„Fuck-up Night Cologne“Kölner Start-ups berichten von ihren größten Niederlagen

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Condomi-Gründer Oliver Gothe in seinem Geschäft in der Limburger Strasse in Köln.

Condomi-Gründer Oliver Gothe in seinem Geschäft in der Limburger Strasse in Köln.

Köln – Sie wollten „Erektionsbekleider“ sein, in einer „hauchdünnen Branche“. Doch aus dem Scherz unter Freunden wurde mit einem Startkapital von 15.000 Mark innerhalb von kurzer Zeit einer der größten Kondomhersteller Europas. Wenn Mitgründer Oliver Gothe von Condomis Aufstieg erzählt, klingt das wie der wahrgewordene Traum eines jeden Unternehmers: Erst ein Laden in der Kölner Innenstadt, dann Filialen, die eigene Marke, eine ständig wachsende Zahl an Fabriken und die Vorherrschaft im europäischen Großhandel. 1999 dann der Börsengang. „Und plötzlich hatten wir unfassbar viel Geld.“

Der tiefe Fall folgt kurz darauf. Doch so detailliert wie über den Aufstieg spricht Gothe nicht über den Abstieg. Die Essenz bleibt: „Wir haben uns verrechnet.“ Gothe verliert alles - seine Condomi-Aktien-Anteile, „sein Baby“.

Die Idee geht um die Welt

Fuck-up, nicht Start-up, ist das Motto bei den Fuck-up Nights. Die Veranstaltung gibt Gescheiterten eine Bühne: Unternehmer erzählen in kurzen Vorträgen von den größten Misserfolgen ihrer Karriere – und den Lehren, die sie daraus gezogen haben. Die Idee stammt aus Mexiko, ist inzwischen aber in mehr als 40 Städten weltweit angekommen, seit Donnerstagabend auch in Köln. Die fünf Wirtschafts-Studenten rund um den 24-jährigen Sasan Naservafai, die die Fuck-up Nights Cologne von nun an alle zwei Monate ausrichten wollen, haben vorher Telefonkonferenzen mit den Teams in Mexiko und New York geführt. Und drei interessante Gescheiterte zusammenbekommen, die in einem voll besetzten „Scheuen Reh“ ihre Tiefpunkte schildern.

Das sei wie mit der Liebe, sagt Marco Zingler. „Der erste Fuck Up ist der Schlimmste.“ Bei Zingler, der heute die erfolgreiche Kölner Digitalagentur „Denkwerk“ leitet, war es der Untergang seines ersten Internet-Unternehmens „One View“. Die Geschichte weist Ähnlichkeiten zu Gothe auf: Es war Ende der 90er, Zingler war Student und der Goldrausch im E-Business gerade ausgebrochen. Google existierte noch nicht, die Kommunikation online war mühsam– und Zingler machte sich mit einigen Kommilitonen daran, ein System zur einfachen Weiterleitung von Links in einem Netzwerk zu entwerfen. „Alle wollten das Ding haben“, sagt Zingler und schüttelt beim Anblick des veralteten Layouts, das per Beamer an die Wand geworfen wird, verständnislos den Kopf.

Investoren gaben mehr als fünf Millionen Euro für das Start-up, zur nächsten Cebit sollte es präsentiert werden. Doch es gab gleich mehrere Probleme: Bis zur Cebit blieben nur noch vier Monate – und Zingler hatte als Geschichts-Student von Programmierung ebenso wenig Ahnung wie seine Freunde. Sie sourcten die Software-Entwicklung aus. Zwei Tage vor der Messeeröffung dann die verheerende Nachricht von der verantwortlichen Firma: Nichts, rein gar nichts, war fertig. Es war das Ende für „One View“.

Nach 30 Tagen war der Traum beendet

Manchmal kommt die Pleite aber auch ohne den Höhenflug zuvor: Wie beim dritten Redner des Abends, ein ehemaliger Wirt, der seinen Namen wegen einer noch laufenden Gerichtsverhandlung nicht in der Zeitung lesen will. Inspiriert von einem Londoner Club möbelte er mit einer sechsstelligen Summe ein „Drecksloch“ in der Kölner Innenstadt auf und eröffnete einen Club für Livemusik. Von Gastronomie hatte er dabei herzlich wenig Ahnung. „Ich hatte ja nicht einmal gekellnert.“ Trotzdem sei der Start recht gut gelaufen, erzählt er - bis die Post vom Ordnungsamt kam. Das verlangte für die Konzession strenge Auflagen. „Um die zu erfüllen wäre nochmal ein fünfstelliger Betrag nötig gewesen.“ Nach nur 30 Tagen war der Traum vom eigenen Club wieder beendet, der ehemalige Wirt arbeitet seither, wie vor dem Ausflug in die Gastronomie, als Unternehmensberater.

Welche Lehren die Unternehmer aus ihren Pleiten gezogen haben? Zingler vermeidet seit „One View“ unrealistische Deadlines („Die mach ich nicht mehr!“) und hat die entscheidenden Teile seiner Projekte nie wieder in fremde Hände gelegt. Der Wirt empfiehlt gründliche Recherche („Mache deine Hausaufgaben!“) und das angepeilte Konzept erst im Kleinen zu testen, bevor es „aufs Ganze geht“. Und der ehemalige Kondom-Herrscher Gothe, der inzwischen zumindest den Kölner Condomi-Laden zurückkaufen konnte, schließt die erste Fuck-up Night Cologne mit der passenden Lehre: „Lerne von Menschen, die den Fuck -up schon hinter sich haben - das spart dir sehr viel Geld.“

Der Termin für die nächste Fuck-up Nights Cologne steht bereits fest: Donnerstag, der 8. Januar, in der Wohngemeinschaft. Weitere Infos auf der dazugehörigen Facebook-Seite.

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