Dunkles Kapitel in KölnStolpersteine auf Rösrather Straße erinnern an NS-Schicksale

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Künstler Günter Demnig (r.) mit Liselotte Berschel (3.v.r) und Vertretern der Sponsoren

Künstler Günter Demnig (r.) mit Liselotte Berschel (3.v.r) und Vertretern der Sponsoren

Rath-Heumar – Auf Initiative der im Stadtteil lebenden Historikerin und Autorin Liselotte Berschel hat der Kölner Künstler Günter Demnig vor dem Haus Nummer 593 auf der Rösrather Straße fünf Stolpersteine verlegt.

Sie sollen an die jüdischen Bürger erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus zunächst dort gewohnt hatten, bevor sie in sogenannte Judenhäuser zwangsumgesiedelt wurden und später in den Osten deportiert wurden, wo sie dann in verschiedenen Lagern ums Leben kamen.

Wichtiges Symbol

„Gerade in der heutigen Zeit, in der Hass und Rechtspopulismus in Europa wieder aufflackern und manchmal auch Oberhand gewinnen, sind diese Gedenktafeln ein wichtiges Symbol, eine richtige Botschaft“, sagte Bezirksbürgermeister Marco Pagano bei einer abendlichen Gedenkfeier im Pfarrsaal der Kirche St. Cornelius. Pagano: „Die Familien Apfel und Drucker waren Teil des Ortes. Sie waren Nachbarn und Freunde. Sie gehörten zum Veedel. Es passierte vor unserer Haustüre.“

Künstler Günter Demnig (r.) mit Liselotte Berschel (3.v.r) und Vertretern der Sponsoren

Künstler Günter Demnig (r.) mit Liselotte Berschel (3.v.r) und Vertretern der Sponsoren

Einige interessierte Bürger waren gekommen, darunter auch die Vertreter der Vereine und Organisationen, die die Patenschaft und Kosten für die Stolpersteine übernommen hatten. Die Autorin Berschel und ihr Historiker-Kollege Fritz Bilz gaben noch tiefergehende Einblicke in die Geschichte.

Sie informierten über die beiden in dem Haus an der Rösrather Straße lebenden Familien sowie über weitere jüdische Bürger aus Rath-Heumar und Brück, die verfolgt, deportiert und getötet wurden.

Familiengeschichte erforscht

Joseph Apfel, ein Viehhändler aus dem westfälischen Herford, hatte sich 1923 zur Ruhe gesetzt und war ein Jahr später mit Ehefrau Josefine und den beiden Kindern Erich und Else nach Köln gezogen. Zunächst in die Innenstadt, ehe die Familie 1927/28 in Rath das Haus Rösrather Straße 593 erwarb. Zehn Jahre später musste er das Haus „unter dem Zwang der Verhältnisse“ an zwei Schwestern aus Heumar verkaufen.

Das Ehepaar konnte noch einige Monate dort wohnen, wurde dann aber im April 1939 in das Ghettohaus am Mauritiussteinweg und von dort in das „Judenhaus“ in die Cäcilienstraße 18-22 eingewiesen. Im Juni 1942 wurde das Ehepaar Apfel nach Theresienstadt deportiert und drei Monate später nach Treblinka gebracht, wo es ermordet wurde.

Umzug ins Ghetto erzwungen

Im Haus an der Rösrather Straße wohnte auch Apfels Tochter Else, die inzwischen mit dem Kaufmann Karl Drucker verheiratet war und eine Tochter (Margot Klara) hatte. „Als die Druckers 1938 aus Rath verschwanden, vermuteten die Nachbarn, dass die Familie nach Amerika emigriert sei“, hatte Berschel herausgefunden. Tatsächlich war auch sie gezwungen worden, in das Ghettohaus am Mauritiussteinweg 81 zu ziehen.

Von dort wurden Karl und Else Drucker mit ihrer Tochter im Oktober 1941 ins Ghetto Litzmannstadt bei Lodz deportiert. Der Vater starb im Mai 1942. Die letzten Lebenszeichen der Tochter und der Mutter stammen aus dem Oktober 1943 und vom Juni 1944. „Ort und Zeitpunkt ihres Todes sind unbekannt“, sagte Berschel.

Die ehemalige Geschichtslehrerin hat in jahrelanger Fleißarbeit viele Quellen durchforstet, Interviews mit Zeitzeugen geführt, und ihre Recherchen im Buch „. . . nur ein Dorf“ veröffentlicht.

Buch „... nur ein Dorf“

Mit dem Buch „... nur ein Dorf“, hat Liselotte Berschel, da waren sich die Experten einig, eine Lücke in den Chroniken über die NS-Zeit im rechtsrheinischen Köln geschlossen. So hat sie aufgezeigt, wie sich die NSDAP in den Jahren 1932 und 1933 in dem Stadtteil etabliert hat, wie die Vereine gleichgeschaltet und sich die Nazi-Ideologie beim Neubau der Volksschule an der Forststraße im Jahr 1936 durchsetzte.

Schwerpunkt ist Geschichte der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen

Ein Schwerpunkt in den Untersuchungen Berschels ist die Ausbeutung von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen sowie die Verfolgungen von Sozialdemokraten, Kommunisten und Juden, die zuvor jeweils noch freundliche Nachbarn waren. Hier stützt sie sich neben Aussagen von Zeitzeugen auf Gerichtsakten zu den damals weit verbreiteten Denunziationen.

Auch in Rath-Heumar setzte der faschistische Staat seine Instrumente zur Überwachung, Terrorisierung und Ausschaltung kritischer Bürger ein. (NR)

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