Gemeinschaftsgrundschule im SüdenHündin Lotta hilft durch den Schulstress

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„Stressfresserin“ nennt Lehrerin Christina Bettermann ihre Hündin. Zweimal wöchentlich nimmt sie Lotta mit in die Schule.

„Stressfresserin“ nennt Lehrerin Christina Bettermann ihre Hündin. Zweimal wöchentlich nimmt sie Lotta mit in die Schule.

Meschenich – Überall Gerüche. Brot, Wurst, Mandarinen. Für Lotta gibt es Angenehmeres als eine Frühstückspause: Der neun Monate alte Labrador ist Schulhund an der „Gemeinschaftsgrundschule im Süden“ im Stadtteil Meschenich – und Liebling aller Kinder in der Eisbären-Klasse.

22 Kinder aus sieben Nationen, sieben oder acht Jahre alt, besuchen die 2a. Ein Plakat an der Schultür begrüßt sie in mehreren Sprachen, auch Kölsch ist dabei. Die Mädchen und Jungen kommen aus Elternhäusern mit höchst unterschiedlichem Hintergrund. „Wir haben ein großes Gefälle hier“, sagt Christina Bettermann (29), die Klassenlehrerin, „Lotta ist da auch Bindeglied verschiedener Schichten.“

Mit einem Lied von Rolf Zuckowski endet die Frühstückspause an diesem Freitagmorgen. Lotta liegt ruhig auf der Decke vor dem Pult. Es wird lauter, einige Kinder streicheln sie. Bettermann unterbricht. „Lotta kommt zu Euch, das ist goldene Regel“, sagt sie. Die feinfühlige, schokoladenbraune Hündin ist für die Kinder Ruhepol und Belohnung zugleich. „Stressfresserin“ und „Assistentin“ nennt Bettermann sie.

Davon bräuchte es manchmal mehr, sagt die Lehrerin. In Ihrer Klasse sitzen auch Kinder mit erhöhtem Förderbedarf, nicht täglich kann ein Sonderpädagoge als Unterstützung dabei sein. Meschenich gilt als sozialer Brennpunkt – hier hilft Lotta als Teil des pädagogischen Konzepts.

Auf die Idee, einen Schulhund in den Unterricht einzubinden, hat Bettermann eine Kollegin gebracht. Während ihres Referendariats hatte sie bereits ihren vorherigen Hund mit zur Arbeit genommen. „Tiere können eine sehr beruhigende Wirkung auf Kinder haben, das hat mich schon damals fasziniert“, sagt die Lehrerin.

Kurz vor den Sommerferien nahm sie dann Lotta das erste Mal mit in ihre Klasse. Mittlerweile ist die Hündin zweimal pro Woche dabei; immer montags und freitags. „Lotta kann andere Zugänge schaffen, auch problematische Kinder öffnen“, ist sie sicher.

2000 bis 3000 Schulhunde in Deutschland

Die Schulbegleithund-Idee ist nicht neu. Wie viele es davon bundesweit gibt, ist in keiner Statistik erfasst. Geschätzt sind es 2000 bis 3000 in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen entscheidet jede Schule eigenverantwortlich über den Einsatz von Schulhunden. Das Schulministerium befürwortet die Idee grundsätzlich. Häufig habe ihre Anwesenheit eine positive Wirkung auf Schülerinnen und Schüler.

Sie würden lernen, verantwortungsvoll mit Lebewesen umzugehen, das soziale Klima in der Klasse verbessere sich, die geistige Entwicklung der Kinder werde gefördert und die Schulkultur insgesamt gestärkt. „Wichtig für den Einsatz sei jedoch eine entsprechende Fortbildung der Lehrkräfte sowie eine Einbindung in das pädagogische Konzept der Schule“, heißt es weiter aus dem Schulministerium. Eine staatlich anerkannte Prüfung für Schulhunde gibt es nicht. In seinem Papier zum Einsatz von Schulhunden beschränkt sich das Ministerium auf Hinweise zur Hygiene, Sicherheit und Versicherung des Tieres.

Für Lydia Agsten greift das zu kurz. Sie ist Organisatorin der Online-Plattform „Schulhundweb“ und kritisiert, dass Tiere zwar in den Unterricht mitgenommen werden dürfen, es aber keine speziellen Vorschriften für Tier und Lehrkraft gebe. Seit Jahren engagiert sie sich in regionalen „Arbeitskreisen Schulhund“ für eine qualifizierte Weiterbildung in diesem Bereich.

Eine zeit- und kostenintensives Ausbildung

Agsten, selbst mehr als 30 Jahre Sonderschullehrerin, hat erstmals 2002 einen Hund in der Schule eingesetzt. Doch oft beschleicht sie „das Gefühl, dass es vielen vor allem darum geht, sich ihren Traum vom Hund im Klassenzimmer zu erfüllen“. Agsten, die selbst seit 2008 Schulhunde ausbildet, plädiert für ein gründliches Training der Tiere. Und sie wirbt dafür, sie langsam an den Schulalltag heranzuführen sowie Halter und Hund stetig weiterzubilden.

60 Stunden – verteilt auf vier Wochenenden – umfasst bei ihr das Grundseminar für die Ausbildung eines Schulbegleithundes. Ein solches Seminar kostet Schulen oder Fördervereine etwa 1000 Euro, es ist damit zeit- und kostenintensiv. Das sieht auch Christina Bettermann so. Ihr Hund Lotta besuchte schon als Welpe eine Hundeschule und wurde dort an Gesellschaft gewöhnt. Im Februar dieses Jahres wird sie dann auch offiziell den Kursus für Schulbegleithunde beginnen.

Aus Last wird ein Lachen

Nun steht für Lotta und die Schüler der Eisbären-Klasse aber erst einmal Deutsch auf dem Stundenplan. Lotta tapst durch die Klasse. Aktiv zum Einsatz, in dem sie den Schülern etwa einzelne Unterrichtsmaterialien an den Platz bringt, kommt sie momentan noch nicht, das braucht noch etwas Zeit. Sie hilft anders: Ein Junge aus der Klasse verzweifelt an den blöden Namenwörtern. „Großschreiben“, wiederholt er leise und schafft es nicht. Lotta spürt, dass der Junge Hilfe braucht. Kurz schleckt sie ihm durchs Gesicht, um ihre Zuneigung zu zeigen – und aus Last wird ein Lachen.

Es klingelt zur großen Pause. Auch für den jungen Labrador. Die Hündin ist nun aufgedreht, wie ausgetauscht. Schon lange jagen die Kinder sie nicht mehr auf dem Hof. Jetzt zählt nur noch Bällchenspiel mit Christina Bettermann. Und Lotta darf einfach nur mal Hund sein.

www.schulhundweb.de

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