„Wohnen für Hilfe“Senioren stellen Zimmer – Studenten bieten Unterstützung

Lesezeit 4 Minuten
Ungewöhnliche Wohngemeinschaft: Rike Hoppe hat eine Unterkunft bei Johannes Heuser gefunden.

Ungewöhnliche Wohngemeinschaft: Rike Hoppe hat eine Unterkunft bei Johannes Heuser gefunden.

Köln – Als Student eine Unterkunft in Köln zu finden ist schwer. Einen Ausweg aus der erfolglosen Wohnungssuche soll das Projekt „Wohnen für Hilfe“ bieten.

Seit 2009 werden über das Projekt Zimmer von Senioren an Studenten vermittelt. Die Grundidee entstand vor Jahrzehnten in England und ist simpel: Senioren, die ein Zimmer freihaben, bieten es Studenten als Unterkunft an.

Dafür leisten die Studenten den Wohnpartnern Hilfe, zum Beispiel beim Putzen oder Kochen. Aber auch eine gemeinsame Beschäftigung, sei es ein Spaziergang oder eine Partie Schach, zählen.

Alternative zu privatem Wohnungsmarkt

Rike Hoppe ist vor einigen Monaten bei Johannes Keuser eingezogen. Die 24-Jährige zog für ihr Studium an der Kunsthochschule für Medien von Berlin nach Köln. „Ich wusste von vornherein, dass der Wohnungsmarkt hier ähnlich überlastet ist wie in Berlin“, sagt sie. „Da habe ich mir von Anfang an Gedanken gemacht, ob es Alternativen gibt.“ Ihre Eltern, beide in Kiel in der Pflege beschäftigt, erzählten ihr vom städtischen Projekt „Wohnen für Hilfe“.

Hoppe meldete sich in Köln für ein Beratungsgespräch an. Und das verlief gut: Nach wenigen Fragen guckten sich Heike Bermond und Sandra Wiegeler, die Koordinatorinnen des Projekts, vielsagend an. Ob sie sich auch vorstellen könnte, rechtsrheinisch zu wohnen, wurde Hoppe gefragt. „Klar.“

Von Anfang an gutes Bauchgefühl

Danach ging alles sehr schnell: Gleich am Abend nach dem Gespräch traf sich die Studentin mit Johannes Keuser. Beide unterhielten sich über zwei Stunden, am Ende des Abends stand fest, dass Hoppe in das Zimmer im Dachgeschoss einziehen würde. „Ich hatte einfach von vornherein ein gutes Bauchgefühl“, sagt Rike Hoppe.

Für Keuser ist es nicht die erste Wohnpartnerschaft: Der Rentner hatte zuvor schon drei andere Studenten bei sich einquartiert. „Meine Freundin hatte mir von »Wohnen für Hilfe« erzählt, weil sie merkte, dass ich einige Hausarbeiten wegen meiner Rückenschmerzen nicht mehr erledigen konnte“, so der 74-Jährige.

Win-Win-Situation

Er sieht in der Wohnpartnerschaft eine Win-Win-Situation. „Die jungen Leute bekommen günstigen Wohnraum und ich habe einen netten Menschen um mich, der mir im Haushalt hilft.“

Auch Hoppe ist glücklich, sich um einen Platz im Projekt beworben zu haben: „Außer der finanziellen Entlastung ist es für mich schön, nicht ständig in der Uni-Blase umherzuirren.“ Die beiden verbindet zudem die Begeisterung für Kunst: Keuser malt seit 2002, Hoppe ist kunstinteressiert und beschäftigt sich in ihrem Studium vor allem mit Filmen. „Unsere gemeinsamen Gespräche bereichern mein Leben“, sagt Keuser, „und der Austausch hält mich ein Jahr jünger, als ich tatsächlich bin.“

Sogar Probewohnen möglich

Dass die Wohnpartner so gut zueinander passen, ist vor allem der Verdienst von Bermond und Wiegeler, die von Anfang an das Projekt betreuen. Die beiden Koordinatorinnen fühlen den Studenten und Wohnraumanbietern auf den Zahn – mit Fragebögen, Gesprächen und Hausbesuchen bei den Anbietern. Manchmal gibt es sogar ein Probewohnen.

Insgesamt vermittelt „Wohnen für Hilfe“ mehr als 80 Wohnpartnerschaften pro Jahr, derzeit gibt es in Köln 142 dieser Wohngemeinschaften, Tendenz steigend. „Mittlerweile haben wir dreimal so viele Studenten wie Wohnraumanbieter in unserer Kartei“, erläutert Bermond.

Auch Familien und Menschen mit Handicap können teilnehmen

„Die meisten davon sind Frauen, die geisteswissenschaftliche Fächer studieren“, sagt die Heilpädagogin. Das komme wohl daher, dass der Frauenanteil in diesen Fächern sehr hoch sei. Finanziell wird das Projekt von Stadt und Universität unterstützt. Mittlerweile wurde auch der Kreis der Wohnraumanbieter auf Familien und Menschen mit Handicap ausgeweitet. So sollen in Zukunft noch mehr Wohngemeinschaften entstehen.

Das Projekt

Wohnen für Hilfe ist eine Kooperation zwischen dem städtischen Amt für Wohnungswesen und der Rehabilitationswissenschaftlichen Gerontologie in Kooperation mit der Seniorenvertretung. Als Faustregel gilt: Pro Quadratmeter überlassenem Wohnraum leisten die Studenten eine Stunde Hilfe im Monat. Zwischen den Wohnpartnern wird ein Vertrag geschlossen, in dem die Unterstützungsleistungen vereinbart werden.

Informationen gibt es in einer Sprechstunde nach telefonischer Vereinbarung oder per E-Mail. Das Büro befindet sich in der Gronewaldstraße 2a, Telefon 0221/470-79 33.

Das könnte Sie auch interessieren:

KStA abonnieren