Keine kleine Stille

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Treffpunkt Küchentisch: Hier planen Johanna Gastdorf und Jan-Gregor Kremp ihren Alltag zwischen Familie und Beruf.

Treffpunkt Küchentisch: Hier planen Johanna Gastdorf und Jan-Gregor Kremp ihren Alltag zwischen Familie und Beruf.

Die Schauspielerin Johanna Gastdorf erhält heute Abend die Auszeichnung.

Es sind die Augen. Sie blitzen und funkeln. Wer Johanna Gastdorf anschaut, gerät in den Sog dieses Augenpaares. Es bleibt in Erinnerung. Es ist (auch) dieses sprechende Gesicht, das der Schauspielerin im Kriminalfilm „Polizeiruf 110: Kleine Frau“ den Grimme-Preis einbrachte. Johanna Gastdorf spielt Lisa, eine unscheinbare Frau, die ihren Sohn erschlagen haben soll.

Eine kleine Stille ist Johanna Gastdorf im wirklichen Leben nicht. Ihr Lachen klingt unbekümmert. Die dunkle Stimme mit dem leicht angerauten Klang dringt durchs Haus und weist Lilly, eine Hundedame von „italienischem Straßenadel“ in die Schranken. Und diese Stimme besteht neben der von Jan-Gregor Kremp, der zu Hause ebenso präsent ist wie auf der Bühne oder auf dem Bildschirm. Am vergangenen Montag, zum Beispiel, im Thriller „Allein gegen die Angst“.

„Ich brauche die Menschen“

Seit zwei Jahren lebt das Ehepaar mit Sohn Leo in der Waldsiedlung, dort, wo schon der Knirps Jan mit seinen fünf Geschwistern durch den Wald streifte. „Mein Sohn spielt auf den gleichen Spielplätzen, auf denen ich auch schon gespielt habe, und er fährt über die gleichen Wege mit dem Fahrrad, über die ich auch gerumpelt bin.“ Die Waldschule ist nicht weit entfernt. Leo geht dort in die dritte Klasse.

Er kann sich zwar noch an Bochum erinnern, wo die Familie zuvor wohnte, doch das Gebiet rings um den Scherfenbrand ist jetzt das Zuhause. „Irgendwann mussten wir uns entscheiden, wo wir uns endgültig niederlassen“, sagt der 43-Jährige. „Ich hänge nicht an Städten, ich brauche die Menschen“, ergänzt seine Frau. Die Entscheidung fiel auf Leverkusen, auch deshalb, weil die „Mipis“, die Großeltern, einen Steinwurf weit entfernt wohnen. Da passte es gut, dass eines jener typischen Häuschen zum Verkauf stand. Sie wollten nicht „so viel rummuggeln“, sagt Johanna Gastdorf und dabei klingt ihre Hamburgische Herkunft durch, aber dann wurde doch ausgebaut und renoviert - mit Geschmack und Fingerspitzengefühl für die spitzen Giebel udn die Fensterfronten. Kein Vor- oder Anbau veränderte den Charakter des Hauses. Der Stil blieb erhalten. Allerdings tat sich innen einiges. „Elf Container Bauschutt haben wir weggeräumt.“ Kremps Vater, der Musikprofessor und Buchautor, der Organist und Dirigent half mit.

Zunächst trat Sohn Jan-Gregor in dessen Fußstampfen und studierte Schulmusik: „Doch ich bin pädagogisch eine völlige Niete“. Ihn zog es auf die Bühne als Kabarettist mit Helmut Seliger und Matthias Klink - Abiturienten des Vom-Stein-Gymnasium wie er. Doch dann wollte er „es richtig lernen“, das Schauspielen. Am Salzburger Mozarteum erhielt er den Ritterschlag.

Die eigene Leistung immer wieder in Frage zu stellen, gehört zu den Prinzipien des Schauspieler-Ehepaares: „Wer sich nicht mehr quält, spielt nicht mehr richtig.“ Johanna Gastdorf hat sich in der Rolle der Lisa auch gequält. „In der Schneeszene hast du gut gefroren“, meint ihr Mann. „Ich hab's nicht gemerkt, alle waren so unglaublich leidenschaftlich dabei, das erlebt man nicht alle Tage.“ In der Begründung der Jury heißt es: „Er (der Krimi, d. Red.) spielt nicht im viel zu häufig zu sehenden Milieu der Reichen und Schönen, sondern dort, wo die meisten Menschen leben: in einem schweren - hier realistisch wiedergegebenen - Alltag.“

Den eigenen Alltag bewältigt die Familie wie jedes Ehepaar, das Kind und Beruf in Einklang bringen muss: „Alles eine Frage der Organisation.“ Nach Möglichkeit stehen beide nicht gleichzeitig oder gemeinsam vor der Kamera. Wenn Johanna Gastdorf heute Abend den Grimme-Preis, „das Sahne-Häubchen in meiner Karriere“, in Empfang nimmt, dann begleitet sie ihr Mann. Die Kinderfrau hütet derweil Leo und natürlich Lilly. Und Samstag ist Bayer-04-Tag. Fußball spielen, Klavier spielen, Theater spielen - Spielen gehört zum Alltag der Familie, die so unaufgeregt in der Waldsiedlung lebt. Nette Nachbarn eben, die den Käsekuchen im Café Curtius ganz besonders schätzen.

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