Bau-PanneFluchtweg bei neuer Kita in Köln vergessen

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Die Geräte im Spielbereich der Kita sind seit fast zwei Jahren unbenutzt.

Die Geräte im Spielbereich der Kita sind seit fast zwei Jahren unbenutzt.

  • Eine Panne bei der Sicherheitsplanung sorgt dafür, dass die Kita an der Ottostraße in Neuehrenfeld seit fast zwei Jahren leersteht.
  • Es geht um einen vergessenen Fluchtweg, Brandschutz - und die Frage, ob eine Kita eine Arbeitsstätte ist.

Neuehrenfeld – Eine Kindertagesstätte ohne Kinder ist während der Sommerferien nichts Ungewöhnliches. Die Städtische Kita an der Ottostraße 76 steht aber seit fast zwei Jahren leer. Und das finden sowohl Kita-Eltern als auch Nachbarn durchaus ungewöhnlich, denn das Gebäude wurde bereits im Jahr 2014 fertiggestellt.

Die Paul-Klee-Gemeinschaftsgrundschule ist bereits von der Overbeckstraße hierher gezogen. Die noch nicht schulpflichtigen Kinder, die eigentlich hier betreut werden sollten, besuchen stattdessen aber immer noch ein Provisorium aus Containerbauten. Es steht an der Hans-Wild-Straße.

Über den Grund, weshalb den Kleinsten der Einzug bislang verwehrt wurde, bekamen die Eltern nur vage Auskunft. „Laut unserem Informationsstand wurden beim Bau Fehler gemacht. Es wurden die Brandschutz- oder Fluchttüren falsch eingebaut“, sagt Elternratssprecherin Johanna Wegner.

Das sagt die Stadt

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ist die Erklärung aber komplizierter. Das Presseamt gab zur Auskunft: „Aufgrund von Hinweisen der Steuerungsstelle Gesundheitsmanagement und Arbeitsschutz konnte die Kita Ottostraße noch nicht in Betrieb genommen werden.“

Und weiter: Es habe internen Klärungsbedarf über erforderliche Arbeits- und Brandschutzmaßnahmen gegeben. Vorrangig handele es sich „um einen Normenkonflikt“ und die unterschiedlichen Anforderungen aus Bauordnung und Arbeitsstättenverordnung. „Es ist unklar, ob die Arbeitsstättenrichtlinie für Kitas und Schulen gilt – in anderen Bundesländern wird sie nicht hierfür angewendet“, sagte eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage.

Während nach der Bauordnung der Brandschutz in der Kita ausreichend sichergestellt sei, müssten nach den Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung Sicherungsmaßnahmen für die Fluchtmöglichkeiten nachgebessert werden.

Laut Arbeitsstättenverordnung muss beispielsweise immer ein zweiter Fluchtweg vorhanden sein. Der werde in den Sommerferien erstellt. Ende September sei die Kita bezugsfertig.

Ähnlicher Konflikt in Münster

Dass es Unklarheit darüber gibt, ob eine Kindertagesstätte zugleich auch eine Arbeitsstätte ist, verblüfft. Für jedermann via Internet zugänglich ist beispielsweise eine von der Unfallkasse NRW und den Landesjugendämtern Rheinland und Westfalen-Lippe erarbeitete Broschüre mit dem Titel „Die sichere Kindertageseinrichtung – eine Arbeitshilfe zur Planung und Gestaltung“.

Darin sind als rechtliche Grundlagen unter anderem das Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitsstättenverordnung genannt. Unter der Webadresse sichere-kita.de ist die Broschüre als interaktives Bilderbuch einsehbar.

Auch der Wohlfahrtsverband Der Paritätische erwähnt in einer Broschüre zum Arbeitsschutz in Kindereinrichtungen die Arbeitsstättenverordnung. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege informiert über die „Gefährdungsbeurteilung in der Kinderbetreuung“. Als relevant wird unter anderem die Arbeitsstättenverordnung erwähnt.

Einen ähnlichen „Normenkonflikt“ wie in Neuehrenfeld gab es jedoch kürzlich in Münster. Eine Elterninitiative setzte sich gegen die Schließung ihrer Kita zur Wehr. Sie berief sich auf die Feuerwehr und ein Ingenieurbüro, die beide die Sicherheitsanforderungen erfüllt sahen. Dagegen verfügte die Bezirksregierung die Schließung, weil sich nicht alle Fluchttüren nach außen öffneten. Das widerspreche der Arbeitsstättenverordnung. Eine Ausnahme davon gebe es nicht, zitiert eine Zeitung die Sprecherin der Bezirksregierung.

Laut Jörg Feldmann, Pressesprecher der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, gebe es immer wieder solche Fälle. Daher habe die Bundesanstalt ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das Aufschlüsse über etwaige Abweichungen geben soll. Ziel seien Nachbesserungen bei den Regelwerken. Die Arbeitsstättenverordnung erfordere beispielsweise einen Meter breite Fluchttüren, wogegen gemäß Bauordnung 90 Zentimeter genügten. Jedes Bundesland habe jedoch eine eigene Bauordnung.

Die Arbeitsstättenverordnung beschreibt zwar Mindestanforderungen, die aber werden durch weitere Regeln konkretisiert. Dadurch können sich unterschiedliche Anforderungen für Kitas und für Schulen ergeben.

Schlagzeilen machte der Neubau für eine Schule und eine Kindertagesstätte an der Ottostraße bereits vor rund sechs Jahren. Zunächst beschwerten sich Anwohner, als für den Bau ein breiter Streifen aus Bäumen und Sträuchern gerodet wurde – ihr bisheriger Schutz vor dem Lärm und den Abgasen der nahen Autobahn A57. Kurz bevor die Kinder der Grundschule Overbeckstraße ihr neues Domizil bezogen, schlugen Eltern Alarm, weil sie fürchteten, dass nicht in ausreichendem Maß für den Schutz der Kinder vor Lärm und Feinstaub gesorgt sei.

Ehe die neue Schule mit Turnhalle und Kindergarten gebaut wurde, befand sich auf dem Grund lediglich eine Kindertagesstätte. In unmittelbarer Nachbarschaft liegt das Albertus-Magnus-Gymnasium, das für den Schulneubau einen Teil des Lehrerparkplatzes abgeben musste. Als die Grundschule dann eingezogen war, stellte man fest, dass der Weg zum Schuleingang über den verbliebenen Teil des Parkplatzes führte. Erst nachdem die Bezirksvertretung deshalb Nachbesserungen gefordert hatte, wurde ein Zaun als Trennung zwischen Grundschule und Parkplatz errichtet.

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