Tiere online kaufen„Das Schlimmste ist, dass die Leute einfach nicht nachdenken“

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Ein kleiner Chihuahua-Welpe.

Herr Schinzel, wie häufig werden in Ihrem Heim Tiere abgegeben, die zuvor übers Internet gekauft wurden?

Das genaue Intervall ist schwierig zu benennen, aber in der letzten Zeit passiert das bei fast jedem Tier, das wir bekommen. Die Tiere werden über bestimmte Plattformen, wie ebay-Kleinanzeigen oder mein-tier.de, erworben und kommen später hierher, weil sie in irgendeiner Form nicht funktionieren.

Weiß man genau, woher die Tiere kommen?

Das ist das Problem. Im Internet tummeln sich so viele Menschen und Privatleute, die aus den verschiedensten Gründen ihre Tiere abgeben müssen. Es gibt aber auch viele Händler aus Osteuropa, die hier Hundewelpen anbieten. Die Bilder von den Tieren sind dann ein Blickfang. Wenn Sie ein Körbchen mit französischen Bulldogge-Welpen sehen, sind Sie ganz schnell verliebt und rufen mal eben den Händler an. Der Haken ist, dass die Leute, die ihre Tiere im Internet anbieten, keine lästigen Fragen stellen. Wir dagegen fragen immer nach den Rahmenbeding-ungen: Wie viel Zeit ist da, ist schon mal ein Tier dagewesen, liegt Erfahrung vor, was sagt der Hauseigentümer zur Tierhaltung? Im Internet zählt vor allem das Geld. Entweder die Leute wollen ihr Tier loswerden, zum Beispiel wegen Allergie, Trennung oder Wohnungsverlust – oder sie wollen Geld verdienen. Es wird nicht viel nachgefragt. Derjenige, der was haben möchte, macht ja immer erstmal einen netten und freundlichen Eindruck.

Sind die Tiere online denn günstiger als anderswo?

Ein seriöser Züchter nimmt definitiv mehr Geld als die Leute, die im Internet inserieren. Und auch seriöse Tierschutzvereine erheben eine Schutzgebühr. Die beinhaltet dann unter anderem meistens die Kastration, den gesetzlich vorgeschriebenen Mikro-Chip, die Vollschutzimpfung, die Entwurmung und eben den Nachweis, woher das Tier stammt.

Was genau fehlt den Tieren, die über das Internet gekauft und dann bei Ihnen abgegeben werden?

Die Tiere, die hier ankommen, kriegen wir meistens ohne Impfpässe. Die Besitzer sagen dann, dass sie den nachschicken werden, wir erhalten so etwas aber fast nie. Es ist also oft sehr schwierig, an Papiere, Impfpässe und Ähnliches zu kommen.

Wie alt sind die Tiere in der Regel?

Unterschiedlich. Das können sowohl ausgewachsene und ältere Tiere als auch Welpen sein. Wir hatten zum Beispiel eine ganz nette Golden-Retriever-Hündin, die als Fundhund reingekommen ist. Wenig später kamen die Besitzer, die Hündin hatte erst zwei Tage bei ihnen gelebt. Sie hatte zuvor wohl einer älteren, verstorbenen Dame gehört, deren Hinterbliebenen den Hund übers Internet für 50 Euro verkauft haben. Die neuen Besitzer haben den Hund an der Wohnungstür übernommen, kein Schutzvertrag, kein Impfpass. Man hatte ihnen gesagt, der Hund gehorche aufs Wort – also haben sie ihn frei laufen lassen. Der Hund hat ja aber noch gar keine Bindung aufgebaut: Er war zehn, zwölf Jahre bei einer älteren Dame, die Angehörigen geben ihn ab – warum soll er jetzt auf fremde Menschen hören? Der weiß ja gar nicht, dass das jetzt seine Menschen sind.

Tiere online kaufen - Katze 18416

Eine junge Katze sonnt sich im Gras.

Werden überwiegend Hunde übers Internet gekauft?

Alle Tiere. Das geht durch das ganze Spektrum der Haustiere. Bei Hunden ist das sehr gängig, immer mehr auch bei Katzen. Häufig handelt es sich dann auch um Auslandskatzen, also Tiere oder ganze Würfe, die aus dem Ausland aufgekauft werden. Erst vor kurzem haben wir einen Wurf von sieben Jungkatzen bekommen, die aus der Türkei nach Deutschland gebracht worden sind und hier über das Internet verkauft werden sollten. Weil die Türkei aber kein EU-Mitgliedsland ist, wurden die Tiere von Zollbeamten abgefangen und mussten hier in die Quarantäne. Jetzt müssen sie drei Monate bleiben und die Leute, die sie hergebracht haben, um Geld zu machen, werden sie nicht wieder abholen – das würde zu teuer werden.

Was ist aus Ihrer Sicht das größte Problem am Internethandel?

Das Schlimmste ist, dass die Leute nicht nachdenken. Die kaufen einfach, weil das Tier so süß ist. Aber man muss doch gucken, was dahintersteckt, wo der Hund herkommt. Wenn ich das Muttertier nicht sehen darf, nicht weiß, wo das Tier geboren wurde, wo es groß geworden ist, dann kaufe ich das Tier nicht. Die Verkäufer wollen nur Geld machen. Vor fünf Tagen haben wir einen Chihuahua-Welpen bekommen, der über das Internet an Menschen in Köln verkauft worden ist – als angeblich acht Wochen alter Welpe. Der ist nicht viel größer als eine dicke Maus und maximal vier oder viereinhalb Wochen alt. Das heißt, er muss noch bei seiner Mutter bleiben. Es gab einen ungarischen gefälschten Impfpass. Dieser Hund ist wahnsinnig frustriert und traurig, er ist nach einem Besuch beim Tierarzt gemeldet und dann vom Veterinäramt der Stadt Köln sichergestellt worden – er darf ja eigentlich noch gar nicht über die Grenze kommen, in vielen osteuropäischen Ländern gibt es noch eine höhere Tollwutgefahr. Sein Besitzer sagte, es seien mehrere Welpen gewesen, alle wurden verkauft. Die arme Mutter-Hündin, die ihre Welpen zu früh verloren hat; die armen Welpen, die ihre Mutter und die Milch noch brauchen; die Geschwister, mit denen sie lernen, soziales Verhalten zu etablieren. Das alles fällt jetzt flach. Es ist ganz, ganz furchtbar, was man den Tieren damit antut.

Also ist Ihre Empfehlung, vorher das Tier zu besuchen und die Züchter und die Lebenssituation der Tiere kennenzulernen…

…oder zu uns ins Tierheim zu kommen. Wir Tierheime sind voll mit vielen, wunderbaren Hunden – es muss ja nicht immer ein Welpe sein. Man kann jeden Hund hier kennenlernen, indem man tage- oder sogar wochenlang regelmäßig herkommt und mit seinem eventuellen, neuen Tier spazieren geht. Einfach um zu gucken, ob man kräftemäßig und auch vom Gefühl zu dem Hund findet. Oder man kann sich die Katzen und die anderen Tiere hier anschauen, man kann mit den Pflegern sprechen, man kann sich aufklären – übers Internet geht das in der Regel nie.

Sie raten also grundsätzlich vom Kauf über das Internet ab?

Grundsätzlich, ja. Auf jeden Fall.

Das Gespräch führten Lotta Duden und Malika Jakobs-Neumeier

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