Gigi CampiEine Kölner Legende ist gestorben

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Gigi Campi in seinem Lokal im WDR-Funkhaus. (Archivbild: stef)

Gigi Campi in seinem Lokal im WDR-Funkhaus. (Archivbild: stef)

KÖLN - Er war ein eloquenter Mann. Ein Eisverkäufer zunächst, der ein unbändiges Kreativpotenzialin sich trug. Gastronom, Geschäftsmann, Sozialist, Mäzen, Musikproduzent,Herausgeber einer sporadischen Publikation („Jazette“), Jazz-Verleger und Architektur-Student: Es war unglaublich,mit welcher Energie Campi Pläne, Ideen, Unternehmungen anging und sie verwirklichte.

Einmal im Jazz als Macher involviert, gab es nichts, was der gebürtige Kölner italienischerHerkunft nicht in die Tat umsetzen konnte. Er holte große amerikanische Jazzmusikernach Köln (Chet Baker, Lee Konitz). Er organisierte Produktionen und ganze Tourneen.

Und Campi gründete 1954 in Köln die erste unabhängige Jazzplattenfirma Europas, diesich ganz dem modernen Jazz verschrieb: „Mod-Records“. Ein Jahr später setzte er dasLabel „Old“ als Äquivalent für die älteren Jazzfans dagegen. Doch immer, bei allenAktivitäten oft rund um die Uhr, blieb das Eiscafé sein und aller Mittelpunkt im künstlerischenLeben Kölns.

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1949 eröffneten Gennarina Campi und ihr Sohn Pierluigi, genannt Gigi, eine Gelati-Dieleauf der Hohe Straße. Erstens gabes hier das beste Eis weit und breit, von der Zeitschrift „Stern“ in einer Umfragein der Spitze eingeordnet. Und zweitens mauserte sich das Schlecker-Etablissementzu einem Treffpunkt nicht nur der Jazz-Afficinados. Der berühmte Fotograf Chargesheimerging ein und aus. Heinrich Böll trank an diesem Ort seinen Kaffee. Caterina Valentekonnte man an Campis Theke ebenso treffen wie Trude Herr. Und es konnte einem passieren,dass man lediglich auf ein Eis vorbeikam und plötzlich die großartige US-JazzvokalistinCarmen McRae in Aktion erlebte, so geschehen 1968.

Hypnotiseur mit stechendem Blick

Andererseits zog das Eiscafé junge Jazzer an, die sich bei Campi, dessen Ruf sichals Impresario mittlerweile verfestigt hatte, positionieren wollten, beispielsweiseder Trompeter Manfred Schoof. Sein Blasinstrument-Kollege Oskar Klein erinnerte sichan eine Begegnung 1954 mit Gigi Campi (nachzulesen im Buch „Jazz in Köln“): „Damalsbestanden wir den Campi-Test, eine Prozedur, welche jeder in Köln weilende Jazzmusikerdurchmachen musste. Das ging so: man hatte erfahren, dass in einem Eissalon etwasmit Jazz laufen würde. Man begab sich dahin und wurde sofort von einem schwarzhaarigenBurschen mit stechenden Augen scharf beobachtet. Als Backgroundmusik hörte man gedämpfteSchlager bis der junge Mann eine Platte von Tristano und Konitz auflegte, diesmalmit dem Ausdruck eines Hypnotiseurs. Wenn der Musiker ruhig weiter aß, dann war erfür Gigi Campi (den damals jungen Mann) für alle Zeiten erledigt. Wenn er sich jedochwie von der Tarantel gestochen herumwarf, zwei, drei Portionen Eis zu Boden wischend,dann war er für Campi interessant und er wurde persönlich begrüßt.“

Campi, geboren am 15. Dezember 1928, begeisterte sich bereits in der Jugend für denJazz. Er lauschte heimlich, als Schüler einer italienischen Jesuitenschule, unter der Bettdecke Jazzsendungenamerikanischer Radiosender. 1948 schließlich entfesselte eine Platte von Charlie ParkerGigis Liebe zum Jazz endgültig. Sein Aktionsradius blieb nicht auf Köln beschränkt,so betrieb er in Duisburg drei Jahre lang (1953-56) das „Bohème“, wo Billie Holidayeinst auftrat. Zum zentralen Brennpunkt seines Schaffens freilich wurde in den 1950erJahren das Label „Mod-Records“, auf dem er die bedeutendsten deutschen Cool-Jazzerversammelte: Jutte Hipp, Roland Kovac oder Hans Koller. 1955 soll sich sogar der wegweisendeBigband-Leader Stan Kenton für diese Aufnahmen stark gemacht haben.

Nach der Kühle drängte es Gigi Campi in den 1960er Jahren in die Wärme. Oder bessergesagt: in die Hitze. Es begann die Zeit der Bigbands. Und Campi gelang es, ein Großorchestervon internationalem Ansehen zu formieren, das von einem genialen Arrangeur und einembedeutenden Schlagzeuger geleitet wurde – die Kenny Clarke-Francy Boland-Bigband,kurz CBBB.

Dieser Verbund hielt bis 1972, danach kam auch Campi etwas zur Ruhe. 1979 brachteer sich noch einmal in vorderste Stellung, als die Stadt Köln ein Jazzhaus in Erwägungzog, und Campi für ein „Livehouse“ nach seinen Vorstellungen und unter seiner Leitungwar. Den Zuschlag indes bekam die Initiative Kölner Jazzhaus, ein Verbund junger Jazzmusiker.

Wenn auch nicht mehr als treibende Kraft, so blieb Gigi Campi dem Jazz bis zu seinemTode verbunden. Auch als ein kritischer Geist, der nie verhehlte, wenn ihm etwas nichtpasste.

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