Gesundheits-Serie: Teil 3Gutes Kauen hilft dem Darm

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Die Organe des Magen-Darm-Traktes sind zusammen insgesamt ungefähr acht Meter lang. (Bild: CLIPAREA.com - Fotolia)

Die Organe des Magen-Darm-Traktes sind zusammen insgesamt ungefähr acht Meter lang. (Bild: CLIPAREA.com - Fotolia)

Ein Tapeziertisch hat eine Standardlänge von drei Metern – ziemlich mickrig im Vergleich zum Magen-Darm-System des Menschen, das „ausgestreckt“ auf die respektable Länge von fast drei Tapeziertischen, sprich acht Metern, kommt. Noch mehr Respekt ist diesen Organen zu zollen, wenn man bedenkt, was sie jeden Tag leisten müssen. Aber nicht alles, was Magen und Darm ungefragt zugeführt wird, bekommt ihnen auch. Wenn’s dem einen Organ schlecht geht, rebelliert meist auch das andere.

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Ob süß, sauer, verschimmelt, breiig oder voller Körner, Magen und Darm kriegen alles klein. Zudem sind sie ständig auf der Suche nach Keimen und Bakterien. Sobald sie fündig werden, schlagen sie vernichtend zu – zum Wohl des Menschen.

Nicht zu unterschätzen: Nahrung gut kauen

Wolfgang Kruis: „Magen und Darm gehören wie Haut und Lunge zu unseren wichtigsten Grenzflächenorganen. Sie sind extrem strapazierfähig und geschult, schädliche und gefährliche Einflüsse der Umwelt abzuwenden.“ Dabei übernimmt der Magen die Vorarbeit und der Darm vollendet das Werk, was anhand des Stuhlgangs leicht nachzuvollziehen ist. Dass bei Menschen bereits Panik aufkommt, wenn sie drei Tage hintereinander nicht zur Toilette können, sei grundlos.

„Ganz normal,“ sagt Kruis. Erst wenn die Verdauung länger ausbleibt, wenn Schmerzen auftreten, sollte man den Arzt konsultieren. Was Magen und Darm zu schaffen macht, ist oft die Kau-Faulheit der Menschen. Kruis: „Kein neuer Trend. Schon immer herrschte Hektik, und längst nicht jeder hat und hatte Zähne.“

Anstatt die Nahrung im Mund optimal zu zerkleinern, begnügen sich viele Menschen damit, ein paar mal auf dem Stück Steak herumzubeißen und es dann „halbfertig“ zu schlucken. Nun muss man nicht bei jedem Bissen bis 40 zählen, um die optimale Zerkleinerung zu erzielen, sondern es reicht, so Kruis: „Wenn ich so lange kaue, bis ich die Nahrung schlucken kann, ohne dass ich diesen Vorgang bemerke.“ Wenn also das geschluckte Essen nicht als Kloß im Hals spürbar ist oder man gar den Weg bis in den Magen nachvollziehen kann.

Zu viel Fleisch kann Darmkrebs hervorrufen

Wer zu wenig kaut, macht es Magen und Darm schwer bis unmöglich, Nährstoffe herauszufiltern und Schadstoffe abzutöten. Kruis animiert zu folgender Vorstellung: „Was im Magen-Darm-Trakt vonstatten geht, ist ein Wunder. Man stelle sich nur einmal vor, dass harte Körner auf so kleine Moleküle heruntergebrochen werden, dass sie durch die zarte Zellmembran schlüpfen und im Blutkreislauf beispielsweise bis zur Leber gelangen können.“

Körner, Rohkost, rigorosen Fleisch- und Fischverzicht kommentiert er so: „Vegetarier und Veganer tun sich nicht unbedingt einen Gefallen. Das ist maßlos übertrieben. Man riskiert unter anderm Eisenmangel, was Ursache sein kann für das Restless-Legs-Syndrom, das Menschen nachts aufgrund extrem unruhiger Beine nicht mehr schlafen lässt.“

Kruis rät allerdings von allzu häufigem Verzehr roten Muskelfleischs ab. Es ist nachgewiesen, dass das die Ursache für Darmkrebs sein kann. Ebenso wie starkes Unter- oder Übergewicht sowie Rauchen, Bewegungsarmut und zu viel Alkohol. Zuviel Alkohol fängt an bei einem täglichen Konsum von 40 Gramm Alkohol für Männer und 20 Gramm für Frauen. Zwei Flaschen Kölsch enthalten bereits 50 Gramm Alkohol. Die größte Gefahr, an Darmkrebs zu erkranken, haben Menschen, die folgende Kriterien erfüllen: falsche Essgewohnheiten, Alkohol, Rauchen, Bewegungsarmut. In den meisten Fällen kommt noch eine genetische Veranlagung dazu.

Immm mehr leiden unter Darmentzündung

„Darmspiegelungen sind die sicherste Methode, um Krebs frühzeitig zu erkennen,“ sagt Kruis. Erste Alarmzeichen sind Polypen im Darm, die wie alle Zellwucherungen bösartig werden können. Sie müssen entfernt werden. Je früher Darmkrebs erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. „Selbst wenn der Krebs gestreut hat,“ sagt Kruis. Bundesweit sinkt die Zahl der Menschen, die an Darmkrebs sterben, obwohl die Zahl der Darmkrebs-Erkrankten steigt. „Ein Beleg für die Früherkennung, aber angesichts der hohen Zahl an Patienten ein Hinweis, nicht nachlässig zu werden.“

Noch alarmierender ist die steigende Zahl der Morbus Crohn-Erkrankungen, eine chronische Entzündung der gesamten Darmwand, und Patienten mit Colitis ulcerosa, ebenfalls eine chronische Darmentzündung mit wechselweise gesunden und erkrankten Abschnitten.

Junge Menschen und auch Kleinkinder sind davon außergewöhnlich häufig betroffen. Kruis hat intensiv auf diesem Gebiet geforscht. Er schließt nicht aus, dass der übermäßige Genuss raffinierten Zuckers einer der Mit-Verursacher sein kann: „Der Konsum ist in den vergangenen Jahren extrem gestiegen.“

Info

Der Darm des Menschen ist üppig angelegt. Professor Kruis: „Ohne Dickdarm kann man noch vernünftig leben. Selbst wenn im mittleren Bereich des Dünndarms ein bis zwei Meter entfernt werden, ist das noch tolerabel. Aber die Entfernung längerer Teile des Dünndarms vor der Schnittstelle zum Dickdarm ist kritisch.“ Unter Reizdarm leiden bis zu 25 Prozent der Bevölkerung, vorrangig Frauen. Wolfgang Kruis machte eine Studie mit je 1000 Patienten in Deutschland und der Türkei, die unter vergleichbaren Darmbeschwerden litten. Bei türkischen Patienten wurde deutlich häufiger Reizdarm diagnostiziert. Verdauungsspaziergang: Der Darmschleimhaut kann man nichts Besseres bieten als Bewegung. Bakterien im Stuhl sind mehr als reichlich vorhanden. „Das ist eine Zahl mit 14 Nullen,“ sagt Kruis. Wer ein Gramm Stuhl zur Laborkontrolle versendet, der schickt Millionen von Bakterien mit auf die Reise, die sich unterwegs an Zahl und Zusammensetzung verändern.

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