Hauptschule in der Kölner InnenstadtDer Kayjass Nummer Null droht das Aus

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Die Hauptschule Großer Griechenmarkt

Die Hauptschule Großer Griechenmarkt

„Dreimol null es null bliev null“ hat der Lehrer Welsch nicht nur den Schülern in der Kayjass Nummer Null beigebracht. Jeder Kölner kann das Lied singen, selbst wenn man ihn mitten in der Nacht wecken würde. Die Adresse ist nicht nur Tradition, sie ist so etwas wie ein Identifikationsangebot für alle Eingeborenen und Zugereisten – ein geradezu mystischer Ort der Selbstvergewisserung. „Nä, nä, dat wesse mer nit mieh ...“

Die „steinahl Schull“ auf der Ecke Großer Griechenmarkt und Kaygasse, im Griechenmarktviertel südlich des Neumarkts gelegen, gibt es nicht mehr. Wohl aber ihren stolzen Nachfolger, die Katholische Hauptschule Großer Griechenmarkt. Dort aber ist den Lehrern und Eltern zur Zeit die Lust am Singen vergangen.

Schüler der Hauptschule Großer Griechenmarkt vor dem Start zur Paddeltour mit Schulleiter Manfred Lebek (3.v.l.)

Schüler der Hauptschule Großer Griechenmarkt vor dem Start zur Paddeltour mit Schulleiter Manfred Lebek (3.v.l.)

Denn die Schulpolitiker der Stadt debattieren über die Zukunft des Kölner Bildungsangebots. Es fehlen Hunderte Plätze an Gesamtschulen und Gymnasien, gleichzeitig gehen die Anmeldezahlen an den Hauptschulen seit Jahren rapide zurück. Viele Hauptschulen wurden bereits geschlossen, ihre Gebäude werden von anderen Schulen genutzt, einige werden dafür vorbereitet. Diese Entwicklung wird, das führt der neue Schulentwicklungsplan aus, weitergehen.

„Wo bleiben unsere Kinder?“

Der Stadtrat hat am Donnerstag die Schließung der Hauptschule in Rodenkirchen beschlossen. Die früher gültige Vorgabe, in jedem Stadtbezirk wenigstens eine Hauptschule zu erhalten, ist längst begraben worden. Würden alle Vorschläge des Schulentwicklungsplans umgesetzt, gäbe es in wenigen Jahren nur noch ein klitzekleines Hauptschulangebot in Köln – mit lediglich drei Schulen in den Stadtbezirken Innenstadt, Mülheim und Ehrenfeld.

Das hat der Stadtrat entschieden

Die Ratspolitiker haben in ihrer Sitzung am Donnerstag neben der auslaufenden Schließung der Hauptschule Rodenkirchen weitere schulpolitische Weichen gestellt. Die Gesamtschulen in Rodenkirchen und Zollstock sowie die Gymnasien in Rodenkirchen, Sülz, Ostheim und Pesch sollen dauerhaft zusätzliche Klassen bilden und sich vergrößern. Ebenfalls beschlossen wurde die Vergrößerung von 15 Grundschulen. Neue Räume bekommt bislang nur das Schillergymnasium. Der Rat beschloss Erweiterungsbauten, die dann auch vom benachbarten Elisabeth-von-Thüringen-Gymnasium mitbenutzt werden sollen.

Beschlossen wurde nach langem Vorlauf auch die Generalsanierung des ehemaligen Grund- und Hauptschulgebäudes in der Overbeckstraße in Neuehrenfeld. Zum Schuljahr 2018/19 soll dort die neue inklusive Ehrenfelder Gesamtschule starten, die später nach Fertigstellung eines Neubaus auf dem Heliosgelände dahin umziehen wird. Zurzeit sind in dem Gebäude an der Overbeckstraße noch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht. (fra)

„Wo bleiben unsere Kinder?“, fragt Christoph Jansen, Lehrer am Großen Griechenmarkt. Die Eltern hätten zu Recht Angst, dass ihre Kinder in größeren Systemen untergingen. Auch wenn die Anmeldezahlen an den Hauptschulen zurückgingen – das ändere nichts daran, dass es auch in Zukunft Schüler geben werde, die eine besondere Begleitung und Förderung bräuchten.

„Wir haben uns bewusst für die Schule entschieden“, sagt Marion Penthin, Mutter eines Zehntklässlers und Sprecherin der Schulpflegschaft am Großen Griechenmarkt. Regelrecht familiär gehe es an der Schule zu. „Hier wird sich um jeden gekümmert“, sagt Dirk Wien, Vater eines Neuntklässlers. „Wir brauchen kleine Schulen, die auf die Kinder, die das brauchen, ganz individuell eingehen können.“ Schulleiter Manfred Lebek übersetzt das ortsangemessen: Man mache Schule „met Hätz“. Lebek machte sich in dieser Woche mit Schülern zu einer Paddeltour auf – ein Beispiel für das enge Lehrer-Schüler-Verhältnis.

Die Sorgen in der Innenstadt sind beispielhaft für andere Stadtviertel und die dort betroffenen Schulen. Die Frage, wo Kinder, die zu anderen Zeiten wie selbstverständlich auf eine Hauptschule gegangen wären, in Zukunft unterrichtet werden, ist längst nicht geklärt. Die großen Gesamtschulen lehnen jedes Jahr Hunderte Kinder mit Hauptschulempfehlung ab. Ein anderes Problem: Viele Eltern ignorieren offensichtlich die Empfehlung der Grundschulen zur weiteren Bildungslaufbahn ihrer Kinder und melden diese bei Realschulen oder gar Gymnasien an. Nicht selten ist das Scheitern vorprogrammiert: Diese Kinder kommen dann im siebten oder achten Schuljahr als abgeschulte Verlierer genau in die Hauptschulen, wo sie ihre Eltern einst nicht anmelden wollten.

Viele finden selbst in der weiteren Nachbarschaft keine Hauptschule mehr, weil sie bereits geschlossen wurde. Da Neugründungen von Gesamtschulen zurzeit unendlich lange dauern, gibt es keinen leicht erreichbaren Ersatz. Beispiel Ehrenfeld/Neuehrenfeld: Zwei von drei Hauptschulen wurden dort in den vergangenen Jahren dichtgemacht. Die geplante Gesamtschule auf dem Heliosgelände wird frühestens in zwei Jahren starten. So leiste auch Schulpolitik ihren Beitrag zur Gentrifizierung, sagen Kritiker: Für bestimmte Bevölkerungsgruppen gebe es keine Schulplätze mehr im Viertel.

Gesamtschule Innenstadt könnte die Räume der Hauptschule nutzen

Die Hauptschule Großer Griechenmarkt steht ebenfalls auf der Streichliste der Verwaltung. Zurzeit kann die Schule noch mit zwei Klassen ab dem fünften Schuljahr starten. Zuletzt gab es noch 36 Anmeldungen. Es wird knapp – trotz des exzellenten Rufs. Die 2014 gegründete Gesamtschule Innenstadt könnte die Räume der Hauptschule nutzen, heißt es im Schulentwicklungsplan: „Denkbar wäre eine auslaufende Schließung der Hauptschule und die Nutzung des Schulgebäudes als Teilstandort der Gesamtschule im Rahmen eines Campus-Modells“ . Das wäre das Ende der Traditionsschule an der Kayjass Nummer Null.

Diskussion am Montag

Die Elternvertreter der Katholischen Hauptschule Großer Griechenmarkt laden am kommenden Montag, 26. September, um 19 Uhr in die Aula der Schule zu einer Diskussion über die Zukunft der Hauptschule ein. Leitfrage der Veranstaltung ist: „Was wird aus unseren Kindern?“ Vertreter der Ratsparteien, der Bezirksregierung, der Kirche und von einigen Arbeitgebern haben ihr Kommen zugesagt. Im Vordergrund steht die Zukunft der Traditionsschule, deren Schicksal jedoch beispielhaft für die gesamte Kölner Hauptschullandschaft ist. (fra)

Das Lehrer-Kollegium hat sich mit der Frage befasst, ob man freiwillig den Weg für eine Gesamtschule freimachen sollte. Doch die gesetzlichen Rahmenbedingungen machen die Mitarbeit an Gesamtschul-Neugründungen für Hauptschullehrer unattraktiv. Kollegen, die sich zum Beispiel in Mülheim auf den Umwandlungsprozess eingelassen haben, sind anschließend von den Landesbehörden an andere Schulen versetzt worden. Außerdem gebe es einiges, für dessen Erhalt sich das Streiten lohne, findet Lehrer Janssen. „Wir müssen auf Entwicklungen reagieren. Das heißt aber nicht, dass wir alles über den Jordan jagen müssen.“

Das hat der Stadtrat entschieden

Die Ratspolitiker haben in ihrer Sitzung am Donnerstag neben der auslaufenden Schließung der Hauptschule Rodenkirchen weitere schulpolitische Weichen gestellt. Die Gesamtschulen in Rodenkirchen und Zollstock sowie die Gymnasien in Rodenkirchen, Sülz, Ostheim und Pesch sollen dauerhaft zusätzliche Klassen bilden und sich vergrößern. Ebenfalls beschlossen wurde die Vergrößerung von 15 Grundschulen.

Neue Räume bekommt bislang nur das Schillergymnasium. Der Rat beschloss Erweiterungsbauten, die dann auch vom benachbarten Elisabeth-von-Thüringen-Gymnasium mitbenutzt werden sollen.

Beschlossen wurde nach langem Vorlauf auch die Generalsanierung des ehemaligen Grund- und Hauptschulgebäudes in der Overbeckstraße in Neuehrenfeld. Zum Schuljahr 2018/19 soll dort die neue inklusive Ehrenfelder Gesamtschule starten, die später nach Fertigstellung eines Neubaus auf dem Heliosgelände dahin umziehen wird. Zurzeit sind in dem Gebäude an der Overbeckstraße noch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht.

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