„Bandidos“-Mitglied verhaftetBetrug an Kölner Senioren aus der Türkei gesteuert

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Als falsche Polizisten bringen die Betrüger ihre Opfer am Telefon dazu, einem Komplizen Geld und Schmuck zu übergeben.

Als falsche Polizisten bringen die Betrüger ihre Opfer am Telefon dazu, einem Komplizen Geld und Schmuck zu übergeben.

Köln – Der Polizei ist ein womöglich entscheidender Schlag gegen die Telefonbetrüger-Mafia gelungen. Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) hat am Freitag in Zollstock ein 24-jähriges Mitglied der Rockergruppe „Bandidos“ verhaftet.

Der Mann soll Kopf einer Bande sein, die Kölner Rentner mit dem „Falsche Polizisten“-Trick um ihre Ersparnisse gebracht haben soll. Der Bruder des 24-Jährigen – ein ehemals führendes Mitglied der „Hells Angels“ in Köln – soll den Betrug aus einem Callcenter in der Türkei gesteuert haben. Nach dem 30-Jährigen wird international mit Haftbefehl gefahndet.

Am Montag durchsuchte die Kripo zudem vier Wohnungen in Marienburg und in der Südstadt. Vier Bewohnern zwischen 20 und 25 Jahren wird vorgeworfen, als „Abholer“ bei den betagten Opfern geklingelt zu haben. Sie ließen sich das Geld geben, das die Rentner nach vorherigen Telefonaten mit den Telefonbetrügern aus der Türkei schon bereitgelegt hatten. Auch diese Verdächtigen sollen sich teilweise im Umfeld der Rockerszene bewegen, heißt es bei der Polizei.

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Erster Abholer im August in Solingen festgenommen

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ stießen die Ermittler erstmals vor fünf Monaten auf die mutmaßliche Verbindung zwischen der Telefonmafia und der Rockerszene: Nach einem versuchten Telefonbetrug in Solingen hatte sich das 86 Jahre alte Opfer an die Polizei gewandt. Die Frau kannte die Masche aus der Medienberichterstattung. Mit Unterstützung der Wuppertaler Kripo vereinbarte die Rentnerin mit dem Täter zum Schein einen Termin zur Geldübergabe. Dabei wurde der Abholer am 29. August festgenommen. Er stammt aus Köln, soll sich hier im Rockerumfeld bewegen und ein enger Freund des am Freitag in Zollstock verhafteten Bandidos sein. Ein weiterer Bekannter des Bandidos-Mitglieds soll am 11. Januar in Langenfeld festgenommen worden sein.

Perfider Trick

Die Masche der Telefonbetrüger beginnt immer gleich: „Hier ist die Polizei. Schließen Sie bitte sofort Ihre Fenster und Türen. Das ist ein Notfall“, sagt der Anrufer. Viele der oft hochbetagten Opfer geraten dadurch in Panik. „Wir haben einen Einbrecher festgenommen und bei ihm eine Liste mit Zielorten für weitere Einbrüche gefunden“, fährt der Anrufer fort. „Ihr Name steht auch darauf.“ Mit technischen Tricks lassen die Täter die Nummer „0221 110“ auf dem Telefon des Opfers anzeigen. In oft stundenlangen Telefonaten fordern die Betrüger ihre Opfer auf, Schmuck und Bargeld an einen Zivilpolizisten zu übergeben, der die Wertgegenstände angeblich sicher verwahrt. Der Abholer nimmt sie entgegen und entkommt meist unerkannt. (ts)

Ein Hinweis darauf, dass den Kölner Fahndern tatsächlich ein empfindlicher Schlag gelungen sein könnte, ergibt sich aus der Tatsache, dass der Polizei seit der Verhaftung am Freitag dem Vernehmen nach kein betrügerischer Telefonanruf mehr in Köln oder Leverkusen bekannt geworden ist – das ist ungewöhnlich.

Denn in den Monaten zuvor verging kaum ein Tag ohne. Allein in diesem Zeitraum richteten Täter einen Gesamtschaden von etwa 400 000 Euro an – allein im Bereich der Polizei Köln. Im Herbst, so heißt es aus der Behörde, seien die Fallzahlen regelrecht „explodiert“. Wurde bis dahin landesweit ungefähr jede zehnte Tat in Köln angezeigt, so war es zuletzt fast jede.

Betrüger wurden in Callcentern geschult

Die Täter, die nach Polizeierkenntnissen häufig aus türkischen Callcentern anrufen, sind speziell geschult. Im Internet kursieren Gesprächsleitfäden, an denen sie sich orientieren. Sie sprechen gut Deutsch, verdienen etwa 2000 Euro im Monat plus Prämien. Das weiß die Polizei aus Vernehmungen und abgehörten Telefonaten.

Die Täter im Kölner Fall, so war zu erfahren, sollen sich extrem abgeschottet haben und sehr konspirativ miteinander kommuniziert haben, so dass die Polizei bei ihren Ermittlungen große Mühe hatte. Bei den Wohnungsdurchsuchungen am Montag stellten die Fahnder außer geringen Mengen Betäubungsmitteln auch Mobiltelefone und schriftliche Aufzeichnungen als mögliche Beweismittel sicher. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen, betonte ein Polizeisprecher.

Zuletzt waren in Köln mutmaßlich alte Rivalitäten zwischen den verfeindeten Rockergruppierungen Bandidos und Hells Angels wieder aufgeflammt. In Holweide trafen Schüsse nachts ein Café, das als Treffpunkt der Hells Angels gilt. Die Schützen sind unbekannt. Die Polizei überprüfte noch am selben Abend mehrere Gaststätten in der Stadt, in denen sich regelmäßig Rocker aufhalten. Bei einem Lokal in der Eythstraße in Kalk stellten die Beamten dabei weitere vier Einschusslöcher in einer Fensterscheibe fest.

Nach bisherigen Ermittlungen geht die Kripo eher nicht davon aus, dass die neuerlichen Auseinandersetzungen mit den mutmaßlichen Betrugsgeschäften der beiden Brüder in Zusammenhang stehen. Vielmehr hätten Mitglieder von Rockerclubs zuletzt die Lager gewechselt, was erhebliche Unruhe in der Szene ausgelöst habe.

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