40 Jahre Römisch-Germanisches MuseumSpeisesaal für die Mächtigen der Welt

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Standortvorteil Roncalliplatz: Das Römisch-Germanische Museum ist eines der meistbesuchten Museen Deutschlands.

Standortvorteil Roncalliplatz: Das Römisch-Germanische Museum ist eines der meistbesuchten Museen Deutschlands.

Köln – Eines der Prunkstücke des Hauses machte weltweit gleich zweimal Schlagzeilen: Beim G8-Gipfel im Sommer 1999 tafelten die mächtigsten Männer der Welt auf einem 1700 Jahre alten Mosaik, dem Dionysos-Mosaik – Clinton, Blair, Chirac und Co zeigten sich ob des einzigartigen Ambientes schwer beeindruckt. Acht Jahre später wurde dieses Mosaik, eines der bedeutendsten Zeugnisse römischen Kunsthandwerks und antiker Kultur, vom Orkan Kyrill heimgesucht und schwer beschädigt, auch diese Bilder gingen um die Welt. Das Römisch-Germanische Museum, das das Mosaik sozusagen „beherbergt“, kann in diesen Tagen auf eine 40-jährige Geschichte zurückblicken – eingeweiht wurde es am 4. März 1974.

1946 als städtisches Museum gegründet

Als Institution besteht das Museum (abgekürzt: RGM) allerdings schon länger: 1946 wurde es als städtisches Museum gegründet, über den Standort eines künftiger Hauses war man sich indessen einig – es konnte nur über dem Dionysos-Mosaik entstehen, das 1941, beim Bau des Dombunkers, freigelegt worden war. Das aus dem dritten Jahrhundert nach Christus stammende Mosaik, Teil eines Speise- und Festsaals einer Villa in der Nordostecke des römischen Köln, hatte man provisorisch überdacht, mit einem kleinen Ausstellungsraum wurde es ebenfalls 1946 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Hervorgegangen war die Neugründung aus der römischen Abteilung des Wallraf-Richartz-Museums; dessen antike Schätze und Bestände des im Bayenturm untergebrachten Museums für Ur- und Frühgeschichte bildeten den Grundbestand des RGM, der Archäologe Fritz Fremersdorf, seit 1929 Leiter der WRM-Abteilung, wurde erster Direktor. Die Bestände waren in verschiedenen Häusern und Depots untergebracht, einige besonders wertvolle Exponate wurden seit 1956 in der Alten Wache des Stadtmuseums ausgestellt.

1959 übernahm Otto Doppelfeld die Leitung des – noch heimatlosen – Hauses; Doppelfeld hatte sich mit der Domgrabung sowie mit der Entdeckung des Prätoriums und der Mikwe internationales Renommee erworben. Er war auch der Organisator der erfolgreichen Ausstellung „Römer am Rhein“, die 1967 in der Kunsthalle die Kostbarkeiten des RGM präsentierte.

Mit Strümpfen auf das Mosaik

Bereits 1963 hatte der Stadtrat indessen den Museumsneubau auf dem heutigen Roncalliplatz beschlossen, vier Jahre später wurde mit dem ersten Bauabschnitt begonnen, 1970 legte der damalige Oberbürgermeister Theo Burauen den Grundstein für das Museum, das nach Entwürfen der Braunschweiger Architekten Heinz Röcke und Klaus Renner als schlichter querliegender Kubus errichtet wurde. Im Verlauf der Bauarbeiten war indessen das Grabmal des Poblicius von Amateurarchäologen am Chlodwigplatz ausgegraben worden – nachdem die Stadt alle ausgegrabenen Teile des einzigartigen Grabmals für das Museum erworben hatte, musste das Dach über dem Dionysos-Mosaik um drei Meter erhöht werden, im Hausjargon wird es „Käseglocke“ genannt. Beide Objekte, Grabmal und Mosaik, sind bis heute „Blickfang“ des RGM.

„Es soll ein offenes Haus für die gesamte Bevölkerung sein“, verkündete Burauens Nachfolger, OB John van Nes Ziegler, bei der Eröffnung des Hauses am 4. März 1974; und Gründungsdirektor Hugo Borger, der seit 1972 die Konzeption des Museums maßgeblich entwickelt hatte, nannte stolz das Ziel seiner Museumspädagogik – er wollte „Vergangenes in die Gegenwart“ bringen: „Ich biete den Menschen die Vergangenheit in der Umwelt, die ihre eigene ist. Dadurch baue ich Brücken.“ Der spätere Direktor des RGM, Hansgerd Hellenkemper, damals Borgers Mitarbeiter, erzählt heute noch gern eine kleine Episode: „In der Nacht vor der Eröffnung sind wir mit Strümpfen auf das Dionysos-Mosaik gegangen und haben dort Champagner getrunken.“ Borger, ein begnadeter Öffentlichkeitsarbeiter, ahnte wohl schon, dass seine Zielsetzung, die er im gleichberechtigten Nebeneinander von kunsthandwerklichen Spitzenleistungen (wie dem an der Stolberger Straße gefundenem Diatretglas) und Unmengen von Alltagsgegenständen realisierte, auch auf Kritik stoßen würde. Hinter vorgehaltener Hand ging dann auch das böse Wort vom „Gemischtwarenladen“ um.

50 Pfennig Eintrittsgeld

Dennoch wurde das RGM mit seinen 10000 Exponaten auf nahezu 5000 Quadratmetern Ausstellungsfläche zum Erfolgsmodell: Bereits im ersten halben Jahr strömten mehr als eine halbe Million Besucher ins Haus, 50 Pfennig zahlten Erwachsene, 20 Pfennig Kinder – zeitweise mussten die Pforten geschlossen werden. Neben dem Mosaik, das nach „Kyrill“ aufwändig restauriert wurde, und dem Grabmal des Poblicius ist vor allem die Sammlung römischer Gläser, die in der Mehrzahl in Kölner Werkstätten hergestellt wurden, die Attraktion des Hauses – „es ist eine der weltweit besten Sammlungen,“ sagt Hansgerd Hellenkemper, von 1980 bis 2010 RGM-Direktor.

Eine herausragende Stellung nimmt auch die 1935 erworbene Diergardt-Sammlung mit Exponaten aus der Völkerwanderungszeit ein. Die Dauerausstellung umfasst Fundstücke von der Altsteinzeit bis ins frühe Mittelalter, doch die Mehrheit der Exponate kündet von der Größe des römischen Köln, sie zeigt auch die Porträt-Köpfe der Stadtgründer Augustus und Agrippina, die man vor dem Bogen des römischen Nordtores postiert hat; und in diesem Bogen hatte man auch den römischen Stadtnamen eingemeißelt – CCAA, Colonia Claudia Ara Agrippinensium.

Mit zahlreichen Sonderschauen und international beachteten Mega-Ausstellungen wie „Der Schatz von San Marco“, „Das Glas der Cäsaren“ oder „Qumran – die Schriftrollen vom Toten Meer“ wurden zusätzliche Besucher aus aller Welt angezogen, die Gesamtzahl der Besucher liegt bei über 20 Millionen. „Mittlerweile zählen wir 170 000 bis 180 000 Besucher pro Jahr, damit liegen wir auf dem zweiten Platz bei den städtischen Museen“, sagt Marcus Trier, seit 2012 amtierender Direktor des RGM.

Gewaltige Aufgabe

Trier steht vor einer gewaltigen Aufgabe: Er muss die dringend notwendige Generalsanierung des Museums organisatorisch bewältigen, deren Kosten liegen bei geschätzten 18 Millionen Euro. Zudem soll auch eine konzeptionelle Neugestaltung der Dauerausstellung realisiert werden: „Wir verschließen uns keineswegs den Herausforderungen und Möglichkeiten des digitalen Zeitalters, das Original, das reale Exponat, wird aber weiter im Mittelpunkt der Ausstellung stehen.“

Trotz geschrumpften Etats muss Trier sich in einer Hinsicht keine Sorgen machen: Auch in absehbarer Zukunft wird der Kölner Untergrund seinem Haus – wie zuletzt bei den Ausgrabungen anlässlich des U-Bahnbaus – Fundstücke aus Kölns römischer Vergangenheit liefern – sozusagen „frei Haus“.

www.museenkoeln.de/roemisch-germanisches-museum

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