„Züge einer Hinrichtung“Lebenslange Haft für Mord an der Ex-Freundin

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Der Angeklagte im Gerichtssaal.

Ostheim – „Diese Tat, das kann man nicht anders sagen, trägt Züge einer Hinrichtung“, sagte Richter Peter Koerfers am Donnerstag in Saal 210 des Landgerichts, als er das Urteil der 5. Großen Strafkammer gegen Steffen M. begründete: lebenslange Haft wegen Mordes mit dem Merkmal der Heimtücke.

Anders als der 21-Jährige Student dem Gericht habe weismachen wolle, habe er keine „spontane Affekttat“ begangen, sondern planmäßig gehandelt. Zwar sei er verzweifelt gewesen und habe keinen Ausweg mehr gesehen, er könne sich aber nicht auf verminderte Schuldfähigkeit hinausreden. Ihm sei die „volle strafrechtliche Verantwortlichkeit“ zuzuschreiben.

Angeklagter gestand die Tat

Steffen M. hatte gestanden, seine ehemalige Freundin Azra T. (20, Name geändert) am Abend des 29. Januar dieses Jahres mit 31 Messerstichen in Hals und Kopf umgebracht zu haben. Koerfers zeichnete in seiner etwa einstündigen Urteilsverkündung detailliert nach, wie es zu dem Mord gekommen war; und entwarf ein negatives Persönlichkeitsbild des Täters, der aus sogenanntem guten Hause stammt, an der Fachhochschule Aachen Luft- und Raumfahrttechnik studierte und nicht vorbestraft ist.

Mit intimen Fotos unter Druck gesetzt

Schon mit 14 Jahren lernte er Azra T. kennen. Die Freundschaft, die bald entstand, wurde zur sexuellen Beziehung, verheimlicht vor ihren streng gläubigen muslimischen Eltern. Steffen M. habe den „dominanten Part“ gehabt, sagte Koerfers, und das Mädchen dazu gebracht, auf seine besonderen „sexuellen Vorlieben“ einzugehen: Auf seinen Wunsch hin schlief sie mit anderen Männern, nahm diesen Sex heimlich in Bild und Ton auf, überließ ihrem Freund die Dateien.

Es kam die Zeit, in der die Beziehung zu wackeln begann. Im Wechselspiel von Trennungen und Versöhnungen hatte Steffen M. ein entscheidendes Druckmittel, das Azra T., die inzwischen ebenfalls in Aachen studierte, immer wieder zur Rückkehr zu ihm nötigte. Er drohte ihr, andernfalls ihren Eltern die intimen Aufnahmen zukommen zu lassen.

Rachedurst und verletzter Stolz

Die wechselnden Sexpartner nannte das Paar unter sich „Spielzeuge“ oder kurz „SZ“. In einen dieser Männer verliebte sich Azra T. Nach einigem dramatischem Hin und Her zog sie einen Schlussstrich unter die Beziehung zu Steffen M. Er war außer sich. Seinen Gefühlszustand beschrieb Richter Koerfers als Mischung aus Verzweiflung, enttäuschter Liebe, Trauer, Wut, Rachedurst, verletztem Stolz und dem brennenden Wunsch, „kein Verlierer zu sein“. Im Chat mit Freunden kündete der 21-Jährige in dieser Zeit bereits seine Tat an: Weil Azra T. sein Leben zerstört habe, müsse sie sterben, für ihn gebe es nur noch Liebe oder Tod.

In einem Trekking-Geschäft kaufte er sich am 25. Januar zwei Messer. Drei Tage später passte er abends Azra T., die die Wochenenden meist bei ihren Eltern in Köln verbrachte, an der Haltestelle Autobahn in Ostheim ab. Es war 19.14 Uhr. Er überredete die überraschte Frau, einen Umweg über den schwach beleuchteten Hartgenbuscher Kirchweg zu machen, zückte ein Messer, das er im Ärmel versteckt hatte, und stach wie rasend auf sie ein – auch dann noch, als sie schwer verletzt auf dem Boden lag. Zwei Schlagadern waren getroffen, sie verblutete, Bereits wenige Minuten später, um 19.18 Uhr, stieg Steffen M. in eine Straßenbahn der Linie 9 ein und fuhr nach Kalk, wo er sich im Polizeipräsidium stellte.

Alles spreche dafür, dass das Verbrechen geplant gewesen sei, sagte der Vorsitzende Richter. Auf die Kammer habe Steffen K., der jungenhaft brav aussieht, einen „unreifen Eindruck“ gemacht und damit Zeugenaussagen bestätigt, wonach er ziemlich zurückgezogen in einer „Internetblase“ gelebt habe. Koerfers: „Es wird Zeit, dass Sie sich den Herausforderungen dieser Welt stellen.“

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