Gut AmtmannscherfAlter Rittersitz ist heute Reiterhof

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Teile der Mauer im Stall stammen noch aus der Zeit, in der Amtmannscherf ein Rittergut war. BILD: NEUMANN

Teile der Mauer im Stall stammen noch aus der Zeit, in der Amtmannscherf ein Rittergut war. BILD: NEUMANN

Odenthal – Nicht jeder Stall ist so solide gebaut: Ein Meter dicke Bruchsteinwände mit Schießscharten in einem Teil des heutigen Pferdestalls verraten, dass Gut Amtmannscherf nicht immer nur ein Reiterhof war. „Hier stand in alter Zeit ein Rittersitz, von Wassergräben und Wällen umgeben, der daher in alten Unterlagen noch als »Wasserburg« verzeichnet ist“, erklärt der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Manfred Link. Von der historischen Anlage, deren Überreste als Bodendenkmal eingetragen sind, ist heute nur noch wenig zu sehen - ein Problem, unter dem die Bodendenkmalpflege häufig leidet.

Denn wo viel Fantasie und historische Kenntnisse zur Rekonstruktion von Vergangenem nötig sind, wo der Denkmalwert nicht augenfällig ist, da fehlt oft auch das Interesse der Öffentlichkeit zum Schutz der Relikte.

Das Gut Amtmannscherf war der Rittersitz derer von Scherven. Deren Einfluss und Bedeutung im Umfeld der Herren von Berge war im Laufe der Zeit so gewachsen, die Zahl abhängiger Bauern und Dienstleute derart gestiegen, dass sich die Ritter nach einer größeren und sichereren Unterkunft umsahen. Ihre Wahl fiel auf ein sumpfiges Gelände oberhalb der Motte Wiebershausen im Scherfbachtal, die man laut Link als Vorgängerburg ansehen darf und die wir in dieser Serie bereits vorgestellt haben. Das Gelände wurde mit Bedacht ausgesucht. Nicht nur die massiven Mauern, Wall und Graben sollten den Rittersitz vor Feinden schützen. Auch das morastige Umland bot zusätzlichen Schutz. Noch heute, so Link, sei das Gut von sumpfigen Wiesen und der Scherf umgeben, die im Winter und nach längeren Regenfällen außer über eine kleine Brücke kaum zu überqueren sei. Die Vermutung liege nahe, so Link, dass alle in der Nähe von Burg Berge liegenden Wehr- und Wohnanlagen in der Absicht errichtet wurden, für die Herren von Berg als „Vorverteidiger“, mindestens aber als „Vorwarner“ zu dienen.

Aktenkundig wurde im Jahr 1216 ein Lambert de Scherve, 1259 Udo de Scherve und 1327 der Knappe Engelbert von Scherf. Sie alle, so vermutet Link, der auch Vorstandsmitglied des Vereins Landschaft und Geschichte ist, „standen sicherlich in Diensten der Herren von Berge“. Etwa ab 1500 war der Rittersitz im Besitz der Herren von Steinen. Sie stellten mehrere Amtmänner für das im Norden und Westen angrenzende Amt Miselohe, das bis ins 18. Jahrhundert eines der 16 Ämter des Herzogtums Berg war und Odenthal, Burscheid, Leichlingen, Witzhelden sowie große Teile Leverkusens umfasste. Amtmannscherf war damit ein Verwaltungssitz. Erst 1830 wurden die aus dem Mittelalter stammenden Gebäude der Burg, in der sich eine eigene Hofkapelle befand, abgebrochen. 1840 entging auch der Burgturm diesem Schicksal nicht.

Reste eines Dammes

In der Nordecke der heutigen Wohnanlage haben sich noch mächtige Mauerreste erhalten, unweit davon existieren bis heute gut sichtbar die Reste eines Dammes. „Das alte Burghaus lag im Bereich des heutigen Wohnhauses“, meint Link. „Von ihm müssen unter den heutigen Gebäuden beträchtliche Fundamentteile erhalten sein.

Auch der ehemalige Brunnen der Burg ist verschüttet. Ihn vermutet der Bodendenkmalpfleger irgendwo unter dem Asphalt des Innenhofes. Wo genau, das weiß auch Teresa Dornbusch nicht zu sagen, Besitzerin des heutigen Pferdehofes. 52 Pferdeboxen biete der Hof, der über 20 Hektar Weideland verfügt. „Ich finde es schön, in einem historischen Gebäude zu wohnen“, meint Dornbusch. Daher beleuchte man abends die erhalten gebliebenen Mauerteile der alten Burg mit Strahlern. „Seit dem 14. Jahrhundert hat Amtmannscherf erst dreimal die Besitzerfamilie gewechselt“, erzählt Teresa Dornbusch, seit zweieinhalb Jahren „Herrin“ auf Amtmannscherf.

Wie Odenthal hatte „Scherf“ in vergangenen Jahrhunderten auch ein Landgericht. 1652 wurde Freiherr von Steinen mit der „Niedergerichtsbarkeit in civil- und gemeinen (üblichen) Malefizsachen wie Diebstahl, Ehebruch, Totschlag und Räuberei“ belehnt. Wirklich schwerwiegende Fälle waren damals Sache des Freiherrn von Metternich zur Gracht, der dann auch die Errichtung eines Galgens bei Scherf zum Anlass für einen Rechtsstreit mit den Amtmännern von Scherf nahm. „Vielleicht stand der Galgen dort“, spekuliert Link und zeigt auf eine einsame Anhöhe oberhalb des Gutes, wo noch heute die Reste des Fundamentes einer alten Nepomuk-Säule von 1753 zu finden sind.

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