Direktor des Arbeitsgerichts Köln„Wir sollen in jeder Lage einen Vergleich fördern“

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Dirk Gilberg

Dirk Gilberg (47) ist seit Mai 2013 Direktor des Kölner Arbeitsgerichts. Beim  Justizdienst des Landes Nordrhein-Westfalen hat  er im Jahr  2001 angefangen.

Herr Gilberg, was muss passiert sein, damit eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist?

Es muss ein „wichtiger Grund“ vorliegen, das schreibt das Bürgerliche Gesetzbuch vor.

Gehört Fremdenfeindlichkeit zu solchen wichtigen Gründen?

Nein. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 1999 gibt es keinen besonderen Kündigungsgrund der Ausländerfeindlichkeit. Wird sie jedoch zum Ausdruck gebracht, kann es einer werden. Ein an sich geeigneter Grund für eine fristlose Kündigung ist die Ehrkränkung, etwa wegen der Herkunft oder des Geschlechts. Hat der Arbeitnehmer absichtlich so gehandelt und besteht keine Aussicht auf Einsicht, kann ihn der Arbeitgeber je nach Schwere des Verstoßes sofort vor die Tür setzen. Ein schwerer Verstoß überwiegt die anderen Faktoren des Einzelfalls. Wenn es ein nicht so schwerer Verstoß ist, spielen diese eine größere Rolle. Hat der Arbeitnehmer sich vorher nichts zuschulden kommen lassen? Wie lange gehört er dem Betrieb an? Gab es eine Abmahnung? Ist er provoziert worden? Welche Chancen hat er auf dem Arbeitsmarkt? Und so weiter.

Spielt bei der Interessenabwägung auch die Branche eine Rolle?

Durchaus. Wenn auf einer Baustelle hart geredet wird, und der Arbeitgeber billigt das, fällt es ins Gewicht.

Und wenn sich jemand nicht am Arbeitsplatz, sondern in seiner Freizeit rassistisch äußert?

Im Öffentlichen Dienst gilt generell mehr Vorsicht, weil die Beschäftigten mit dem Staat identifiziert werden. Postet jemand auf einer Facebook-Seite rechtsradikale Äußerungen, kann das im Öffentlichen Dienst noch eher als in der Privatwirtschaft Grund für eine fristlose Kündigung sein. In jedem Fall spielt eine Rolle, wie eng der Bezug zum Arbeitsverhältnis ist. Beispiel: Jemand vergreift sich in seiner Freizeit sexuell an Kindern und arbeitet als Erzieher. Das bringt die Kinder in Gefahr und schadet zweifellos zusätzlich dem Ansehen des Arbeitgebers.

Was ist mit den sonstigen Auswirkungen auf den Betrieb?

Der Betriebsfrieden ist von großer Bedeutung. Da kommt die Zahl der einbezogenen Kollegen ins Spiel. Es ist ja ein Unterschied, ob jemand in der Umkleide jemand anderem persönlich etwas Böses sagt oder es auf einer Betriebsversammlung übers Mikrofon tut.

Und wenn der Fall nicht für eine fristlose Entlassung reicht?

Dann reicht es möglicherweise für eine fristgerechte Kündigung.

Hat das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG, dazu geführt, dass die Arbeitsgerichte mehr mit Kündigungen wegen ausländerfeindlichem Verhalten zu tun haben?

Das kann man nicht sagen. Doch wegen des AGG hat die Zahl von Entschädigungsansprüchen zugenommen, die geltend gemacht werden, weil jemand in einem Bewerbungsverfahren mutmaßlich benachteiligt worden ist. Aber für Arbeitsgerichte gelten zwei Grundsätze. Wir sollen in jeder Lage einen Vergleich fördern. Und es soll gerade in uneindeutigen Fällen ein langer Zug durch die Instanzen vermieden werden. Eine gütliche Einigung sorgt schnell und dauerhaft für Rechtsfrieden.

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