Nach Blackout in OdessaUkrainerin flüchtet zum zweiten Mal nach Köln

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Halnya Balykova und Ehemann Viktor sitzen in ihrer Wohnung in Odessa im Kerzenlicht nach Stromausfall in der ganzen Stadt.

Halnya Balykova und Ehemann Viktor während des Blackouts in Odessa

Die Stadt Köln erwartet 15.000 Geflüchtete bis März 2023. Momentan kommen nur wenige Ukrainer in Köln an. 

Anfang März war Halyna Balykova aus Odessa zu ihrer Schwester nach Köln geflüchtet. Mitte September fuhr sie – geplagt von Heimweh – zurück, da sich die Situation beruhigt zu haben schien. Jetzt, als der Strom nach russischen Drohnenangriffen in der Millionenstadt am Schwarzen Meer fast komplett ausfiel, ist sie wieder in Köln. Die 53-jährige Ärztin ist gesundheitlich angeschlagen, „ich kann nicht über längere Zeit in einer kalten Wohnung leben“, sagt sie.

In der Nacht zum vergangenen Samstag hatten russische Truppen Odessa mit einer Welle von Kampfdrohnen angegriffen und damit die Stromversorgung der Millionen-Stadt gekappt. Der regionale Stromversorger hatte mitgeteilt, dass die Reparaturen zwei bis drei Monate dauern könnten.

„Wir hatten für zwei bis drei Tage keinen Strom, waren darauf aber eigentlich gut vorbereitet“, sagt Halyna Balykova. „Wie fast alle Menschen in der Ukraine haben wir uns mit Lampen und Powerbanks, Gaskochern und Solarzellen, Wasservorräten und haltbaren Lebensmitteln eingedeckt.“

Auch die Wasserversorgung war infolge der Angriffe auf die Infrastruktur zwischenzeitlich unterbrochen. „Wasser hatten wir genug. Sich aber dauerhaft gegen die Kälte zu schützen, ist nicht möglich. Wir haben wie viele andere Bewohner eine Stromheizung.“ Über die Solidarität der Deutschen und speziell der Kölnerinnen und Kölner sei sie sehr dankbar. „Es ist gut zu wissen, dass ich hierherkommen kann und offen empfangen werde – und das nicht nur, weil meine Schwester hier lebt.“

Momentan bräuchten die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht nur in Odessa vor allem Generatoren, da die russische Armee gezielt versuche, Strom- und Gasleitungen zu treffen. 

Halyna Balykova steht vor einer Bücherwand im Lew-Kopelew-Forum in der Neumarkt-Galerie.

Halyna Balykova in Köln

Balykova betont, dass deswegen in Odessa keine Panik ausgebrochen sei. Die Menschen hätten gefasst auf den Blackout reagiert, der Wille, durchzuhalten, bis das Land befreit ist, sei „riesengroß“. In den vergangenen Monaten habe sie eine Solidarität zwischen Nachbarn erlebt, die sie so nicht gekannt habe: „Unbekannte haben sich gegenseitig zum Arzt gefahren und mit Essen oder Gebrauchsgegenständen ausgeholfen, natürlich haben Krieg und Not die Menschen zusammengeschweißt.“ Viele Menschen hätten in der großenteils russischsprachigen Stadt „erst durch den Krieg ihre ukrainische Identität entdeckt“.

Die Stadt sieht müde aus, als liege eine Staubschicht über Odessa
Halyna Balykova

Nach dem Stromausfall sei die Stadt erfüllt gewesen „vom Brummen der Generatoren“. Gelitten habe seit Kriegsbeginn die Architektur der historischen Stadt. „Die Häuser brauchen viel Pflege, um instandgehalten zu werden, viele Arbeiten waren aber nicht möglich. Die Stadt sieht müde aus, als liege eine Staubschicht über Odessa.“ Als sie von der Müdigkeit der Stadt und ihrer Menschen erzählt, ist die 53-Jährige berührt. „Es ist bewundernswert, wie alle durchhalten. Wenn ich selbst gekonnt hätte, wäre ich natürlich auch geblieben.“ Die Menschen, die Odessa verlassen wollten, hätten das längst getan.

In Köln werden momentan lediglich zwei bis fünf Geflüchtete pro Tag aus der Ukraine registriert, von denen nicht alle in der Stadt bleiben. Bis zum 30. November waren 3875 ukrainische Geflüchtete in Köln gemeldet – viele jedoch sind privat untergekommen und haben sich nicht registrieren lassen. Die Stadt Köln rechnet damit, dass die Zahl der Geflüchteten insgesamt von aktuell 10.374 bis März 2023 auf 15.000 steigen könnte.

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