FussballDie lustigen Erfolglosen

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Torwart Rohloff bekam zwar fast nach allen Spielen Bestnoten. Tasmania Berlin konnte er aber nicht davor bewahren, erfolgloseste Bundesliga-Mannschaft aller Zeiten zu werden. (Repro: Sprothen)

Torwart Rohloff bekam zwar fast nach allen Spielen Bestnoten. Tasmania Berlin konnte er aber nicht davor bewahren, erfolgloseste Bundesliga-Mannschaft aller Zeiten zu werden. (Repro: Sprothen)

Bad Münstereifel-Mahlberg – Der Rekord wurde auch diesmal nicht geknackt und wird Heinz Rohloff wohl auf ewig erhalten bleiben. Rohloff, heute 71 Jahre alt, hütete in der Fußball-Bundesliga-Saison 1965 / 66 das Tor von Tasmania Berlin. 8:60 Punkte und 15:108 Tore - eine derartig niederschmetternde Serie wird wohl keinem Verein in der Königsklasse mehr gelingen. Rohloff war Keeper der erfolglosesten Bundesliga-Mannschaft aller Zeiten, sieht das heute aber mit Humor: „Wir waren zwar nicht die Besten, aber die Lustigsten.“

Nach dem Ende seiner sportlichen Karriere wurde Rohloff erfolgreicher Manager in der Computerbranche. Er arbeitete unter anderem in Berlin und Aachen. Als er vor zehn Jahren in den Ruhestand ging, zog er wegen der guten Landluft mit seiner Frau Hilka nach Mahlberg. Das Ehepaar lebt dort mit einer Katze und zwei Hunden in einem schmucken Einfamilienhaus und erfreut sich an der herrlichen Landschaft: „Meine Frau war noch nirgendwo so glücklich wie hier.“

Anekdoten wie am Fließband

Rohloff schwingt heute lieber in Euskirchen den Tennisschläger, als die Fußball-Bundesliga zu verfolgen. Das sagte er zumindest bei einer Stippvisite des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Nach seiner Zeit bei Tasmania befragt, sprudelten die Anekdoten allerdings nur so aus ihm heraus.

Auch hat er eine klare Meinung darüber, wer das Tor der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Südafrika hüten soll: „Jörg Butt. Der hat eine herausragende Saison bei Bayern München abgeliefert.“ Mitbewerber Manuel Neuer (Schalke 04) sei noch zu jung, als Torhüter verfüge man erst mit 26 oder 27 Jahren über die notwendige Erfahrung. Und der dritte für die WM nominierte Keeper Tim Wiese, sei ein „Schaumschläger“, der sich mehr durch Interviews als durch herausragende Leistungen zwischen den Pfosten von Werder Bremen hervortue.

Rohloff stand selbst kurz davor, international zu spielen. Er war Aspirant für den Torwartposten in der Jugendnationalmannschaft. „Aber das habe ich mir selbst versaut.“ Bei einem Vorbereitungslehrgang in der Sportschule Duisburg hatte sich der gebürtige Bonner schlechte Form attestiert und war eigenmächtig abgereist. Rohloff: „So was machte man mit dem damaligen Trainer Dettmar Cramer nur einmal. Danach hat er mich nie mehr nominiert.“ Der Traum des gelernten Mechanikers, Bundesliga-Torhüter zu werden, sollte dennoch in Erfüllung gehen - „wenn auch als Ritter von der traurigen Gestalt“, wie er selbstironisch anmerkt.

Mit dem Bonner Fußball-Verein (BFV) war der damals 26-jährige Rohloff 1965 Mittelrhein-Meister geworden. Der BFV-Vorsitzende beschied ihm, dass der Verein Geld brauche und den talentierten Torhüter daher verkaufen müsse. Freiburg, Schalke und Berlin waren interessiert. „Jumbo“, wie der als kleiner Junge etwas pummelige Rohloff genannt wurde, entschied sich für die Weltstadt.

Es kam allerdings anders als geplant. Er ging nicht zur Hertha, die kurz zuvor wegen unerlaubter Handgeldzahlungen an ihre Spieler zum Zwangsabstieg aus der Bundesliga verdonnert worden war, sondern zur Tasmania. Da der Deutsche Fußball-Bund unbedingt eine Mannschaft aus Berlin in der Königsklasse haben wollte, wurde der Regionalligist am grünen Tisch in die Bundesliga befördert. Tasmania überwies immerhin 20 000 Mark Ablösesumme an den BFV, Rohloff bekam das für damalige Verhältnisse fürstliche Monatssalär von 1200 Mark. Das Unheil nahm seinen Lauf.

„Die spielten keinen schlechten Fußball, waren mit einem Altersdurchschnitt von Mitte 35 aber längst über ihren Leistungszenit hinaus“, so Rohloff. „Der Aufstieg in die Bundesliga war für die Mannschaft eine Strafe.“ Die Tasmania habe wohl gedacht, mit der „Verpflichtung eines Rohloff und des schon 31-jährigen früheren Nationalspielers Horst Szymaniak, der vorher unter anderem bei Inter Mailand gespielt hatte, sei es getan“. War es aber nicht. Die Tasmania gewann zwar das Auftaktspiel im Olympiastadion vor 86 000 Zuschauern gegen den Karlsruher SC und auch das letzte Match gegen den Mitabsteiger Borussia Neunkirchen, dazwischen lagen aber vier Unentschieden und 28 Niederlagen.

Bester Mann auf dem Platz

Die Spieler waren gefrustet. Nach dem Motto „Trinken wir noch einen, dann ist das Ganze besser zu ertragen“ hielt sich die Truppe vor und nach dem Training mit Portwein bei Laune, den Szymaniak aus Italien mitgebracht hatte. Rohloff trug an der Niederlagenserie keine Schuld. Selbst nach einer 0:5-Klatsche gegen Borussia Mönchengladbach wurde der Torwart im Fernsehbericht von Ernst Huberty als „bester Mann auf dem Platz“ bezeichnet. Nach dem Abstieg hängte Rohloff noch fünf durchaus erfolgreiche Jahre in der Regionalliga bei Tasmania dran. Er erhielt als Keeper der Berlin-Auswahl den Vorzug gegenüber dem Hertha-Torhüter Volkmar Groß, der später Nationaltorwart werden sollte.

In der Nachbetrachtung bedauert Rohloff allenfalls, dass er sich 1965 nicht für einen Wechsel zu Schalke entschieden hatte. Aber trotz der Niederlagen habe auch die Zeit bei Tasmania „Spaß gemacht“. Schon wegen der finanziellen Aussichten würde er heutzutage wieder einen Vertrag mit einer Bundesliga-Mannschaft anstreben: „Angesichts der Gehälter ist das Gejammer über zwei Spiele in einer »englischen Woche« doch richtiger Pipifax.“

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