten zwei, drei Tage war da natürlich Enttäuschung, man ist ja auch eitel, und fragt sich, was die Leute denken mögen. Natürlich ist das auch eine kleine Niederlage, aber ich komme vom Boxsport da lernt man wieder aufzustehen. Man muss sowas einfach akzeptieren. Die Betriebsferien kamen zeitlich sehr gelegen, frische Luft schnappen, einen klaren Kopf bekommen. Aber es ist ja niemand gestorben, auf der Welt gibt es viel schlimmere Dinge. Man muss es auch relativieren, da ist nur ein Stern weg. Ich mache mir da nicht zu große Sorgen. Wir sind über 50 Jahre da, wir müssen nicht beweisen, dass wir Kontinuität haben.

Haben Sie damit gerechnet, den Stern in diesem Jahr zu verlieren?

Nein, es gab mal ein Jahr vor Corona, da dachte ich, es könnte eng werden, da hatten wir Mitarbeiterprobleme und ich war nicht so kreativ. Aber dieses Jahr? Wir haben uns personell verstärkt, an Details gefeilt, wir haben aufgerüstet. Es gab im letzten Jahr keine Phase, wo es nicht gepasst hat.

Sind Sie wütend?

Nein, es gibt keinen Groll gegen Tester. So sind die Spielregeln, mal läuft es so, mal so.

Erinnern Sie sich denn noch daran, als der Tester da war?

Ich habe in all den Jahre nie etwas mitbekommen. Nix gemerkt, nix gehört.

Wie war es für Sie, von der Abstufung zu erfahren?

Ich hatte mir keine Gedanken über eine Abwertung gemacht, hatte es ja nicht für möglich gehalten. Die Gäste an dem Abend wussten es nicht, und ich habe mir auch nichts anmerken lassen, man ist da ja professionell. Nur einem Stammgast habe ich es anvertraut, der konnte es gar nicht glauben. Meine Jungs in der Küche waren geknickt, die hatten sich echt reingekniet über viele, viele Monate. Ich hab ihnen zu verstehen gegeben, dass ich nichts an ihnen zu kritisieren habe. Es war auch das beste Jahr in unserer Geschichte – also geschäftlich gesehen.

Gab es nach der Michelin-Bekanntgabe Mails und Anrufe von Gästen?

Ja, viele Mails mit Buchungen, die darauf Bezug nehmen und sagen: Wir kommen trotzdem. Viel aufmunterndes Feedback. Liebe Kollegen waren fassungslos, Vincent Moissonnier hat dreimal geschrieben, er verstehe es nicht, auch die MaiBeck-Jungs haben sich gemeldet.

Wird sich jetzt etwas ändern im Alfredo?

Nein, natürlich ändert sich nix. Wir wollen weiterhin gut arbeiten. Dem einen gefällt es bei uns, dem anderen nicht. Die konservative Nische, in der wir Gastronomie betreiben, möchte ich beibehalten. Auch junge Leute finden diesen gediegeneren Rahmen manchmal ganz schön. Ich mach es weiterhin so, wie ich das gern möchte. Ich muss ja mit dem glücklich sein, was ich mache.

Befürchten Sie jetzt weniger Buchungen?

Von meinen Stammgästen würde mir niemand einfallen, der abtrünnig würde. Es gibt Menschen, die gehen nach Sternen und Bewertungen, aber nicht der Stammgast. Der Tourist schaut natürlich in Restaurant-Führern nach, und da hat man mit Stern sicherlich einen Vorteil.

Denkt man bei so einer Bewertung auch mal einen Moment daran aufzuhören?

Eigentlich hat mir diese Geschichte bewusst gemacht, wieviel Spaß es mir immer noch macht Leute zu bekochen. Und ich bin wirklich gerne Gastgeber, bin auf der Bühne. Mein Arzt sagt: du machst am besten so lange wie du kannst, hörst du auf, wirst du krank.

Was würden Sie einem Michelin-Inspektor vorsetzen, wenn Sie die Speisen auswählen dürften?

Immer ein Risotto, auf jeden Fall, ist ja etwas, das ich besonders gerne pflege. Dann eher Fisch- als Fleischgerichte. Oder zum Beispiel die wunderbaren roten Wildgarnelen aus Sizilien, die wir gerade bekommen haben, roh mariniert, ein tolles Gericht. Auch Erbsen und Venusmuscheln sind jetzt da, eine richtig schöne Saison für uns!

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