Christopher Street Day 2015Ein schwuler Roma - eine Minderheit in der Minderheit beim CSD in Köln

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Gianni Jovanovic (links) mit Bürgermeister Andreas Wolter

Gianni Jovanovic (links) mit Bürgermeister Andreas Wolter

Köln – Für einen zweifachen Großvater sieht er nicht schlecht aus. Mehr noch. Der 37-Jährige sieht nicht nur dafür unglaublich gut aus. Er zieht in der Parade anlässlich des Kölner Christopher Street Day (CSD) am 3. Juli mit – als Teilnehmer einer Gruppe homosexueller Roma und Sinti. Das ist eine Premiere für das Feier- und Demonstrationswochenende der Schwulen, Lesben und Transgender.

Gianni Jovanovic wurde als einziges Kind seiner Eltern verheiratet. Oder, wie er es nennt, „traditionell zusammengeführt“. Das habe ihm zunächst nichts ausgemacht. „Ich war so erzogen.“ So wurde er mit 16 Jahren zum ersten Mal Vater, mit siebzehneinhalb zum zweiten Mal. Mit 32 und 33 jeweils zum Großvater. „Das ist bei vielen Roma üblich, aber nicht die Regel. Und meine Eltern stammen halt aus einer konservativen Ecke.“

Schock für die Familie

Entsprechend geschockt fiel die Reaktion aller aus, als er ihnen, Frau und Kindern gleichzeitig mit 24 Jahren eröffnete, dass er schwul sei. Da hatte er seine Neigung bereits seit sechs Jahren gespürt, aber nicht ausgelebt. Aus Verantwortungsgefühl seiner Familie gegenüber – und Angst, da er sich noch in der Ausbildung zum Zahnarzthelfer befand und finanziell abhängig von seinen Eltern war.

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„Das war eine schreckliche Situation – und zugleich sind meine Kinder das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist.“ Abgesehen von der Begegnung mit Paul, mit dem er seit elf Jahren zusammen und inzwischen auch verpartnert ist. Er bildete sich zum Prophylaxeassistenten fort, hat seit elf Jahren seine eigene Firma „im kosmetischen Bereich“ mit „viereinhalb“ Angestellten. Doch bis dahin war es ein harter Weg.

Das Motto des Cologne Pride, der am 20. Juni mit dem Fantasypride im Phantasialand beginnt und mit dem CSD-Straßenfest sowie der CSD-Demonstration am ersten Juli-Wochenende seinen finalen Höhepunkt findet, lautet in diesem Jahr „Vielfalt lehren, lernen, leben“.

Innerhalb des mehrwöchigen Programms mit Filmpremieren, politischen Diskussionen und Konzerten veranstaltet die Integrationsagentur in Kooperation mit dem Rom e.V. am Freitag, den 26. Juni um 20 Uhr im Rubicon, Rubensstraße 8–10, zwischen Rudolfplatz und Zülpicher Platz einen Abend mit Gianni Jovanovic. Im Baraka-Treff der Beratungsstelle erzählt er aus seinem Leben. (kaz)

www.colognepride.de

Roma und Sinti, die homosexuell sind, sind eine Minderheit in der Minderheit, die es nach Auskunft Jovanovics besonders schwer hat: „Viele trauen sich nicht einmal dazu zu stehen, dass sie Roma und Sinti sind.“ Dann auch noch schwul zu sein, bedeute ein doppeltes Risiko.

Gewalt gegen Eltern

Schon als kleiner Junge bekam er, geboren in Rüsselsheim, kurz nachdem seine Eltern aus Serbien nach Deutschland geflohen waren, Antiziganismus zu spüren. „Meine Eltern wurden massiv bedroht und angegriffen. Uns flog ein Molotowcocktail in unser Fenster und mir ein Pflasterstein an den Kopf. Da war ich vier.“

In Darmstadt lebten sie in einer Baracke, „in Nürnberg war es auch schlimm“. Pauschal wurde er mit sechs Jahren sofort einer Sonderschule zugeteilt. „Dabei war ich ein guter Schüler.“ Wäre da nicht eine Klassenlehrerin gewesen, die ihm Mut gemacht und ihm auf eine Regelschule verholfen hätte, wäre er heute nicht der, der er sei. „Uns werden immer soziale Schwierigkeiten unterstellt.“

„Ich wurde angepinkelt“

Viele seiner Landsleute wollten arbeiten, bekämen aber nicht die Möglichkeit dazu. Anderen fehle schlicht der Zugang. „Uns wurde Jahrhunderte lang Bildung verwehrt.“ Noch auf der Hauptschule drückten Klassenkameraden Zigarettenstummel auf ihm aus. „Ich wurde angepinkelt.“ So wundere ihn nicht, wenn einige kriminell würden und viele, die integriert leben wie er, Ethnie und Sexualität verschweigen. „Die sagen einfach, sie sind Serben. Sie zeigen sich nicht.“

Mit seiner CSD-Teilnahme will er allen Mut machen, in jeder Hinsicht zu sich zu stehen. Unterstützt wird die Gruppe, zu der bislang knapp 30 Teilnehmer aus ganz Deutschland gehören, bei ihrer Teilnahme von den Vereinen Rom e.V. und Terno Drom e.V. sowie dem ebenfalls homosexuellen Bürgermeister Andreas Wolter, an den sich Jovanovic mit der Bitte um Unterstützung gewandt hatte. Dieser setzt sich seit Jahren für eine bessere Diversity-Politik der Stadt ein, was bedeutet, dass das Potenzial des gesamten Vielfalt Kölns auch wirtschaftlich besser genutzt werden sollte, indem alle Gruppen besser beteiligt werden.

Vorurteile bekämpfen

Wolter fordert „den Oberbürgermeister und die Fraktionen auf, endlich das Geld für Studien in dem Bereich und mehr Öffentlichkeitsarbeit freizugeben“. Gianni Jovanovic wird sich mit einem Mini-Wohnwagen mit Drag-Queen – mit den Roma-Klischees spielend – auf den Weg machen, um Vorurteile auf allen Seiten zu bekämpfen. An seiner Seite sein Mann Paul – und seine Kinder.

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