Heimunterbringung in KölnGeschäfte auf dem Rücken von Kindern?

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Symbolbild

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Köln – Bis zu 65.000 Euro pro Jahr kann es die Stadt und somit den Steuerzahler kosten, wenn das Jugendamt ein Kind aus einer Familie holt und in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung unterbringen muss. Seitdem Anfang der Woche Experten und Mitarbeiter von Jugendhilfeeinrichtungen in einem Fernsehbericht heftige Kritik an der Rolle freier Träger in diesem Hilfesystem geübt haben, wird heftig diskutiert. Bei denjenigen, die sich um die Kinder kümmern sollen, werde viel Geld verdient und zu wenig für die Kinder getan, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter der Kölner Stiftung „Leuchtfeuer“ und bezieht seinen ehemaligen Arbeitgeber mit in die Kritik ein.

Rund 160 Millionen Euro zahlt die Stadt pro Jahr für sogenannte „Hilfen für Erziehung“. Die teuerste Maßnahme ist die stationäre Unterbringung von Kindern und Jugendlichen, die wegen Gefährdungen und Verwahrlosung aus den eigenen Familien genommen werden. Die Zahl dieser „Inobhutnahmen“ ist 2014 weiter gestiegen. Bundesweit wie auch in Köln lag die Zahl noch nie so hoch. Fast 3000 Kinder und Jugendliche mussten nach einem entsprechenden Gerichtsbeschluss außerhalb der Familien untergebracht werden. Wer nicht in eine Pflegefamilie kann, kommt in ein Heim. Und dann wird es richtig teuer.

Es interessiert nur die Bilanz

Man habe es mittlerweile mit einer regelrechten „Industrie“ zu tun, so die Kritik, die auch der nicht unumstrittene Berliner Ex-Bezirksbürgermeister und Buchautor Heinz Buschkowsky äußerte. „Das einzelne Kind interessiert nicht, sondern die Bilanz“, behauptet der Rechtsanwalt Thomas Saschenbrecher. In der ARD-Reportage „Die Story“ zeichneten die Autoren ein düsteres Bild der deutschen Trägerlandschaft in diesem „Geschäft“. „Die Jugendämter werfen Kinder auf den Markt“, sagt der ehemalige „Leuchtfeuer“-Mitarbeiter. „Sie sind froh, wenn ihnen ein freier Träger die Jugendlichen abnimmt.“ Dafür werde dann viel Geld gezahlt – und zwar mehr, als letztlich dort ankomme, wo das Kind betreut wird. Jugendämter zahlten für Leistungen, die nicht erbracht würden. Kontrollen fänden nicht statt, so die Mitarbeiterin einer Einrichtung in Norddeutschland, die von der Kölner Stiftung mit der Betreuung eines Jungen beauftragt worden war.

Auch das Kölner Jugendamt arbeitet eng mit freien Trägern der Jugendhilfe zusammen. Über zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen, die aus der Familie geholt werden, kommen nicht mehr in städtische Einrichtungen. Die Gefahr, mit einem Träger zusammenzuarbeiten, der betrüge und zu viel kassiere, liege „im Promillebereich“, sagt Klaus-Peter Völlmecke, stellvertretender Leiter des Kölner Jugendamts, wo man sich über die Pauschalkritik ärgert.

In Köln würden die städtischen Sozialarbeiter regelmäßig Kontakt mit den Betroffenen halten und sie in den Einrichtungen besuchen. Mit den Trägern würden regelmäßige „Qualitätsdialoge“ durchgeführt, außerdem prüfe das Landesjugendamt. „Es gibt nur einen ganz kleinen Sektor, in dem es überhaupt zu Problemen kommen kann“, so Völlmecke. Pauschalurteile wie von Buschkowsky seien unfair. „Wenn die Berliner Jugendämter keine Kontrollen durchführen können, liegt das daran, dass sie nicht vernünftig ausgestattet sind.“ Man könne nicht von Berlin auf Köln schließen.

Auch die Stiftung Leuchtfeuer weist die Kritik an ihrer Arbeit und Abrechnungspraxis zurück. Der ehemalige Mitarbeiter hatte von einem Fall berichtet, in dem die Stiftung 5400 Euro pro Monat für die Betreuung eines Jugendlichen bekommen, dann aber nur 3200 Euro weiter gegeben habe. Da er keinen Namen nannte, ist eine Überprüfung der Aussage nicht möglich.

Die Stiftung Leuchtfeuer hat eine vierseitige Erklärung ins Internet gestellt, in der sie sich mit den Vorwürfen auseinandersetzt und um Transparenz bemüht. Die Stiftung dürfe überhaupt keinen Gewinn machen. Wenn es Überschüsse gebe, seien diese „zweckgebunden und müssen in die gemeinnützige Arbeit zurückfließen“. Man unterliege einer „strengen Überwachung“.

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