Stunksitzung-KritikWenn Mutti der Kragen platzt, gibt’s Stunk

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Anne Rixmanns großartige „Angela Merkel“-Parodie

Anne Rixmanns großartige „Angela Merkel“-Parodie

Köln – Alaaf, Fasteleer? Nein – ein frohes Fest! Eine Woche vor Weihnachten hatte die Stunksitzung Premiere im E-Werk. Friedlich-freundlich ist die Stimmung im Publikum vor der Show, viele kennen sich seit Jahren, und die man nicht kennt, kennt man doch – irgendwie. Es sind alles Brüder und Schwestern im Geiste, Stunk-Veteranen, die früher, als es noch keine festen Sitzplätze gab, stundenlang in bitterer Kälte in der Schlange auf Einlass warteten. Und die sich nervös fragten, welchen Skandal das Kollektiv unterm Anarcho-Stern denn diesmal lostreten würde.

Wenn die TV-Weihnachtsrede aus dem Ruder läuft: Anne Rixmanns großartige „Angela Merkel“-Parodie

Wenn die TV-Weihnachtsrede aus dem Ruder läuft: Anne Rixmanns großartige „Angela Merkel“-Parodie

Um es mit dem aktuellen Literatur-Nobelpreisträger zu sagen: „The times they are a changin'“. Feindbilder wie Ex-Erzbischof Joachim Meisner sind von der Monstranz gegangen, sein Nachfolger ist ein Sympath. Bei Kanzlerin Angela Merkel gibt es zwar satirische Ansatzpunkte, aber eigentlich ist die auch ganz nett.

Ziemlich vorhersehbar

Und die Stunksitzung ist, was bleibt ihr da übrig, etwa so vorhersehbar geworden wie eine Fracksitzung im Gürzenich. Da wird nach dem Köxit die Flönz zur Währung und der Dax zum Düx. Das städtische Datennetz wird gehackt, der Fahrplan der KVB dabei durch eine wirre Ziffernfolge ersetzt, was sich aber als das Original entpuppt. Nobbi Blüm erzählt das Märchen von sicheren Renten, und der „Alaafist“ – eine Komposition aus den Worten Allaf und Salafist – tarnt sich im Ringelhemd. Die Roten Funken hadern mit dem Kameraden, der sich plötzlich mit blauer Litewka als andersrum outet. Köbes Underground spielt wieder tolle Musik, Ozan Akhan schwingt zum Entzücken der Damen die Hüften.

Alles zum Thema Angela Merkel

Wer aber jetzt meint, die alten „alternativen“ Zeiten der jecken Anarchie herbeireden zu müssen, der meckert auf hohem Niveau. Denn was die Stunker auf die Bühne bringen, ist nach wie vor erste Kabarett- und Comedy-Sahne. Und mehr als 50 ausverkaufte Sitzungen bis Aschermittwoch geben den Machern recht.

Die Glanzlichter

Unangefochtenes Glanzlicht des Abends: Anne Rixmanns Solo als Angela Merkel. Mutti möchte ihre TV-Weihnachtsansprache halten, der Regisseur korrigiert sie andauernd – bis ihr der Kragen platzt und die Kanzlerin frei von der Leber vom Leder zieht. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer ist der Wurmfortsatz aus München, Arbeitsministerin Andrea Nahles die singende Ringbucheinlage auf LSD, und zu Vize-Kanzler Sigmar Gabriel, der adipösen Gesinnungsamöbe, fällt ihr ein: „Ich bin zwar kein Proktologe (Enddarm-Facharzt, d.Red.), aber ein Arschloch erkenne ich, wenn ich es sehe.“

„Meine Blutgruppe ist Nutella positiv“: Der bekannteste Ex-Leverkusener im Querformat, Rainer Calmund, kommt gleich vielfach.

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Russen-Präsident Wladimir Putin wird gefragt, ob er er die Krim gegen Bayern tauscht mit der verlockenden Option, Mecklenburg und seine Spackos noch gratis dazu zu bekommen. Rixmann-Merkel dreht gewaltig auf, nimmt sich die EU-müden Briten zur Brust: „Bleibt mal ruhig unter euch, ihr Inselaffen. Könnt ihr eure Inzuchtstatistik wieder ein bisschen aufmöbeln. Gegen euren Genpool ist Brandenburg ja der Inbegriff von blühender Artenvielfalt!“

Und dann das Bekenntnis der Kanzlerin in Sachen Muselmännchen mit dem kleinen Döner untenrum: „Wisst ihr noch, das Gedicht? Geiles Zeug, oder? Aber wer konnte denn ahnen, dass der Böhmermann (Jan, TV-Moderator, d. Red.) das auch wirklich vorliest? Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich das doch nie geschrieben!“ Und Händeschütteln mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan? „So viel Sagrotan krieg ich gar nicht in meine Handtasche.“ Das sitzt, da jubelt das E-Werk.

„Petry heil, heil Petry!“: Die dicken Fische werden in Berlin derzeit rechts außen gefangen.

„Petry heil, heil Petry!“: Die dicken Fische werden in Berlin derzeit rechts außen gefangen.

Pflichtgemäß und mit Wonne reiben sich die Stunker wieder am ultrarechten Rand der Politik. Sitzen da doch die Köpfe der etablierten Parteien als „Anglerverein Berlin Mitte“ am Ufer und wundern sich über ihren mageren Stimmen-Fang. Nur Frauke Petry („Petry heil, heil Petry!“), neu dazugestoßen, zieht die dicken Fische an Land. Was zum Nachahmen verlockt und Seehofer zu der Erkenntnis hinreißt: „Der beste Köder ist der Söder.“

Die besten Köln-Nummern

Die TV-Sendung „Sing meinen Song“ wird umfunktioniert in „Sing my Höhner“ – ein Fest für die Musiker von Köbes Underground und ihre grandiosen Parodien. Da nölt Xavier Naidoo „Dicke Mädchen sind steinig und schwer“, Herbert Grönemeyer knödelt „Bocklemünd, ich komm aus dir“, Rammstein grunzt „Jetzt geht’s los“, und die Synthesizer-Oldies von Kraftwerk dudeln die „Pizza wunderbar“. Dann noch der „Jode Lade“ , genäselt von Jan Delay, und die genuschelte Karawane mit Udo Lindenberg. Spaß und Klamauk pur.

Im Hänneschen gibt es eine Rakete für Donald Trump – direkt zum Mond.

Im Hänneschen gibt es eine Rakete für Donald Trump – direkt zum Mond.

Im Hänneschen-Theater, alljährlich fester Programmpunkt der Sitzung, ist die Kiste mit den Idioten aufgegangen. Und so treffen sich denn Trump, der mit der „Hairforce One“ eingeflogen ist, Erdomanes und Putin zum Gipfel. Wobei Erdomanes herbe ausgegrenzt wird: „Du bist nicht beim G8, nicht beim G7, nur beim G-nozid.“ Nach gutem kölschen Brauch zum Schluss eine Rakete für Trump – er wird zum Mond geschossen.

Biggi Wanninger in ihrer Paraderolle als „Stivvels Jupp“

Biggi Wanninger in ihrer Paraderolle als „Stivvels Jupp“

Und dann ist da Sitzungspräsidentin Biggi Wanninger in ihrer Paraderolle als Stivvels Jupp, „Thinktank“ des Kölner Karnevals. Jupps dahingehaspelte Fortschritts-Idee: Köln braucht einen selbstfahrenden Rosenmontagszug. Das Faszinierende ist, der Zug geht los, und keiner weiß, wohin. Jupps nächstes Projekt ist das erste selbstdenkende Dreigestirn. Mehr davon vermutlich nächste Session.

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