Lebensmittel-Kampagne in KölnRatten-Plakate gegen Verschwendung

Lesezeit 3 Minuten
Eines der 160 Großplakate der Stadtentwässerungsbetriebe

Eines der 160 Großplakate der Stadtentwässerungsbetriebe

Köln – „Danke für das viele Essen!“, daneben eine riesige, possierlich wirkende Ratte. Mit dieser Plakat-Kampagne werben die Stadtentwässerungsbetriebe (Steb) seit Dienstag auf 160 Werbetafeln im Stadtgebiet dafür, keine Essensreste in Abflüsse zu werfen. „Die Toilette wird leider immer noch von vielen Menschen als Abfalleimer für Nahrungsmittel benutzt“, sagt Steb-Chef Otto Schaaf. „Die Vermehrung von Ratten ist auch ein Spiegel der Wegwerfgesellschaft. Würden wir unsere Nahrung komplett verwerten, hätten wir das Problem nicht in diesem Ausmaß.“

Mehr als 81 Kilo Nahrungsmittel wirft jeder Deutsche im Durchschnitt laut einer Studie des Bundesministeriums für Ernährung jedes Jahr weg. Zuviel davon landet nicht im Müll, sondern in der Kanalisation sowie auf Straßen und Plätzen. Jeder halbe Döner, der im oder neben einem offenen Mülleimer landet, zieht die Nager an – paradiesische Verhältnisse zur Vermehrung.

Diese Erfahrung hat zumindest ein führender Mitarbeiter eines Kölner Schädlingsbekämpfungsunternehmens gemacht: „Das öffentliche Rattenproblem nimmt immer mehr zu, das beobachten wir seit Jahren“, sagt der Mann, der nicht namentlich genannt werden will, „weil wir genug Kunden haben, und ich sonst morgen mit besorgten Anfragen bombardiert würde.“ Immerhin kann ein Rattenweibchen bis zu 1000 Nachkommen im Jahr haben.

Tiere auch in Schulen

Am Ebertplatz, Wiener und Zülpicher Platz, am Neumarkt, aber auch an vielen Schulen, Kindertagesstätten, in der Nähe von Restaurants, Imbissen, Kiosken und natürlich an Müllhalden und im Bereich von Abfallcontainern sind Ratten längst Stammgäste. Immer öfter zu sehen sind die Nager auch, weil es in Köln so viele Großbaustellen gibt: Bei starken Vibrationen krabbeln die verschreckten Tiere aus der Kanalisation und suchen sich einen anderen Unterschlupf – auch gern in Häusern.

Grund zur Besorgnis sehen die Steb nicht. „Die Kampagne hat keinen besonderen Anlass, es gibt keine akute Rattenplage“, sagt Schaaf. „Wir wollen die Bürger lediglich sensibilisieren. Im November 2013 haben wir zum ersten Mal seit vielen Jahren öffentliche Werbeflächen genutzt, um auf das Problem aufmerksam zu machen – und die Resonanz war riesig.“

Immer dann, wenn besonders viele Tiere auftreten, bekämpfen Steb und Gesundheitsamt die Ratten gemeinsam. Mitarbeiter legen vergiftete Köder aus. Die Stadt wertet die Populationen nach Stadtteilen und Plätzen aus. Parks werden viertel- oder halbjährlich auf Befall kontrolliert. „Da Ratten schnell lernen, nützt es aber nichts, überall Fallen aufzustellen. Sie schicken sogar Kundschafter vor“, sagt Otto Schaaf. „Beizukommen ist ihnen nur, wenn sie weniger Nahrung finden.“

Schaaf ist vom Sinn der Kampagne überzeugt – im Gesundheitsamt sieht man das kurioserweise völlig anders. Die öffentlichkeitswirksame Aktion schüre unnötig Ängste, findet Professor Gerhard Wiesmüller, Leiter der Abteilung Infektionsschutz und Umwelthygiene im Gesundheitsamt. Ratten gelten zwar weltweit als Überträger einer großen Zahl von Viren und Bakterien, die Menschen gefährlich werden. „Das trifft aber nicht auf unsere Breiten zu.“ Die Zeiten, als Ratten in Köln Pest, Cholera und Tuberkulose übertrugen und Tausende dahinrafften, sind lange vorbei. In Deutschland herrschten hohe Hygienestandards, so Wiesmüller. „Außerdem kommen Menschen selten mit einer wilden Ratte in Berührung.“ Deswegen übertrügen die Nagetiere auch kaum noch Krankheiten.

KStA abonnieren