Nach monatelangem StreitEin neues Theater für Ehrenfeld entsteht

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Lale Akgün (v.l.), Richard Bargel und Bettina Montazem

Lale Akgün (v.l.), Richard Bargel und Bettina Montazem

Köln-Ehrenfeld – „Der Rest ist Schweigen“: Das Zitat aus der Shakespeare-Tragödie „Hamlet“ war einige Wochen lang als scheinbar unumstößlicher letzter Gruß im Schaufenster des Theaters in der Platenstraße angeschlagen.

Angedrohte Zwangsräumung

Es war die Abschiedsbotschaft des Vereins „Bühne der Kulturen“, dessen Mietverhältnis im Streit und unter einer angedrohten Zwangsräumung endete. Das aber ist Vergangenheit. Seit Anfang Oktober gibt es für die Spielstätte neue Mieter. Die stellen sich mit einem Satz aus dem Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse vor: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“

Das Theatergebäude in der Platenstraße

Das Theatergebäude in der Platenstraße

Der Verein Ensemble Phönix Bühnenspielgemeinschaft, ein Tournee-Theater aus Bayenthal, schickt sich an, die vor mehr als 30 Jahren begonnene Ehrenfelder Theater-Tradition fortzusetzen.

Alles zum Thema Henriette Reker

Unter dem Namen „Urania-Theater“ soll in der Platenstraße dem Publikum Theater, Tanz und Musical geboten werden. „Urania Schauspiel Ehrenfeld“ hieß einst das erste Kölner Stadtteil-Theater. Es wurde 1985 im ehemaligen Urania-Kino in der Thebäerstraße eröffnet. Zog aber wenig später mitsamt seinem Namen zur Platenstraße, wo es bis 1996 existierte.

Zum Vorstand des Vereins, der kürzlich einen Mietvertrag für die Räume abschloss, gehören Bettina Montazem als erste Vorsitzende und der bekannte Bluesmusiker Richard Bargel als ihr Stellvertreter. Die im Iran geborene Regisseurin will das Haus zunächst in ähnlicher Form weiterführen, wie es zuletzt konzipiert war. Das Ensemble Phönix sei seit längerem auf der Suche nach einer festen Bleibe, so Montazem.

Kooperation mit Bonner Theater

Möglicherweise wird es mittelfristig sogar zwei Häuser haben. Erst kürzlich hat der Vereinsvorstand eine Kooperation mit dem „Kleinen Theater“ in Bonn-Bad Godesberg beschlossen mit dem Ziel, 2019 vom jetzigen Betreiber die Leitung zu übernehmen. „Das verfolgen wir auch weiterhin“, sagt Bargel.

In Ehrenfeld soll dagegen vom voraussichtlichen Eröffnungstag 7. November an eine Spielstätte für Ensembles oder einzelne Künstler aus unterschiedlichen Kulturen betrieben werden. „Wir werden dabei eine Reihe von Gastspiel-Terminen übernehmen, die noch mit dem alten Betreiber vereinbart worden waren“, erklärt Bettina Montazem. Entsprechende Kontakte gebe es bereits.

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Sie könne sich auch vorstellen, dass der Verein „Bühne der Kulturen“ die Spielstätte mittelfristig wieder für Produktionen nutzen könne. „Uns ist bewusst, dass wir momentan wie die bloßen Nutznießer dastehen, während die Bühne der Kulturen „von vielen als Opfer gesehen wird“, sagt Bettina Montazem.

Zweifel an Rassismus-Vorwürfen

Sie habe gehört, dass im Zusammenhang mit der Kündigung des Mietverhältnisses auch Rassismusvorwürfe gegenüber dem Vermieter Keks e.V. erhoben worden seien. „Wenn dies stimmen würde, glaube ich kaum, dass sie mit mir als Iranerin einen Vertrag geschlossen hätten.“

Mit Blick auf das von Streit begleitete Ende des letzten Mietverhältnisses zwischen der „Bühne der Kulturen“ als Mieter und der Kölner Eltern- und Kinder-Selbsthilfe Keks e.V. als Vermieter sagt Richard Bargel: „Es ist dem Keks e.V. hoch anzurechnen, dass er bereit war, hier die Theaterarbeit fortzusetzen.“ Es habe eine Reihe von Interessenten gegeben, die das Gebäude anderweitig nutzen wollten, ergänzt Bettina Montazem.

Unter anderem sei darüber nachgedacht worden, die Theaterräumlichkeiten, die zuvor einmal Supermarkt, Kinosaal und Versammlungsstätte waren, zu einer Turnhalle für die benachbarte Grundschule umzubauen.

Kontroverse Reaktionen auf Neustart

Der Neustart der Theaterarbeit in Ehrenfeld löst unterschiedliche Reaktionen aus. "Sommerblut"-Regisseur Rolf Emmerich freut sich, dass der Standort weiterbesteht, "an dem ich immer gern gearbeitet habe, aber auch viel Schmerzensgeld lassen musste". Die bereits zehn Jahre währende jährliche Kooperation mit den jeweiligen Verantwortlichen der „Bühne der Kulturen“ sei nicht immer einfach gewesen.

Bürgermeister sagt Unterstützung zu

Dagegen pocht Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD) auf den Beschlüssen von Bezirksvertretung und Kulturausschuss, den Verein „Bühne der Kulturen“ zu unterstützen. Zunächst stünde dabei die Suche nach einem neuen Standort im Vordergrund, möglichst in Ehrenfeld.

Die neuen Betreiber in der Spielstätte Platenstraße habe er noch nicht kennengelernt. Zuschüsse durch die Bezirksvertretung schloss Wirges aber aus. Grundsätzlich vertritt Wirges den Standpunkt, dass es nicht in Ordnung sei, wenn ein Vermieter - Keks e.V. - durch seine Entscheidung die politischen Beschlüsse ignoriere. Zudem sei es inakzeptabel gewesen, das Gesprächsangebot von Oberbürgermeisterin Henriette Reker auszuschlagen.

Eine Chance für die neuen Betreiber

Moderater gibt sich Ratsherr Klaus Schäfer (SPD), der zwar finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln ebenfalls ausschließen möchte, aber den neuen Betreibern zumindest eine Chance geben will. „Die können ja nichts für die Vorgeschichte“, so Schäfer.

Dagegen kann sich Ratsmitglied Ralph Elster (CDU) durchaus eine Unterstützung vorstellen. Es gebe einen Topf von 500 000 Euro zur Unterstützung freier Theater bei deren Investitionen. „Das würde also passen“, so Elster. Später könne man über Projektförderung reden.

Die inhaltliche Ausrichtung des künftigen neuen „Urania-Theaters“ ist als „Mehrspartenhaus“ konzipiert. Theaterstücke, Musical und Tanzinszenierungen sollen auf den Spielplan. Darüber hinaus ist Montazem ein gesellschaftspolitischer Diskurs wichtig. „Ich sehe es als wichtigste Aufgabe von Künstlern, Impulse in die Gesellschaft zu geben.“ Mehrere Reihen zu aktuellen sozialen und politischen Fragestellungen sind in Vorbereitung. Eine der Kuratorinnen ist die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün. Sie engagiere sich jedoch als Privatperson, nicht als Politikerin, sagt Akgün: „Zuallererst ist doch wichtig, dass der Theaterstandort hier erhalten werden konnte.“ Zudem wünsche sie sich sehr, dass es sowohl für das Urania, als auch für die „Bühne der Kulturen“ eine Perspektive geben könne. „Das wäre doch für Ehrenfeld der Idealfall.“ Ein klarer Schnitt mit dem alten Betreiber an der Platenstraße sei aber notwendig gewesen. „Ich war ja lange als Paartherapeutin tätig. Da habe ich in manchen Fällen auch zur Trennung geraten“, sagt sie.

Das sind die „Neuen“

 Das Ensemble Phoenix: Die Bühnenspielgemeinschaft wurde 2006 als „Theater Die Baustelle“ von Bettina Montazem in Bayenthal gegründet. In einer ehemaligen Schlosserei an der Bonner Straße entstand in Eigenarbeit ein kleiner Theatersaal mit 45 Plätzen, der bis 2014 Spielstätte des zwölfköpfigen Ensembles war.

Kinderstücke wurden als erstes aufgeführt. Von 2009 an gab es auch Darbietungen für Erwachsene aus den Sparten Schauspiel, Musik und Tanz.

Als Tourneetheater ist das Ensemble seit 2014 bundesweit sowie im deutschsprachigen Ausland unterwegs. Auch, um die Finanzierung der festen Spielstätte zu sichern. Seit 2016 hat die Gruppe den Namen Ensemble Phönix. 

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