Jubel, Pannen und Kölsche MusikSo war die Stimmung bei der Handball-EM in der Lanxess-Arena

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Eine Eventhalle voller Publikum wird bunt ausgeleuchtet.

Die Lanxess-Arena kurz vor dem Anwurf des deutschen Spiels.

Gleich zwei Siebenmeter pariert Torhüter Andreas Wolff in der Schlussphase – und das Publikum rastet völlig aus. Unser Autor war mittendrin.

Und dann hält Andi Wolff den zweiten Siebenmeter in Folge: Das Publikum in der Lanxess-Arena flippt endgültig aus, niemand hält es mehr auf den Sitzen. Noch knapp zwei Minuten auf der Uhr, die deutsche Handballnationalmannschaft liegt mit einem Tor vorne. Auf den Rängen herrscht Ausnahmezustand. Und als Julian Köster sieben Sekunden vor Schluss auf 26:24 stellt, der deutsche Sieg eingetütet ist, haben sich einige heiser gebrüllt.

Es ist der erste der vier Spieltage der EM-Hauptrunde in der Lanxess-Arena, die mit 19.750 Zuschauerinnen und Zuschauern ausverkauft ist. Hier in Köln entstand 2007 das „Wintermärchen“, als Deutschland Handballweltmeister wurde. Noch nie hat das Team in dieser Halle verloren, die Spieler schwärmen in Interviews oft vom ekstatischen Publikum.

Handball-Fans stehen auf einer Tribüne.

Unser Autor (Mitte) mit seinem Bruder Nicolas (rechts), seiner Mutter Regina, seinem Bruder David und dessen Freundin Lena.

Große Teile davon haben ihre Karten schon vor Monaten gekauft. Dafür gibt es gleich drei Spiele nacheinander zu sehen: Ungarn gegen Österreich, Frankreich gegen Kroatien und Deutschland gegen Island – die Partie, wegen der die meisten hier sind. Gegen 15.30 Uhr, als das erste Spiel beginnt, ist die Arena nur spärlich gefüllt. Der Hallensprecher hat Mühe, dem Publikum einzuheizen.

Weltstars aus Frankreich ausgepfiffen

Als Österreich den 31:30-Siegtreffer erzielt, steht die gesamte Halle und klatscht. Richtig Alarm ist im Rund, als die kroatischen Fans übernehmen. Sie trommeln und singen und gewinnen die Gunst des Publikums. Die Weltstars aus Frankreich werden vom Kölner Publikum bei jedem Ballbesitz ausgepfiffen. Dennoch siegen Les Bleus mit 34:32.

Während sich die deutsche Mannschaft auf der Platte warmmacht, haben die Fans schon vier Stunden EM-Atmosphäre hinter sich. Die vergingen erstaunlich kurzweilig, anders als erwartet ist es nicht anstrengend, gleich drei Handballspielen zu folgen. DHB-Maskottchen Hanniball stürmt während der Team-Auszeiten das Spielfeld und animiert das Publikum zu einer Laola-Welle. Manche rätseln: Ist es ein Fuchs? Ein Eichhörnchen? Ein Hamster gar? Immerhin hat Hanniball, anders als Goleo damals, eine Hose an.

Erstes Mal beim Handballspiel

Im Oberrang sitzt Andreas Bock mit seiner Tochter Leonie. Sie kommt aus Bonn, er lebt in Geldern. „Wir haben Karten für alle vier Spiele, immer auf denselben Plätzen“, sagt die 22-Jährige. „Es ist mein erstes Mal beim Handball – irre, was hier los ist, viel besser als beim Fußball“, ergänzt ihr Vater.

Dann laufen die deutschen Spieler ein, das Publikum brüllt ihre Namen. Als die isländische Nationalhymne abgespielt wird, kommt es zu einer Panne, sie ist nur stotternd zu hören. Das fällt zunächst nur den isländischen Fans auf, die zu pfeifen beginnen. Die meisten deutschen Fans haben die Hymne schließlich noch nie gehört. Als die Melodie stoppt, merken alle, dass etwas nicht stimmt. Der Hallensprecher fordert das Publikum zu gemeinsamen „Island“-Rufen auf – ein tolles Zeichen der Fairness.

Die Lanxess-Arena leuchtet im Dunkeln.

Die hell erleuchtete Lanxess-Arena nach dem ersten Hauptrundenspieltag der Handball-EM

Das Spiel beginnt und die deutschen Fans, denen nun klar die Halle gehört, jubeln bei jedem Treffer, jeder Parade von Andreas Wolff. Es ist ein enges Spiel, nie schafft es Deutschland, sich mehr als zwei Tore Vorsprung zu erspielen. Der Hallen-DJ spielt „Kölsche Jung“ von Brings, um die Fans zum Singen zu bringen. Die wiederum verzweifeln zunehmend, weil die Deutschen den Deckel nicht drauf machen. „Köln! Das schaffen wir nur gemeinsam“, ruft der Hallensprecher.

Dreieinhalb Minuten vor Schluss pfeifen die nordmazedonischen Schiedsrichter einen Siebenmeter gegen das deutsche Team. „Andi, Andi, Andi“, feuert das Publikum Torhüter Andreas Wolff an – und der pariert den Ball. 90 Sekunden später hält er erneut einen Siebenmeter. „Das darfst du dir jetzt nicht mehr nehmen lassen“, ruft Andreas Bock. Die Halle tobt, niemand vor dem Fernseher kann sich vorstellen, was hier los ist. „Geil, aber so spannend hätten sie es nicht machen müssen“, sagt Bock nach der Schlusssirene gegen den Jubel in der Halle. Leonie stimmt ihm zu: „Andi hat uns gerettet!“

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