Gerling-QuartierAnwohner beklagen Bau-Pfusch im Kölner Luxusviertel

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Wohnungen im Gerling-Quartier 

Wohnungen im Gerling-Quartier 

  • Im „Haus von Werth“ gibt es offenbar zahlreiche Mängel.
  • Anwohner beschweren sich über einen Balkon, auf dem das Wasser nicht abfließt, aufgequollene Türen und unsauber gezogene Fugen.

Köln – Die Umgestaltung des Gerling-Quartiers gilt weithin als ein Kölner Vorzeigeprojekt – doch ein Blick hinter die Kulissen zeigt, dass dort längst nicht alles so glatt läuft, wie es nach außen scheint. Axel Riecker steht im Flur seiner Wohnung im Neubau mit dem wohlklingenden Namen „Haus von Werth“. Eigentlich sollte der Umzug im August 2015 stattfinden – stattdessen wohnt er, nach einer Übergangszeit in einem Hotel, bis heute in einer Ersatzwohnung. Sein Eigentum kennt er bislang nur als Besucher, da er aufgrund einer Vielzahl an Baumängeln nicht einziehen kann – und will. Riecker blickt auf die Fliesen, die keine ebene Fläche bilden, weil einige tiefer in den Boden eingelassen wurden als andere. Die Fugen sind mal breiter und mal schmaler. Das Ganze wirkt wie ein Bürgersteig, bestehend aus schlecht verlegten Steinplatten. Aber: Riecker hat knapp eine Million Euro in die Wohnung investiert.

Angesichts dieser Summe und der Werbeversprechen des Projektentwicklers Immofinanz hatte er fest damit gerechnet, Eigentümer einer Premium-Wohnung zu werden. Doch das Gutachten eines Sachverständigen, den er mittlerweile hinzugezogen hat, umfasst stolze neun Seiten. Die Liste der Mängel reicht von einem Balkon ohne ausreichendes Gefälle, auf dem das Wasser nicht abfließt, über aufgequollene Türen und unsauber gezogene Dehnungsfugen bis hin zu Fehl- und Flickstellen im Putz. Der Höhepunkt zeigt sich in einem kleinen Raum, in dem der Sicherungskasten so vor die Telefonanlage montiert wurde, dass sich diese nicht mehr öffnen lässt.

„Es ist sicher normal, dass auch bei einem Neubau nicht alles sofort in Ordnung ist, aber bei diesem Preisniveau sind das eindeutig viel zu viele Mängel“, sagt Riecker. Was ihn aber am meisten störe, sei der Umstand, dass die Probleme nur langsam und zum Teil überhaupt nicht beseitigt würden. Die Kommunikation mit den Immofinanz-Mitarbeitern laufe nur schleppend, Zusagen würden nicht eingehalten. Darüber hinaus hätten Handwerker bereits mehrfach seine Toiletten benutzt und verschmutzt zurückgelassen. In der Badewanne habe er Spuren von Urin gefunden. „Ich frage mich, mit welchen Firmen man da eigentlich zusammenarbeitet“, sagt Riecker.

Dass es sich bei seiner Wohnung im Gerling-Quartier nicht um einen Einzelfall handelt, belegen die Aussagen fünf weiterer Eigentümer, die im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ von gleichen oder ähnlichen Problem berichten. Sie klagen über unsauber ausgeführte Arbeiten, offensichtliche Baumängel, ständige Wechsel in der Bauleitung und eine schlechte Kommunikation. Nur eine von ihnen will ihren Namen nennen. Eva Matern, die selbst als Architektin arbeitet, hat sich eine Wohnung im „Haus Colonia“ gekauft. Es wurde früher vom Gerling-Konzern als Bürogebäude genutzt und mittlerweile umgebaut.

In ihrem Kaufvertrag wurde September 2014 als Monat der Übergabe fixiert – tatsächlich konnte Matern jedoch erst im Dezember 2015 einziehen. Nachdem Immofinanz den Termin immer wieder nach hinten verschoben hätte, sei ihr zunächst ein Tag im Oktober 2015 genannt worden. „Als ich in die Wohnung kam, war überhaupt nichts fertig“, erinnert sich Matern. Es hätten dort etliche Handwerker gearbeitet. „Die Farbe war nicht trocken, die Badewanne nicht verkleidet und die Elektrik funktionierte nicht – das war aus meiner Sicht ein Skandal.“ Bei der Übergabe im Dezember seien im Protokoll noch immer 65 Mängel festgehalten worden.

Auch bei Matern benutzten die Handwerker ihre Toilette, ohne sie hinterher zu reinigen. Die Wohnungstür sei mehrfach nicht abgeschlossen, sondern nur ins Schloss gezogen worden. Nach wie vor würden fremde Menschen ein und aus gehen. Ein im Übergabeprotokoll vermerkter Wasserschaden am Parkett entlang der Küchenzeile sei bis heute nicht behoben worden. Die Unterkonstruktion von Toilette und Waschbecken drücke sich inzwischen durch die Wand. „Ich habe nicht das Gefühl, dass die das in den Griff bekommen“, sagt Matern.

Die Verantwortlichen beim Projektentwickler Immofinanz bestätigen auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Probleme im Gerling-Quartier. „Wir haben Ende 2015 festgestellt, dass nicht alles rund läuft“, sagt Till Diekmann, Geschäftsführer von Immofinanz Deutschland. Er und Projekt-Manager Fred Siebken hatten zu diesem Zeitpunkt die Verantwortung von ihren Vorgängern übernommen. „Es wurden vertraglich Termine festgehalten, die nicht einzuhalten waren“, räumt Diekmann ein. In der Vergangenheit habe man sich nicht genug Zeit genommen, um alle Unzulänglichkeiten vor der Übergabe zu beheben. „Wir waren auch nicht so aufgestellt, dass wir die Mängel schnell beseitigen konnten“, sagt er.

Das habe sich aber seit Jahresbeginn verbessert. „Wir haben uns insgesamt neu aufgestellt, die Bauleitung komplett ausgetauscht und nennen jetzt in den Neuverträgen realistische Übergabetermine“, so Diekmann. Ein Projekt dieser Größenordnung benötige eine 24-Stunden-Betreuung. „Wir nehmen das Thema sehr ernst und werden alle Mängel aufnehmen und beseitigen“, verspricht Diekmann. „Wir haben dazu eine eigene schnelle Eingreiftruppe eingesetzt.“ Die Bauleitung bestehe mittlerweile aus mehr als 40 Mitarbeitern, die Projektleitung aus 14. Man müsse allerdings auch festhalten, dass die Eigentümer im Premium-Segment andere Probleme feststellen würden als bei einer „08/15-Wohnung“.

Auch bei Firmen, die Büroräume im Gerling-Quartier beziehen wollen – wie etwa die Unternehmensberatung McKinsey – habe es Verzögerungen gegeben, so Diekmann. In diesem konkreten Fall liege das an äußerst aufwendigen Planungen, die mittlerweile aber weit fortgeschritten seien.

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