Kölner JVAKlingelpütz wird durch Neubau ersetzt

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Eine 1300 Meter lange Mauer umsäumt die JVA Ossendorf. Der Neubau entsteht am selben Ort.

Eine 1300 Meter lange Mauer umsäumt die JVA Ossendorf. Der Neubau entsteht am selben Ort.

Köln – Die rot-grüne Landesregierung will die marode Justizvollzugsanstalt (JVA) in Ossendorf abbrechen lassen und durch einen Neubau ersetzen. Das künftige Gefängnis soll nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ gut 100 Plätze weniger haben als die bestehende alte Anlage, die für 1134 Insassen vorgesehen ist. Die Neubaupläne seien Teil eines mehrere hundert Millionen Euro umfassenden Programms zur Modernisierung des Justizvollzugs, dem die Düsseldorfer Ministerrunde vor kurzem zugestimmt habe. Die Arbeiten sollen in zwei Schritten erfolgen, ein Teil der Häftlinge wird währenddessen in andere Städte verlegt.

Der Klingelpütz ist in die Jahre gekommen. 45 Jahre nach seiner Eröffnung mehren sich die Klagen über bauliche Mängel. Brandschutz und Elektrik seien nicht mehr zeitgemäß, das Gebäude insgesamt renovierungsbedürftig, sagte JVA-Leiterin Angela Wotzlaw bei ihrer Amtseinführung im September 2012.

In der Haftanstalt arbeiten 450 Vollzugskräfte. In welch desolatem Zustand sich Teile der Anlage befinden, verdeutlichten vor einiger Zeit die Angaben eines Bediensteten. Die sieben Beobachtungskanzeln an der 1300 Meter langen Außenmauer seien derart verdreckt und verwahrlost, dass die Kontrollposten sich davor ekeln würden, sie zu besteigen. Schießscharten in den Wachtürmen seien verklemmt und kaum noch zu öffnen. Gleiches gelte für einige der Türen und Schlösser in den Hafthäusern. Strom- und Abwasserleitungen müssen erneuert werden. In den Duschen gab es wiederholt Legionellen-Alarm.

Es bestehe kein Zweifel am Bedarf eines Neubaus, sagte ein Sprecher des Justizministers Thomas Kutschaty. Zunächst jedoch müsse das Vorhaben im Haushalt abgesichert sein. Finanzminister Norbert Walter-Borjans verschickt in diesen Tagen den Etat-Entwurf für 2015 an seine Ministerkollegen. Das Kabinett will das Zahlenwerk vor der Sommerpause beraten.

Ein Zeitplan für das Neubauvorhaben war nicht zu erfahren, ebenso wenig die voraussichtlichen Kosten. Ein Ministeriumssprecher hatte die Ausgaben 2012 auf 120 Millionen Euro geschätzt. Die Summe scheint jedoch niedrig bemessen zu sein. Für den Bau der JVA in Willich sind 200 Millionen Euro veranschlagt – und die ist mit 768 Haftplätzen um einiges kleiner als der Klingelpütz.

Der „alte“ Klingelpütz wurde 1838 als modernste Strafanstalt Preußens eingeweiht. An der Straße Am Klingelpütz hatte man um ein achteckiges Verwaltungsgebäude strahlenförmig vier Flügel mit den Zellen errichtet. Es galt in Köln nicht als unbedingt rufschädigend, im „Pütz“ eingesessen zu haben. Schließlich zählten auch zahlreiche Prominente, von Erzbischof Melchers (1884) bis hin zu Boxidol Peter Müller (1967), zeitweilig zu den Gästen der „Staatspension“. Immer wieder brachten Skandale das Gefängnis ins Gerede, es gab Prügelkommandos aus Aufsehern, zudem häuften sich Ausbrüche – allein zwischen 1960 und 1968 gelang 26 schweren Jungs die Flucht.

Die Lage im Herzen der Stadt erleichterte auch die Verbindung zur Außenwelt; aus benachbarten Häusern wurden Zeichen und Winksignale gegeben. Tröstende Rufe hallten nächtens immer wieder über die Mauern: „Liebchen, ich hab’ dich nicht betrogen!“ Oder: „Tünn, sach nix, ich saachen auch nix!“ Angesichts solcher Anekdoten vergaß man in Köln allzu leicht, welch traurige Rolle das Gefängnis in der NS-Zeit gespielt hatte: Hier befand sich die zentrale Hinrichtungsstätte der Sondergerichte, in der mehr als 1000 Todesurteile vollstreckt wurden. An diese Todesopfer erinnert seit 1979 ein Gedenkstein in der Parkanlage – die angelegt wurde, nachdem man den Klingelpütz 1969 abgerissen hatte. (cd)

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