Streit um Kölner Höhenkonzept„Es entsteht der Eindruck, die Stadt sei erpressbar“

Lesezeit 7 Minuten
Pläne DEVK-Zentrale 3

So könnte die neue DEVK-Zentrale in Köln einmal aussehen.

Köln – Das geplante neue Höhenkonzept für einen größeren Bereich als die Innenstadt sorgt für Diskussionen, weil die Verwaltung angekündigt hat, nur „relativ grob” festzulegen, wo wie hoch gebaut werden darf. Man verspricht sich davon mehr Flexibilität. Der frühere Planungsdezernent von Frankfurt, Prof. Dr. Martin Wentz, hält das im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger” für einen Fehler.

Herr Prof. Dr. Wentz, die Stadt Köln erstellt gerade ein neues Konzept für Hochhäuser. Worauf kommt es dabei an?

Martin Wentz: Historisch gibt es drei städtebauliche Konzepte, wie Städte mit Hochhäusern umgehen. Erstens: Hochhäuser werden in ein Cluster, also in einen Pulk, dicht beieinander gestellt. Das ist eigentlich die Regel. Zweitens: Städte lassen sie entlang bestimmter Achsen zu, vergleichbar mit einer Perlenkette. Und drittens: Städte erlauben sie in einem Ring, so wie es früher mit den Türmen von Stadttoren war. Mir scheint aber, die Stadt Köln folgt keiner dieser drei städtebaulichen Prinzipien. Dann fehlt die Grundlage einer städtebaulichen Begründung. Wenn ich keine Grundideen der Platzierung von Hochhäusern in der Stadt habe, kann ja eigentlich jeder Grundstückseigentümer kommen und sagen: Ich möchte ein Hochhaus bauen.

Wentz

Prof. Dr. Martin Wentz

Die Stadt will nun auf klare Kriterien verzichten, wo konkret in Köln die Hochhäuser wie hoch sein dürfen. Sie begründet das erstens damit, dass es länger dauere, diese Kriterien zu erarbeiten. Und zweitens, dass sie sich mehr Flexibilität erhofft. Aber macht es nicht mehr Sinn, diese Kriterien einmal festzulegen, damit Verwaltung und Politik danach mal zehn Jahre Ruhe im Karton haben bei dem Thema?

Ja. Grundsätzlich ist das so. Und wenn die Stadt die Kriterien einmal festgelegt hat, spart sie sich viel Zeit später bei der Bewertung der einzelnen Hochhausprojekte . Außerdem sollte für die Bürgerinnen und Bürger klar nachvollziehbar sein, wo überhaupt in Köln Hochhäuser gebaut werden dürfen. Das ist auch für die Verwaltung und den Stadtrat von Vorteil, weil sie sich nicht bei jedem neuen Hochhaus-Projekt rechtfertigen müssen, warum an dieser Stelle so hoch gebaut werden darf. Je präziser ich als Verwaltung sage, wo in einer Stadt wie hoch gebaut werden darf, desto größer ist die Sicherheit und Transparenz für die Öffentlichkeit.

Zur Person

Prof. Dr. Martin Wentz, 77, leitet eine Projektberatungsfirma in Frankfurt/Main. Er war von 1989 bis 2001 Planungsdezernent und Baustadtrat in Frankfurt. Die Stadt wird allgemein mit vielen Banken-Hochhäusern verbunden, teils über 200 Meter hoch. In Anlehnung an Manhattan heißt sie deshalb auch mal "Mainhattan".

Der Hochhaus-Bau ist keine Verhandlungssache mehr.

Jedenfalls reduziert sich die Verhandlungsmasse. Ein Hochhaus-Projekt ist bei klaren Kriterien wesentlich einfacher zu verhandeln zwischen Investor und Stadt. Für eine Stadtverwaltung ist es immer schwierig, wenn sie sich mangelnde Transparenz vorwerfen lassen muss.

Das könnte Sie auch interessieren:

Aus dem Stadtrat gibt es kritische Stimmen an der geplanten neuen Vorgehensweise der Stadt, die Linken sprechen davon, die Stadt gehe den Investoren auf den Leim.

Das kann ich so nicht beurteilen. Nochmal: Es ist einfach wichtig, dass Verwaltung und Politik festzurren, wo in einer Stadt Hochhäuser gebaut werden dürfen und wie hoch sie maximal sein dürfen. Und dann ist auch klar, wo es eben nicht erlaubt ist. Diese Regeln bringen nicht nur den Bürgern in Köln mehr Sicherheit, auch die Verwaltung und die Grundstückseigentümer beziehungsweise Investoren haben eine größere Klarheit.

Warum?

Wenn die Stadt mit Investoren über ein Bauprojekt spricht, muss sie doch einen Kriterienkatalog haben, damit sie sagen kann: Ja, hier ist ein Hochhaus möglich. Oder nein, hier ist kein Hochhaus möglich. Wie will die Verwaltung das denn ohne vom Stadtrat beschlossene Vorgaben gegenüber den Investoren rechtfertigen? Dann sagt ein Unternehmen: „Da drüben habt ihr ein Hochhaus genehmigt, mir erlaubt ihr es anderer Stelle aber nicht. Das ist ungerecht.“

Welchen Vorteil hat es, an einem Standort eine maximale Höhe festzulegen?

Wichtig ist: Wenn die Stadt eine bestimmte Höhe an einem Standort festlegt, ist das immer nur eine maximale Höhe. Ob diese Höhe tatsächlich verträglich an der Stelle ist, muss für jedes Hochhaus per Gutachten in einem Bebauungsplanverfahren separat untersucht werden. Da geht es um Klimaauswirkungen, Verschattungen oder Lärm sowie deren Auswirkungen auf die Nachbarschaft.

Wenn an einer Stelle maximal 120 Meter für ein Hochhaus möglich sind, heißt das demnach nicht, dass dort automatisch auch 120 Meter erlaubt werden?

Exakt. Wenn eine Stadt aber keine Maximalgrenzen für Standorte festlegt, eröffnet das Verhandlungsspielraum ohne Ende für die Investoren.

Die Stadt Köln verweist auf Berlin und München, die demnach den Umgang mit Hochhäusern unterschiedlich streng regeln.

Ich sehe überhaupt keine Vorteile bei einem offenen und weniger verbindlichen Höhenkonzept. Was soll es für Vorteile geben? Das führt doch nur zu langen Verhandlungen und Druck. Das zeigt gerade das aktuelle Beispiel aus Köln, dass der Versicherer DEVK droht, ins Umland abzuwandern, wenn die Stadt seine Pläne nicht unterstützt. Das muss doch der Politik in den Ohren klingeln, zumal öffentlich der Eindruck entsteht, die Stadt sei erpressbar.

Was bedeuten Hochhäuser für die Nachbarschaft?

Das muss man sich immer im Einzelfall anschauen. Aber natürlich kann sich ein Hochhaus auf das Umfeld auswirken bei der Wärmebelastung, der Lufthygiene, der Windverhältnisse, dem Lärm und der Verkehrsbelastung.

Köln hat ein spezielles Verhältnis zu Hochhäusern wegen des Doms.

Ja. Umso wichtiger erscheint es mir, dass Köln die Hochhäuser an einer Stelle in einem Pulk bündelt. Das passt aber vielen Grundstückseigentürmern nicht, weil ihre Grundstücke außerhalb davon liegen. Aber diese Lösung vereinfacht die Situation für Verwaltung und Politik massiv.

Köln hat zu wenige Wohnungen, braucht neue Büroflächen. Was taugen Hochhäuser dabei als Lösung?

Für den Wohnungsbau sind Hochhäuser überhaupt keine Lösung. Das ist eine Scheindiskussion, die da geführt wird. Wohnungen in einem Hochhaus sind sowohl bei den Verkaufspreisen als auch den Mieten für fast die gesamte Bevölkerung nicht zu finanzieren. Und der Sickereffekt ist auch marginal, also dass gut verdienende Haushalte dort einziehen und dadurch andere, günstigere Wohnungen frei werden. Hochhäuer kann man für Wohnungen bauen, aber es ist eine Scheindiskussion, damit den Wohnungsmarkt zu entlasten.

Und bei Bürotürmen?

Da ist es anders und entscheidet sich an der Frage, ob es in einer Stadt große Unternehmen mit viel Flächenbedarf gibt. Das ist in Köln der Fall. Konzentrieren diese Unternehmen sich jeweils in einem Hochhaus an einem Standort, entlastet das schon den Büromarkt.

Das Kölner Höhenkonzept

2020 hat der Stadtrat die Verwaltung beauftragt, ein neues Höhenkonzept für das Kölner Stadtgebiet innerhalb des Äußeren Grüngürtels auf beiden Rheinseiten zu erstellen.

Das bisherige Konzept aus dem Jahr 2007 regelt – grob gesagt – nur die linksrheinische Innenstadt. Der Rat hatte es eingeführt, um die romanischen Kirchen und den Dom zu schützen. Es legte fest, wo Häuser höher als zwischen 13,50 und 22,50 Metern sein dürfen. Allerdings kann der Rat Ausnahmen machen, auch vor Gericht hielt es nicht stand. Deshalb teilte die Verwaltung mit: „Auch ein beschlossenes Höhenkonzept bedeutet daher nicht unbedingt, dass jegliche Diskussionen beendet sind.“

In dem neuen Konzept sollen Qualitätskriterien für neue Hochhäuser entwickelt werden. Der Antrag stammte – anders als üblich – von vielen Fraktionen gemeinsam, die sich zusammengetan hatten: Grüne, CDU, SPD, Linke und FDP. Darin heißt es: „Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen und vor dem Hintergrund eines sparsamen Umgangs mit Grund und Boden ist es notwendig, die bisherigen Regeln für den historischen Kern um ein Konzept für die Höhenentwicklung im Bereich der Inneren Stadt zu ergänzen.“

Die Verwaltung hat nun mitgeteilt, dass sie die Kriterien innerhalb eines Jahres erstellen könnte. Die Frage, wo wie hoch gebaut werden darf, will sie laut eigener Aussage aber „relativ grob“ fassen, sie verspricht sich davon mehr Flexibilität. (mhe)

KStA abonnieren